Dieser Bandenchef wollte sich tarnen, das lag auf der Hand. Aber weil er zu diesen Mitteln griff, mußte es sich um einen sehr bekannten Mann aus Wech-Lake handeln. Kam Clive Blander dafür in Betracht? Parker war viel zu vorsichtig, um diese Frage zu bejahen. Er war kein Mensch, der sich aus Gründen der Bequemlichkeit selbst belog. – Sicher, Blander war der Arbeitgeber Renners und Joes, also hatte er einen engen Kontakt zu diesen Gaunern. Aber ein Beweis war das noch nicht. Die grundsätzliche Frage, die zu klären war, bestand nach Parkers Meinung darin, auf welchem Gebiet sich die Gangster betätigten. Was hatte Doktor Flander verraten wollen? Welche dunklen Geschäfte wurden von der Bande betrieben? – Der Gangsterchef hatte seine Leute bestimmt nicht aus Langeweile um sich versammelt.
Warum war Renner immer so wild geworden, sobald die Rede auf den bewußten Glaskorken gekommen war? Was verschwieg die Witwe Andersen, die Flander bei der Arbeit assistiert hatte? Warum hatte Zack, das Faktotum Flanders, so schnell sterben müssen?
Butler Parker sog sehr heftig an der Zigarre und gab das Grübeln auf. Es hatte keinen Sinn, Fragen über Fragen zu stellen. Er wußte genau, daß er dieses Rätsel eines Tages lösen würde. Daß er sich auf dem richtigen Wege befand, bewiesen allein schon die Mordanschläge auf ihn. Er war dem Chef der Gangster unbequem geworden.
Parker hatte inzwischen den Höhenzug überquert und rollte in eine Hochebene hinein. Von weitem schon sah er das gleißende Licht von Scheinwerfern. Es handelt sich wohl um das Camp von Blander, der dort seine Konservenfabrik aufbaute und erweiterte. Parker steuerte einen erleuchteten Steinbau an und kletterte umständlich aus dem Ford. Mit kurzen Trippelschritten näherte er sich dem Eingang des zweistöckigen Hauses, wurde aber bald darauf von einem Mann aufgehalten, der eine Armbinde trug, auf der in Druckbuchstaben »Blander-Police« stand.
»Ich hege die Absicht, Mister Clive Blander einen Höflichkeitsbesuch abzustatten«, erklärte Parker und grüßte freundlich. »Ich darf wohl unterstellen, daß Mister Blander gerade vor mir eingetroffen ist, ja?«
»Der Chef ist vor ’ner Viertelstunde angekommen«, sagte der Mann ahnungslos. »Wer sind Sie denn?«
»Ich nenne mich Parker«, erwiderte der Butler. »Die Nennung meines Namens allein wird schon ausreichen, um Mister Blander zu veranlassen, mich zu empfangen.«
»Gehen Sie immer rein in die gute Stube«, sagte der Mann fassungslos, denn so viel Höflichkeit hatte er noch nie in seinem Leben auf einmal zu hören bekommen. Er deutete auf die Tür und steckte sich schnell eine Zigarre an, um sich von seinem großen Schreck zu erholen.
Parker betrat das Gebäude und hüstelte diskret, als ein untersetzter Mann ein Zimmer verließ. Dieser Mann, er war vielleicht fünfzig Jahre alt, blieb wie erstarrt stehen, als er die erstaunliche Gestalt Parkers wahrgenommen hatte.
»Wo kommen Sie denn her?« fragte er mit einer unangenehmen, scharfen Stimme.
»Durch die Tür, lieber Freund, bestimmt nur durch die Tür«, versicherte Parker. »Haben Sie doch die Güte und Freundlichkeit, mich bei Mister Blander anzumelden. Er wird sich über meinen Besuch sicher freuen.«
»Jetzt? Um diese Zeit?«
»Mister Walter Renner starb leider nicht früher«, erwiderte der Butler Parker. »Unverzeihlich, wenn man es von Ihrem Standpunkt aus betrachtet.«
»Was ist denn draußen los?« brüllte Blanders Stimme plötzlich durch die angelehnte Tür.
»Mister Blander?«
»Die Stimme kommt mir aber verflixt bekannt vor!« rief Blander. Ein Stuhl wurde gerückt, und Blander erschien auf dem Korridor.
»Haben Sie sich auch nicht verlaufen?« fragte er den Butler.
»Ich denke nicht«, sagte Parker. »Ich komme als der Überbringer einer traurigen Nachricht. Walter Renner, Ihr Mitarbeiter, wurde vor gut einer Stunde erschossen.«
»Na … und? Was geht das mich an? Das ist doch seine Sache.«
»Wahrlich, wahrlich«, meinte Parker lächelnd, »der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er eines Tages die Neigung zeigt, sich in seine Bestandteile aufzulösen. Ein treffliches Sprichwort.«
»Um mir diesen Vortrag zu halten, sind Sie zu mir herausgekommen?«
»Wer verliert schon gern einen erstklassigen Mitarbeiter?«
»Ich will Ihnen mal was sagen, Mister Parker«, begann Blander und lehnte sich gegen die Flurwand. »Ich weiß nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht. Sie sind hinter Gangstern her, wie Sie mir schon einmal verraten haben. Schön, das ist Ihre Sache. Aber verschonen Sie mich bitte mit diesen Mätzchen. Renner war Arbeiter bei mir, richtiger gesagt, er war ein Vormann, einer von vielen. Was er privat in seiner Freizeit getrieben hat, interessiert mich nicht. Und wenn Sie der Meinung sind, ich hätte etwas mit Renners Dingen zu tun, dann sind Sie auf dem Holzweg. Mich interessieren Gangster solange nicht, wie sie mich in Ruhe lassen. Treten sie mir aber auf die Füße, werde ich zurücktreten, und zwar noch stärker. Ist Ihnen das eingegangen?«
»Sie waren hinreißend und überzeugend«, erwiderte Butler Parker lobend. »Schon wegen dieser Erklärung dürfte sich meine Fahrt in Ihr Camp gelohnt haben.«
»Sie sind ein komischer Kerl«, sagte Blander und schüttelte lachend den Kopf. »Haben Sie schon mal so was gesehen, Heswell?«
Heswell, der Mann mit der unangenehmen Stimme, enthielt sich jeder Stellungnahme. Er beobachtete Parker und schürzte verächtlich die Lippen.
»Mister Parker vermutet in Wech-Lake eine Gangsterbande«, erklärte nun Blander seiner rechten Hand.
»Eine Gangsterbande? Was ist denn schon hier bei uns zu holen?« fragte Heswell zurück. »Sie müssen sich irren, Mister Parker.«
»Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte der Butler und lüftete seine Melone. »Ich darf vielleicht am Rande auf einen Ausspruch der Lady of Lattersweg hinweisen, die immer so treffend und humorig sagte, daß viele Wege nach Rom führen.«
»Wie bitte?« gab Heswell erstaunt zurück.
»Das war nur, wie gesagt, eine Sentenz der seligen Lady of Lattersweg«, sagte Butler Parker und verließ den Korridor. Schon nach wenigen Schritten wurde er von Blander angerufen.
»Mister Parker, ich habe mir Ihre Hinweise auf die Gangsterbande durch den Kopf gehen lassen«, meinte Blander ernst. »Unterstellen wir einmal, daß Sie recht haben. Welche Spuren haben Sie bisher entdeckt? Ich bin nicht daran interessiert, daß irgendwelche Leute von mir mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Haben Sie Grund zur Vermutung, daß außer Renner noch andere Männer als Gauner in Betracht kommen?«
»Soweit sind meine Ermittlungen leider noch nicht gediehen«, erwiderte der Butler. »Ich bin untröstlich, Ihnen das sagen zu müssen, das heißt, ich kenne noch einen gewissen Joe …«
»Joe Prite etwa? Er war der Freund dieses Renners«, stellte Heswell fest.
»Welche Rolle spielte der Junge bei uns im Camp?« wandte sich Blander fragend an seine rechte Hand.
»Er ist Lastwagenfahrer«, sagte Heswell. »Er machte bisher einen guten Eindruck auf mich.«
»Was soll Joe Prite getan haben?«
»Er dürfte zusammen mit Renner Doktor Flander ermordet haben.«
»Und das sagen Sie so einfach? Weiß das der Sheriff? Longer muß da sofort eingreifen.«
»Mal eine Frage am Rande«, schaltete sich Heswell ein. »Mister Parker, woher wollen Sie denn das alles so genau wissen?«
»Das ist eben der Haken an der Sache, wie man so im Volksmund sagt«, antwortete Parker lächelnd, »ich kann Joe Prite nichts beweisen. Er gab den Mord an Flander zwar in meiner Gegenwart zu, aber er wird diese Behauptung vor einem Richter bestimmt