Die umgebenden Berghügel gaben das Echo des Schreis zurück, dann landete der Stein klatschend im Wasser, auch mit darauffolgendem Echo. Parker lief geduckt seitlich vom Wasser weg und setzte sich unter einen Strauch. Er fühlte, daß alles wieder einmal überstanden war. Er bedauerte es nur, daß er keine Zigarre anzünden konnte.
Schritte näherten sich schnell.
Die drei Gangster versammelten sich an dem Steilhang und redeten sehr laut miteinander. Sie diskutierten über den Schrei und das immer noch erregte Wasser, das seine Kreise zog. Sie kamen sehr schnell zu der Auffassung, daß dieser schwarze Rabe, wie sie sich ausdrückten, abgerutscht und ins Wasser gefallen sei.
»Der is hin«, sagte der Fahrer des Jeeps.
»Denkste«, erwiderte Renner, »dieser Bursche hat hundert Leben und ist zäher als eine Katze … Ich wette, er paddelt da unten munter im Wasser herum … Sein ganzes Auftreten ist doch nichts als Mache … Der steckt sogar unseren Boß in die Tasche.«
»Das laß ihn besser nicht hören«, warnte Joe. »Der Chef ist sehr empfindlich.«
»Wenn schon … wir dürfen auf jeden Fall alle Suppen auslöffeln, die er uns einbrockt …«
»Wer mag wohl hinter der Maske stecken?« fragte der Fahrer des Jeeps in einem Anfall von Nachdenklichkeit.
»Ich weiß, was gespielt wird«, prahlte Renner.
»Ausgerechnet du«, stichelte Joe.
»Wetten, daß ich weiß, wer der Chef in Wirklichkeit ist?«
»Ich will dich nicht schröpfen«, antwortete Joe auflachend, »du nimmst doch bloß wieder den Mund voll …«
»Möglich, aber los, wir müssen nach diesem Raben suchen«, antwortete Renner.
»Sollen wir ihm etwa nachspringen?« gab Joe zurück.
»Unsinn, wir nehmen den Jeep und fahren runter ans seichte Ufer, wo er bestimmt rauskommen wird, falls er wirklich noch lebt.«
Butler Parker hatte sich inzwischen erhoben und handelte, während die drei Gangster noch miteinander redeten. Er wieselte zum Jeep zurück, betätigte den Anlasser und fuhr gemächlich zurück nach Wech-Lake. Er war der Meinung, daß ihm diese Art der Beförderung nach den aufregenden Minuten durchaus zustand …
*
Parker nutzte den Vorsprung. Er fuhr in seiner bewährten und bekannten Art zurück nach Wech-Lake, daß die Funken nur so stoben.
Der Butler holte aus dem starken Motor alles heraus. Nach knapp einer Viertelstunde stieg er entspannt und mit sich selbst zufrieden aus dem Jeep und ließ ihn neben dem Haus des Sheriffs stehen. Er näherte sich der Wohnung des ermordeten Doktor Flanders von der Rückseite her. Er beherzigte alle Regeln der Vorsicht, bevor er sich mit der Küchentür befaßte, die in den Hof hinausführte. Parker holte ein schmales Etui aus einer seiner Taschen und manipulierte mit einem sanft blinkenden Gegenstand etwa zehn Sekunden an dem Türschloß herum. Dann gab das Schloß nach, und Parker trat ein.
Er brauchte keine Taschenlampe zu verwenden, denn der Mond gab hinreichend Licht. Parker orientierte sich erst einmal und hielt sich dann längere Zeit im Ordinationsraum des Arztes auf.
Er interessierte sich für den reichhaltig gefüllten Arzneischrank, las mit Andacht die lateinischen Namen und stellte sich dann vor das Bücherregal. Parker blätterte in einigen Bänden, nickte mehrmals und warf dann nur einen gleichgültigen Blick auf den Schreibtisch. Er hielt es für sinnlos, ihn zu durchsuchen. Das hatten andere Leute bestimmt schon vor ihm getan.
Der Butler begnügte sich aber nicht mit den Wohnräumen, er kletterte auf den Dachboden des Hauses, fand dort aber nur verstaubtes Gerümpel, das ihm keinen Aufschluß geben konnte. Die Kellerräume waren wesentlich interessanter. Doktor Flander war ein ordentlicher Mann gewesen. Auf Lattenregalen standen viele geleerte Arzneiflaschen und noch nicht gefüllte Konservendosen.
Parker wollte zurück nach oben, als er ein dumpfes Geräusch hörte.
Er sah zur Treppe hinüber und verbarg sich geschickt hinter einer großen Tonne. Doch kein Mensch dachte daran, ihn im Keller zu besuchen, obwohl im Haus deutlich Schritte zu hören waren.
Parker aber wollte wieder einmal die Initiative übernehmen. Er schlich sich vorsichtig über die Steinstufen nach oben und öffnete die Kellertür. Im gleichen Moment fiel die Küchentür sanft ins Schloß, und schnelle Schritte waren im Hof zu hören.
Parker stellte sich ans Fenster und nickte nachdenklich. Er hatte die Witwe Anderson erkannt, die schnell in der Dunkelheit verschwand. Wonach mochte die Frau gesucht haben? Wußte der Sheriff, daß sie einen Schlüssel zur Küchentür besaß? Parker hatte nämlich aus Gründen der Sicherheit die Tür hinter sich geschlossen.
Der Butler dachte nach diesem rätselhaften Intermezzo nicht mehr daran, weiter im Haus herumzusuchen. Er hatte bestimmte Spuren ausfindig gemacht, die ihm weiterhelfen konnten.
Parker zündete sich draußen in der freien Natur mit sichtlichem Genuß eine Zigarre an und schlenderte gemächlich zurück zu Stimsons Hotel. Schon nach wenigen Schritten aber merkte er, daß er verfolgt wurde. Kurzerhand verbarg er sich hinter einer Hausecke und ließ den Verfolger näherkommen. Zu seiner Überraschung entpuppte sich dieser als Vera Anderson, die Tochter der Witwe. Das junge Mädchen erschrak fürchterlich, als Parker so plötzlich vor ihr stand.
»Clive …?« rief sie Parker fragend an.
»Es tut mir leid, Ihnen nicht mit Clive dienen zu können«, entschuldigte sich Parker. »Meinten Sie Clive Tesday?«
»Nein, Clive Blander«, erwiderte sie auch prompt und sich so verratend. »Mister Parker, ich muß Sie unbedingt sprechen.«
»Werde ich Sie auch nicht in Verruf bringen?« fragte Parker. »Ein junges Mädchen, zusammen mit einem fast alten Mann, nachts auf der Straße … Ich weiß nicht, ich weiß nicht …!«
»Mister Parker, Sie müssen meiner Mutter und mir helfen.«
»Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen … Aber wollen wir nicht besser weitergehen, dort hinüber zur Tankstelle …?«
»Mir ist schon alles gleichgültig«, seufzte das Mädchen auf. »Wenn Sie wüßten, Mister Parker, was ich bereits durchgemacht habe.«
»Stört Sie meine Zigarre?« fragte Parker, als Vera Anderson zu hüsteln begann.
»Ein wenig«, gab sie ehrlich zu.
»Ich werde sie solange verbannen«, meinte Parker und steckte sie zurück in das Etui. Er hielt dem Mädchen galant den Arm, und sie hing sich bei ihm ein. Ohne ins Licht der Straßenbeleuchtung zu treten, führte Butler Parker dann das junge Mädchen hinter die Tankstelle, wo sie sich ungestört unterhalten konnten.
»Ihre Mutter wird von Renner unter Druck gesetzt, nicht wahr?«
»Woher wissen Sie das, Mister Parker?«
Sie sah ihn erstaunt und erschreckt an und senkte dann verlegen den Kopf.
»Ich bin hier, um den Mord an Doktor Flander aufzuklären«, redete Butler Parker weiter. »Ich darf Ihnen versichern, Miss Anderson, daß ich auf der Seite des Rechts stehe. Warum bedroht man Ihre Mutter und Sie! Weil sie mit Doktor Flander so gut bekannt war?«
»Das ist tatsächlich der Grund«, antwortete das Mädchen. »Mutter führte dem Doktor die Wirtschaft und half ihm auch manchmal bei seinen Versuchen.«
»Das setzt doch einige Fachkenntnisse voraus?«
»Mammy war früher einmal Krankenschwester, genauer gesagt, sie arbeitete in Chikago zuerst als Laborantin, später dann als Operationsschwester …«
»Das erklärt manches«, sagte