Jetzt platzte Renner endgültig der Kragen. Er stürzte sich auf den Butler und hatte den Willen, diesen Mann kurzerhand zu erledigen.
Doch Walter Renner hatte seinen Meister gefunden.
Butler Parker griff zu, fast schien es so, als wolle er die Klinge mit bloßer Hand wegschlagen. Renner brüllte nun plötzlich fürchterlich auf und ließ das Messer fallen. Er trat nach Parker, aber der Butler benutzte dieses schnell ergriffene Bein nur, um Renner wieder auf den harten Boden zu schleudern, ein schneller Ruck am Fuß und Renner war außer Gefecht gesetzt worden.
Butler Parker schaute auf den Ohnmächtigen hinunter, schüttelte fast betrübt den Kopf und hob erst einmal seine Melone auf. Er holte die Kleiderbürste aus der Tasche und wischte damit alle Stäubchen von der Kopfbedeckung. In dieser Hinsicht hielt Parker auf peinliche Sauberkeit. Dann legte er das Klappmesser auf den Tisch und durchsuchte Walter Renner nach irgendwelchen Papieren. Viel fand er nicht, doch er befaßte sich sehr intensiv mit einem Lohnstreifen, der auf Renners Namen ausgestellt war. Dann spielten seine Hände mit einem Glaskorken, wie er zum Verschluß von Arzneiflaschen verwendet wird. Er schnüffelte an dem Korken herum, aber er konnte nichts Außergewöhnliches feststellen. Walter Renner war diesmal schneller zu sich gekommen. Er spielte nur noch den Ohnmächtigen, um Parker in Sicherheit zu wiegen. Er schielte nach dem bronzenen Spucknapf, um ihn vielleicht als Waffe verwenden zu können.
Butler Parker rührte sich auch dann noch nicht, als die Hand Renners langsam auf den Spucknapf vorkroch. Erst als die Finger zugreifen wollten, schleuderte Parker das erbeutete Klappmesser auf Renner. Dicht neben den Fingern bohrte sich die starke Klinge in das Bodenholz. Renner schrie erschreckt auf und rührte sich nicht mehr.
»Ich habe nichts dagegen einzuwenden, daß Sie jetzt aufstehen«, meinte Butler Parker ruhig. »Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß man sich noch einmal wiedersieht. Noch etwas, Mister Renner, richten Sie doch bitte Ihrem Hintermann meine besten
Grüße aus. Er darf versichert sein, daß der Mord an Flander und an dem Neger Zack gesühnt werden wird! Ich hatte seinerzeit einmal die Ehre, für den vierten Earl of Landesworth arbeiten zu dürfen. Der Earl war ein gläubiger Mensch und vertrat die meines Erachtens nach auch richtige Meinung, daß sich alles Unrechte auf der Welt einmal gegen den Urheber wenden wird.«
»Natürlich, natürlich«, stotterte Renner gebrochen.
»Sie können gehen«, meinte Butler Parker.
Walter Renner drehte sich zögernd herum, als traue er diesem schwarzgekleideten Mann nicht über den Weg. Als er die Tür auf zog, rief Parker ihn noch einmal an.
»Mister Renner, finden Sie nicht auch, daß selbst ein Glaskorken mehr als aufschlußreich sein kann?«
Demonstrierend hob Parker den Glaskorken hoch und beobachtete dabei aufmerksam das Gesicht Renners. Der Gauner fluchte verhalten und hätte sich am liebsten erneut auf Parker gestürzt.
»Woher haben Sie das Ding?« fragte er dann heiser.
»Ich fand es in Ihrer Tasche«, antwortete der Butler lächelnd. »Stumme Dinge, lieber Freund, pflegen in der Regel mehr zu reden als laute Menschen. Das ist übrigens von mir!«
Walter Renner donnerte die Tür hinter sich zu und ging sehr laut über die ächzende Treppe nach unten. Parker, der sich ans Fenster gestellt hatte, sah wenig später über das flache Dach des Schuppens einen Jeep, der in Richtung Wech-Lake abfuhr.
Als er nach einer Viertelstunde in die Hotelhalle kam, sah ihn Stimson mehr als erstaunt an. Vielleicht wunderte sich der Inhaber des Restaurants darüber, daß Parker noch lebte, obwohl er doch von Renner besucht worden war.
Parker kümmerte sich nicht um diese Blicke. Er bestellte sich ein ausgiebiges Abendessen, und er hatte sehr viele Wünsche dabei, die er erfüllt wissen wollte. Während Stimson in der Küche war, widmete sich der Butler der Ortszeitung. Es handelte sich um ein wirklich kümmerliches Blatt, das er aber mit großem Interesse bis zur letzten Zeile durchlas.
Stimson servierte ihm das Essen.
Butler Parker hatte an der Art des Auftragens zwar viel auszusetzen, aber er schwieg diesmal. Als er sich dem Pilz-Omelett widmen wollte, erschien Sheriff Longer, breitbeinig, etwas aufgeblasen und sich sehr wichtignehmend.
»Ach, da sind Sie ja!« redete er Parker an, der ergeben die gefüllte Gabel wieder sinken ließ. »Sie, ich muß von Ihnen noch die Unterschrift unter das Protokoll haben.«
»Ich werde nicht versäumen, Ihnen nach dem Abendessen einen Besuch abzustatten«, sagte Butler Parker. Er war sehr höflich.
»Das können wir jetzt schnell erledigen«, sagte Longer.
»Durchaus, aber erst möchte ich doch essen.«
»Nun zieren sie sich bloß nicht«, sagte Longer überredend. Er zerrte Parker mit roher Gewalt vom Stuhl und deutete auf das Schriftstück, das unterschrieben werden sollte. Parker ärgerte sich zwar, aber er unterschrieb.
Als sich Longer umwendete, stieß er gegen den einbeinigen Tisch, auf dem Parkers Essen stand. Es gab einen berstenden Krach, als die Speisen samt Geschirr auf dem Steinboden landeten.
»Das tut mir aber wirklich leid«, bequemte sich Sheriff Longer zu einer Entschuldigung.
»Ihr Mitgefühl erleichtert meinen Schmerz«, erwiderte Butler Parker.
Longer lachte und steckte das Dokument in die Tasche. Dann rief er laut und dröhnend nach einem gewissen Blim, der sich als scheuer Hund entpuppte, der mit eingezogenem Schwanz an den Tisch kam.
»Los, Bim, das ist was für dich«, sagte Longer und deutete auf die Speisen. Der Hund getraute sich zuerst gar nicht, aber dann stürzte er sich förmlich auf die Speisen und schlang sie hinunter.
Butler Parker wollte aufstehen und nach Stimson sehen, aber er blieb plötzlich wie gebannt neben dem umgestürzten Tisch stehen. Auch Sheriff Longer hatte sich auf einen Stuhl gestützt und sah sich den Hund an.
Blim fraß nicht mehr. Er lag bereits auf der Seite, und seine Läufe ruderten zuckend und hilflos in der Luft herum. Das Tier jaulte und stöhnte.
»Gift«, sagte Longer knapp.
»Diesen Eindruck habe ich auch«, erwiderte Butler Parker.
»Hatten Sie schon vor meiner Ankunft einen Bissen gegessen?« fragte Longer.
»Sie hinderten mich daran.«
»So etwas nennt man Glück«, polterte Longer lärmend los. »Wie gut, daß ich unbedingt Ihre Unterschrift noch an diesem Abend haben wollte. Tut mir um Blim leid. Nun sollte er endlich mal was Nettes zu essen bekommen und muß dabei schon sterben.«
»Ich fühle mich Ihnen gegenüber zu Dank verpflichtet«, sagte Butler Parker und sah sich den Sheriff sehr aufmerksam an.
»Aber das war doch ein reiner Zufall«, sagte Longer wegwerfend. »Sie sollten aber Ihre Lehren aus diesem Vorfall ziehen, Mann. Sie sind in Wech-Lake nicht sonderlich willkommen.«
»Weil ich mich um Flander kümmere?«
»Toten können auch Sie nicht mehr helfen.«
»Aber man könnte verhindern, daß weitere Leute sterben müssen«, antwortete Butler Parker. »Ganz zu schweigen davon, daß mir der Mord an sich nicht gefällt. Ich habe etwas gegen Mörder.«
»Das ist Ihr Risiko«, antwortete Longer. »Tja, dann will ich mal nicht länger stören. Sie wollen sicher noch etwas zu sich nehmen … oder?«
Er nickte Parker zu und stampfte aus der Halle. Um den Hund kümmerte er sich überhaupt nicht, auch nicht darum, wieso das Essen hatte vergiftet werden können.
Als Longer gegangen war, erschien Stimson.
Er stutzte, da er den umgestürzten Tisch sah. Als er den inzwischen verendeten Hund erkannte, sah er Parker fragend