»Wen fürchtet sie denn …?«
»Renner … und die anderen … die immer mit ihm zusammen sind.«
»Hatte Renner irgend etwas mit Flander …? Oder war Flander hinter irgendein Verbrechen Renners gekommen?«
»Ich denke ja …«, sagte Vera Anderson. »Beweisen kann ich’s natürlich nicht, aber ich habe dieses Gefühl, verstehen Sie das? Doktor Flander wollte in die Stadt fahren, um endgültig reinen Tisch zu machen, wie er sich ausdrückte.«
»Und wann traf er diese Feststellung?«
»Genau einen Tag vor seiner Ermordung.«
»Was tat Ihre Mutter?«
»Sie warnte ihn, weinte und beschwor ihn, doch hier in Wech-Lake zu bleiben …!«
»Was geschah nach Flanders Ermordung?«
»Renner erschien in unserem Haus und benahm sich sehr unflätig. Er bedrohte ganz offen meine Mutter und sagte ihr, sie solle besser den Mund halten.«
»Tat dieser Flegel das in Ihrer Gegenwart?«
»Ich … lauschte an der Tür … Ich tue das sonst nie, Mister Parker, das dürfen Sie mir glauben.«
»Ich kenne diese Vorführungen«, gestand Butler Parker und lächelte sogar. »Machen Sie sich deswegen nur keine Sorgen, Miss Anderson. Eine Frage … Sie ahnen nicht, um was es bei diesem reinen Tisch ging?«
»Ich weiß es wirklich nicht, Mister Parker … Ich habe nur die eine Bitte, daß Sie meine Mutter beschützen … Vielleicht wird sie Ihnen eines Tages alles sagen, was sie weiß …«
»Sie können sich darauf verlassen, daß ich alles tun werde, was in meiner Macht steht«, sagte der Butler sehr ernst. »Haben Sie sich wegen Ihrer Mutter schon an den Sheriff gewandt?«
»Longer … Oh, der rührt sich doch nicht. Er trinkt viel zu gern … Hinzu kommt, daß er doch von Clive Blander gestützt wird.«
»Wer ist dieser Clive Blander …?«
»Der ungekrönte König von Wech-Lake«, erwiderte Vera Anderson bitter. »Sein Wort gilt überall …«
»Womit verdient er sein Geld?«
»Er besitzt den Store hier im Ort, dann verschiedene Filialen in anderen Orten und unterhält außerdem einen Transportdienst …
Er hat die Autovertretung, arbeitet als Viehhändler und baut zur Zeit eine Konservenfabrik.«
»Sind Renner und die übrigen bei ihm beschäftigt?«
»Natürlich … wer Geld verdienen will, muß für Blander arbeiten, das ist hier nun einmal so …«
»Hank Nebbel scheint diesen Blander nicht besonders gut ausstehen zu können, nicht wahr?«
»Sie hassen sich«, antwortete das Mädchen unbefangen. »Bevor Blander hier erschien, hatte Nebbel das Heft in der Hand. Er wurde aber schrittweise zurückgedrängt … Im Grunde fürchtet er sich vor Blander.«
»Waren Blander und Doktor Flander miteinander bekannt?«
»Der Doktor war der Vertrauensarzt des Unternehmens«, antwortete das junge Mädchen.
»Auf welcher Seite steht Stimson, der Restaurantinhaber?«
»Auf keiner Seite«, sagte Vera Anderson. »Er will nur seine Ruhe haben … Er lebt von den Sportanglern, sonst versucht er sich so gerade über Wasser zu halten … Lange wird es nicht mehr mit ihm gutgehen. Blander plant ein Hotel unten am See …«
»Clive Blander scheint ein sehr energischer Herr zu sein.«
»Brutal und gemein ist er …!«
»Darf ich indiskret sein und fragen?«
»Ich weiß schon, worauf Sie abzielen, Mister Parker … Sie wollen alles wissen … Clive Blander ist hinter mir her. Er verfolgt mich mit seinen Anträgen und möchte, daß ich als seine Sekretärin arbeite. Ich weiß aber sehr genau, was er wirklich will …«
»Wie versteht sich Ihre Mutter mit Blander …?«
»Sie redet mir zu, Clive zu nehmen«, sagte das Mädchen und begann zu weinen. »Sicher, Mammy meint es sicherlich gut mit mir, aber ich liebe nun mal Frank Norts …«
»Diesen Namen habe ich noch nie gehört.«
»Nun ja, er ist nicht gerade bedeutend … aber ein feiner und ehrlicher Junge.«
»Wo arbeitet er?«
»Er hat eine Autowerkstatt an der Hauptstraße. Er ist sehr tüchtig. Er nimmt an einem Fernkurs teil und will seinen Ingenieur machen.«
»Wünschen wir ihm doch viel Glück«, sagte Butler Parker. »Und jetzt werde ich mir erlauben, Sie nach Hause zu bringen, Miss Anderson … Ach, da fällt mir ein, welche Arbeit tat Zack eigentlich für Doktor Flander?«
»Er war so Mädchen für alles, er arbeitete schon seit Jahren für den Doktor …«
Butler Parker verbiß sich alle weiteren Fragen und brachte das junge Mädchen zurück nach Hause. Er achtete darauf, daß sie möglichst nicht gesehen werden konnten.
»Mister Parker, sagen Sie Mammy nicht, daß ich mit Ihnen über alles geredet habe«, bat sie vor dem Haus. »Mammy könnte es mißverstehen.«
»Sie können sich vollständig auf mich verlassen«, antwortete Butler Parker, lüftete seine Melone und war bald darauf in der Dunkelheit verschwunden.
Er holte sich die angerauchte Zigarre aus dem Etui und entzündete sie wieder. Genießerisch paffte er vor sich hin, während sich seine Gedanken kritisch mit dem Gehörten auseinandersetzten. Er durfte mit diesem Abend mehr als zufrieden sein und wunderte sich nur, wie ihn die kleine Anderson hatte ausfindig machen können. War sie zusammen mit ihrer Mutter in Flanders Haus gewesen? Hatte sie die Mutter verfolgt und ihn, Parker, anschließend beim Verlassen des Hauses gesehen.?
Butler Parker schlenderte über den primitiven Gehsteig und erreichte das Haus des Sheriffs. Hinter den Scheiben brannte noch Licht. Parker verbiß sich seinen Wunsch, mit Sheriff Longer über seine Abenteuer zu sprechen. Er wollte gewissen anderen Leuten den ersten Schritt überlassen. Der Jeep allerdings war inzwischen verschwunden. Die drei Gangster schienen ihn abgeholt zu haben. Parker wanderte weiter durch die milde, mondhelle Nacht. Er wurde von Hank Nebbels Tankstelle magnetisch angezogen. Überdies wollte er noch einmal nach dem gemieteten Ford sehen. Ihn interessierte dieser Wagen, vor allen Dingen die Stellung der Scheinwerfer. War der Chef der Gangster nicht auch mit einem Ford gekommen, dessen Scheinwerfer nicht genau parallel gestanden hatten? Butler Parker besaß ein erstaunliches Auge für Kleinigkeiten. Er übersah selten etwas, was wichtig für seine Ermittlungen war.
Hank Nebbel kaute auf einer kalten Zigarre herum und war noch sehr wach. Als Butler Parker im Glasverschlag erschien, wurde er von Nebbel sofort angeknurrt.
»Mister«, sagte Nebbel, »Sie haben ja zwar den Ford gemietet, aber Sie können mir wenigstens Bescheid sagen, wann Sie ihn benutzen. Komme ich doch da eben in die Garage – und das Ding ist weg! Im ersten Moment dachte ich an ’nen dummen Streich, doch dann fielen Sie mir ein …«
»Wurde der Ford nicht zurückgebracht?« erkundigte sich Butler Parker höflich.
»Natürlich, dort steht er neben der Garage … Die hintere Stoßstange werden Sie mir aber ersetzen müssen, Mister. Sie haben sie mir völlig eingedrückt.«
»Wer brachte den Wagen zurück?« fragte Parker.
»Wer anders als Sie? Als ich aus der Telefonzelle kam, fand ich den Wagen wieder vor. Die Stoßstange kostet Sie unter Brüdern mindestens …«
Nebbel redete, aber Parker hörte nicht mehr zu. Er machte sich nach diesem Gespräch erst gar nicht die Mühe, die Stellung