Als Parker aus dem Bus stieg, wehte ihm kühle, salzige Luft entgegen. Er befand sich also in der Nähe der See. Welchen Spaß die Gangster sich ausgedacht hatten, lag nun auf der Hand. Parker machte sich keine Illusionen. Er sollte den Haien zum Fraß vorgeworfen werden …
*
Fünf Minuten später lag der Butler bereits in einem seegängigen Motorboot. Er wunderte sich ehrlich darüber, daß man nicht versuchte, ihm Fragen zu stellen. Hatten die ›Strandhaie‹ plötzlich kein Interesse mehr am Verbleib von Carol Hastings? Oder sollten sie die junge tizianrote Dame inzwischen schon gefunden haben?
Die beiden Gangster hatten es sich auf einer seitlichen Sitzbank bequem gemacht. Der sehr schweigsame Busfahrer handhabte das Ruder des Motorbootes. Er hatte die Sundbrücke mit der A 1 A bereits hinter sich gelassen und steuerte die hohe See an. Die beiden starken Motoren arbeiteten mit voller Kraft. Die Gangster hatten es sehr eilig, den Butler loszuwerden.
Parker nutzte die Dunkelheit, um an sich und den Stricken zu arbeiten. Er dachte nicht im Traum daran, die Hoffnung zu verlieren. Ein Mann wie Josuah Parker gab sich niemals geschlagen.
Nach einer guten halben Stunde stoppte das Boot. Der Mann am Ruder verließ den Ruderstand, kam die kleine Treppe hinunter und baute sich vor dem Butler auf.
»Es ist soweit«, sagte er mit ruhiger, gelassener Stimme. »Damit wäre Ihre Karriere als Schnüffler beendet, Parker!«
»Sie enttäuschen mich sehr, wenn mir diese freimütige Äußerung erlaubt ist.«
»Enttäuschen? Ich Sie …?«
»Sie wollen mich nicht nach dem Aufenthaltsort von Miss Hastings fragen? Ich hatte fest damit gerechnet.«
»Nicht mehr interessant.«
»Aber gerade wegen dieser Frage haben Ihre beiden Leute doch Will Chandels gefoltert und fast ermordet.«
»Chandels ist tot …!« antwortete der Mann. »Verstehen Sie jetzt, Parker? Was die kleine Hastings auch immer sagen wird, sie kann nichts beweisen. Die Hastings ist als Kronzeuge ausgefallen. Die Hastings werden wir ohnehin früher oder später erwischen. Das ist nur eine Frage von Stunden. Ihr Chef wird uns dabei unterstützen.«
»Sie haben Mr. Rander in Ihre Gewalt gebracht?«
»Der ist nach Ihnen an der Reihe, Parker. Sie sind gefährlich. Deshalb dürfen Sie als erster baden gehen.«
»Sie wollen mich tatsächlich ins Wasser werfen?«
»Erraten, Parker …!«
»Dann erlauben Sie mir einige abschließende Fragen.«
»Wozu sollen die gut sein?«
»Sind Sie der Chef der ›Strandhaie‹?«
»No, soweit habe ich es noch nicht gebracht.«
»Ist es Mrs. Soldan?«
»Auch nicht, Parker. Hören Sie auf! In wenigen Sekunden können Sie sich mit wichtigeren Dingen befassen.«
»Und die wären, wenn ich neugierig sein darf?«
»Kosten Sie Ihren Tauchversuch bis zur bitteren Neige aus, Parker. Sie haben uns gegenüber zu sehr aufgedreht. Dafür werden Sie jetzt zahlen. Ihr Pech!«
»Ein relativ schwacher Trost«, stellte der Butler fest. »Es hat wohl keinen Sinn, Ihnen Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, nein?«
»Völlig sinnlos. Unser Boß hat befohlen, Sie ins Wasser zu schmeißen. Daran werden wir uns halten.«
»Es würde auch nicht stören, daß ich Beweisstücke gegen Ihre Gang so sicher untergebracht habe, daß sie nach meinem Tod von ganz allein zu reden beginnen werden?«
»Uninteressant, Parker. Wenn Sie tot sind, ist der ganze Krempel wertlos. Los, Jungs, bringt die Gewichte! Wir wollen keine Zeit verlieren!«
Parker starrte auf die beiden Muskelmänner, die sehr rührig waren. Sie schleppten einige Fischerkugeln herbei, die zum Beschweren von Fischnetzen dienten. Schnell und geschickt wurden diese schweren Stahlkugeln an Parkers Füßen festgeknotet. Wenn man den Butler ins Wasser warf, dann mußte er dank dieser Gewichte wie ein schwerer Zementbrocken untergehen.
»Darf ich eine Bitte äußern?« Parker wandte sich an den Mann, der den Vorbereitungen für Parkers Tauchfahrt zusah.
»Beeilen Sie sich …!«
»Würden Sie mir gestatten, meinen Regenschirm mitzunehmen?«
»Den mit dem Degen? Ausgeschlossen! Uns legen Sie nicht noch einmal rein, Parker. Machen Sie sich doch nichts vor. Diesmal sind Sie wirklich reif. Ich gebe keinen Cent für Ihr Leben. Los, Jungens, stoßt ihn ins Wasser! Sonst macht er im letzten Augenblick noch Mätzchen.«
Die beiden Gangster griffen nach Parker und richteten ihn auf.
»Noch ganz schnell eine Frage«, bat Parker. Seine Stimme klang weder erregt noch nervös.
»Schön, spucken Sie sie aus.«
»Ist Artie Lonsdale ein Mitglied Ihrer Gang?«
»Und wenn …?«
»Ich würde es gern zum Abschied wissen.«
»Er gehört zu uns. Wie Chandels zu uns gehört hat. Wie die kleine Hastings und wie alle die Bikininixen der Soldan. Jetzt zufrieden?«
»Wenn ich doch nur wüßte, wer der Chef der ›Strandhaie‹ ist?« seufzte Parker. »Erfüllen Sie den letzten Wunsch eines alten Mannes.«
»Den Teufel werde ich tun …! Schmeißt ihn ins Wasser, Jungens. Ich bin erst ruhig, wenn er auf Grund gekommen ist.«
Die beiden Muskelmänner griffen hart und unnachgiebig zu. Sie hoben den Butler samt den Fischerkugeln an, gaben dieser Ladung einen kräftigen Schwung und ließen sie los.
Hoch spritzte das Wasser auf, als Parker eintauchte.
Der Begleiter der beiden Muskelmänner richtete einen Suchscheinwerter auf die Wasseroberfläche. Das helle Licht strahlte die schwarze steife Melone an. Dann erfaßte sie den Universal-Regenschirm, der sich langsam und melancholisch im Kreise drehte.
Luftblasen blubberten hoch.
Einer der beiden Muskelmänner lachte triumphierend auf.
»Halt den Mund«, sagte der Mann am Scheinwerfer. Seine Stimme klang böse und scharf, war noch nicht einmal besonders laut. Der Mann schaltete den Scheinwerfer ab und wandte sich dem Ruder zu. Sekunden später sprangen die beiden Motoren an.
Der Mann ließ das Boot auf der Stelle treiben. Dann griff er mit einer schnellen Bewegung noch einmal nach dem Suchscheinwerfer und schaltete ihn ein. Noch einmal leuchtete er die Wasseroberfläche ab.
»Der ist doch längst unten«, meinte der Gangster, der am Kajütenaufbau stand.
»Bei diesem raffinierten Burschen ist das noch fraglich«, murmelte der Mann am Ruder. Er gab sich einen Ruck, schaltete das Getriebe und zog das Boot in eine elegante, scharfe Kurve.
Die Motoren heulten auf.
Mit hoher Bugwelle rauschte das Boot zurück nach Miami-Beach …
*
Carol Hastings zuckte zusammen wie ein ertappter Dieb. Sie erinnerte sich schwach, dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben. Da sie ohnehin ein schlechtes Gewissen hatte, zog sie sich langsam in die Ecke des Zimmers zurück.
»Keine Angst, ich bin schließlich kein ›Strandhai‹«, sagte Mike Rander und lächelte beruhigend. »Sie können von Glück sagen, daß ich Sie aufgespürt habe und nicht Ihre früheren Freunde.«
»Sind Sie … von der Polizei?«
»Ich bin Anwalt«, gab Rander wahrheitsgemäß zurück. »Wenn mich nicht alles täuscht, werden