Was er übrigens wirklich getan hatte.
Ein dünner, aber zäher Nylonfaden hatte die Verbindung zwischen Parker und dem Regenschirm hergestellt. Der Butler spulte diesen Faden nun auf und durfte sich wieder seines Universal-Regenschirms erfreuen.
So ausgerüstet, schwamm er vorsichtig an das Motorboot heran. Er erreichte es in dem Augenblick, als beide Motoren angelassen wurden. Parker benutzte den Bambusgriff seines Schirms, um sich einen festen Halt zu verschaffen.
Er fand ihn.
Der Bambusgriff hakte sich hinter das Gestänge einer schweren Angelvorrichtung, wie sie für den Fang von Fischen, von Haien aufwärts verwandt wurde. Parker entspannte sich und wartete auf das Startsignal. Er hatte nämlich keineswegs die Absicht, zurück nach Miami-Beach zu schwimmen. Wenn es sich ermöglichen ließ, wollte er diese Rückfahrt als illegaler Anhalter mitmachen.
Die beiden Motoren röhrten auf. Hoch schäumte das Wasser auf. Parker bekam einen gehörigen Schwall davon ab, doch das vermochte ihn nicht mehr zu erschüttern. Wie ein unheimlich großer schwarzer Fisch aussehend, ließ er sich von dem schnellen Boot zurück an die Küste bringen. Er hoffte nur, daß nicht einer der Gangster zufällig über Bord schaute und ihn dabei entdeckte. Doch damit war in dieser Dunkelheit nicht zu rechnen.
Was Parker in der nächsten halben Stunde über sich ergehen lassen mußte, hätte einen normalen Sportsmann gewiß außer Fassung gebracht. Es gehörten schon Nerven und Muskeln dazu, den Regenschirm nicht loszulassen. Die schnelle Fahrt zerrte und riß am Körper des Butlers. Zeitweise wurde die Luft mehr als knapp. Die hoch aufschäumende Heckwelle peitschte immer wieder gegen den Körper des Butlers. Es war schon eine Höllenfahrt, der Parker sich unterzog. Aber er wußte schließlich, warum. Er hatte die feste Absicht, den ›Strandhaien‹ das Handwerk so schnell wie möglich zu legen.
Endlich war es soweit.
Das Boot minderte seine Fahrt. Parker konnte, wenn er mühsam den Kopf hob, die Lichterkette der Strandpromenade erkennen. Das Motorboot legte sich in eine scharfe Kurve und hielt den Bug dann auf die Bayeinfahrt zu.
Es war geschafft.
Nun kam alles darauf an, ob der Butler noch genügend Kraftreserven besaß, um den ›Strandhaien‹ im Nacken zu bleiben …
*
»Ich weiß nicht, ob Sie hier sicher sind«, meinte Anwalt Rander. »Ich könnte zum Beispiel beschattet worden sein. Wir sollten uns besser um eine neue Unterkunft kümmern.«
»Die ›Strandhaie‹ werden mich überall finden. Sie ahnen nicht, wie raffiniert Lew Sheridan ist.«
»Auch er kocht nur mit Wasser«, gab Rander lächelnd zurück. »Packen Sie das Notwendigste zusammen, Carol. Ich werde Sie aus der Schußlinie herausbringen.«
»Gut, wenn Sie meinen …! In ein paar Minuten bin ich fertig.«
Sie hatte nicht zuviel versprochen. Nach fünf Minuten schon konnte Mike Rander ihren Koffer in die Hand nehmen. Carol Hastings übernahm die Reisetasche. Sie stahlen sich aus dem Zimmer, gingen leise den schwach erleuchteten Korridor des Motels herunter und betraten den Innenhof.
»Mein Wagen steht vor der Barriere auf dem Parkplatz«, sagte Mike Rander. »Ich denke, wir fahren erst mal hinauf nach Fort Lauderdale. Dort wird kein ›Strandhai‹ nach Ihnen suchen.«
Carol Hastings antwortete nicht. Sie hatte Angst, hatte begriffen, daß es um ihr Leben ging.
Mike Rander war sicher, daß er auf seinem Weg hierher ins Motel nicht verfolgt worden war. Dennoch machte er sich Sorgen. Sie galten seinem Butler Parker. Hoffentlich war ihm nichts passiert. Mit den ›Strandhaien‹ war weiß Gott nicht zu spaßen. Das hatte sich im Fall Will Chandels ja deutlich gezeigt.
Sie verließen das Motel und gingen auf Mike Randers parkenden Wagen zu. Der Anwalt öffnete zuerst die Kofferhaube, um das Gepäck von Carol Hastings unterzubringen. Als er die Kofferhaube wieder schloß, hörte er neben sich einen unterdrückten Aufschrei.
Hastig wandte Rander sich um. Er wollte noch blitzschnell nach seiner 38er Automatic greifen, doch zu spät.
»Lassen Sie das Ding stecken«, redete ihn ein sagenhaft krummbeiniger Mann von etwas fünfzig Jahren an. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, ließ er Mike Rander in die Mündung eines 45ers blicken.
»Sie haben gewonnen«, meinte der junge Anwalt, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Verstohlen sah er sich um. Hatte er es nur mit einem einzigen Gegner zu tun? Es sah danach aus.
Der Krummbeinige erriet Randers Gedanken.
»Ich bin nicht allein, keine Sorge«, warnte er. »Eine falsche Bewegung, Rander, und Sie werden gleich hier an Ort und Stelle behandelt.«
Carol Hastings wagte sich nicht zu rühren. Auch sie wurde von einem Revolver bedroht. Der Mann, der diese Waffe hielt, war für Rander kein Unbekannter.
»Lonsdale?« stieß er verblüfft hervor.
»Sie haben ein gutes Namensgedächtnis«, spottete der ebenfalls krummbeinige Segelmacher.
»Parker hatte also recht. Sie gehören auch zu den ›Strandhaien‹.«
»Reden Sie keinen Unsinn, Mann.« Der Krummbeinige drückte die Mündung seines 45ers gegen Randers Rippen. »Steigen Sie ein, setzen Sie sich ans Steuer! Kommen Sie uns nicht mit Mätzchen. Wir schießen die Frau nieder, wenn Sie sich nicht genau an unsere Weisungen halten.«
Rander nickte. Noch einmal maß er die beiden krummbeinigen Männer. Sie ähnelten einander, schienen Brüder zu sein. Dann hob er hilflos die Schultern und ließ sich am Steuer seines Wagens nieder. Lonsdale nahm neben ihm Platz. Der zweite Krummbeinige setzte sich zusammen mit Carol Hastings in den Fond.
»Halten Sie sich genau an die Verkehrsregeln«, warnte Lonsdale ihn. »Denken Sie an das Mädchen hinter uns. Es kommt uns nicht darauf an, sie sofort niederzuschießen.«
»Schon gut, ich werde mitspielen«, gab Rander gereizt zurück. »Wohin soll die Fahrt denn gehen?«
»Richtung Everglades. In den Sümpfen wird sich kein Mensch um uns kümmern.«
»Wissen Sie, wo mein Butler steckt?« Rander fragte fast gleichgültig, als sei er kaum interessiert. In Wirklichkeit aber fürchtete er sich vor der Antwort. Hoffentlich befand sich Parker noch auf freiem Fuß.
»Ihr komischer Butler, Rander?« Lonsdale kicherte. »Mit dem brauchen Sie nicht mehr zu rechnen. Mit dem hat sich unser Chef befaßt. Der versteht sich auf so etwas.«
»Ist er …?« Rander wagte nicht, den Satz zu beenden.
»Warten Sie’s doch ab, bis der Chef es Ihnen sagt«, lenkte Lonsdale brummig ab. »Denken Sie lieber an sich, Rander. In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken …!«
*
Die drei Gangster machten das Motorboot fest und stiegen an Land. Sie waren bester Laune, glaubten sie doch, ihren gefährlichsten Gegner erledigt zu haben. Die beiden Muskelmänner sahen ihren Anführer erwartungsvoll an.
»Ich bin in ein paar Minuten zurück«, sagte er. »Ich rufe den Chef an. Ich glaube, wir haben uns eine fette Prämie verdient.«
Die beiden Muskelmänner hockten sich auf ein weiß gestrichenes Schutzgeländer und zündeten sich Zigaretten an. Sie sahen ihrem Vormann nach, der im Gebäude eines strahlend hell erleuchteten Yachtclubs verschwand.
Plötzlich zuckte einer der beiden Muskelmänner zusammen. Er sprang vom Geländer herunter.
»Was ist?« fragte sein Partner.
»Weiß der Teufel,