Die beiden Muskelmänner unterhielten sich leise.
»Noch eine Viertelstunde, dann haben wir es geschafft«, sagte Lew Sheridan. »Ich hoffe, euch hat die Fahrt gefallen.«
»Miese Gegend«, erwiderte John. »Kaum zu glauben, daß hier irgendwo die Hütte stehen soll.«
»Lonsdale hat sie gebaut«, gab Sheridan zurück. »Er hat sich jahrelang in den Everglades herumgetrieben.«
»Das sieht diesem krummbeinigen Burschen ähnlich«, antwortete John mürrisch. »Mit unserem Plan scheint es aber nicht zu klappen, Chef. Wie soll dieser Parker Anschluß halten. Falls er wirklich noch lebt.«
»Wir sind uns doch darüber einig geworden, daß er nicht mehr leben kann«, sagte Sheridan mit scharfer Stimme. »Wollen wir den alten Kohl wieder aufwärmen?«
John gab keine Antwort. Er atmete nur auf, als das Boot in einen brackigen Wasserarm einfuhr. Neben hohen Zypressen, von deren Zweigen lange Moosbärte herunterhingen, stand ein solides Holzhaus.
An einem Steg, der weit ins Wasser hinausführte, schaukelte ein kleiner Außenborder. Auf dem Steg standen zwei krummbeinige Gestalten. Sie hielten Winchester in den Armen. Als sie das Boot erkannten, winkten sie.
Das Motorboot beschrieb einen kleinen Kreis und legte sich längsseits. Nach wenigen Minuten war es am Steg festgemacht worden. Lew Sheridan und seine drei Begleiter stiegen aus.
»In einer Stunde haben wir es hinter uns«, meinte der Chef der ›Strandhaie‹. »Sobald wir von diesem Rander wissen, was bisher gegen uns ermittelt worden ist, kann er verschwinden.«
John, der Vormann der ›Strandhaie‹, und die beiden Muskelmänner stiegen aus dem Boot. Sie waren unruhig und schlugen mit den Händen um sich. Ein Schwarm neugieriger Bienen hatte sich ihnen genähert und erkundete die Lage.
»Nicht herumschlagen«, rief Lonsdale ihnen zu. »Die Tierchen sind völlig harmlos, wenn man sie in Ruhe läßt.«
»Sag das den Bienen, nicht uns«, gab John gereizt zurück. »Ich habe keine Lust, mich zerstechen zu lassen.«
Die Gangster gingen auf das Holzhaus zu.
Am Ende des Bootssteges blieb Lew Sheridan stehen. Er sah sich um. Der Wasserarm bot einen friedlichen Anblick. Alles sah vollkommen harmlos und unverdächtig aus.
Parker schien tatsächlich nicht mehr zu existieren.
*
Parker hatte es nicht besonders schwer, den ›Strandhaien‹ zu folgen. Auf dem übersichtlichen Kanal hatte er einige Motorboote benutzt, die vollkommen harmlos und zivil aussahen. Sie waren ihm von der Polizei gestellt worden. Leutnant Richey hatte sie zur Verfügung gestellt und auch für die unverdächtig aussehenden Sportler gesorgt.
Im stetigen Wechsel zwischen Verfolgung, Überholung und wieder Zurückfallen war das Motorboot der Gangster immer unter Kontrolle gehalten worden. Nach dem Ablegen in dem fast zugewucherten Seitenkanal war der Butler in ein handliches Schlauchboot umgestiegen. Er hatte darauf bestanden, die Verfolgung nun allein fortzusetzen. Leutnant Richey und seine Leute folgten in großem Abstand. Sie warteten darauf, daß der Butler sie mittels einer Leuchtpistole zum Einsatz rief.
Der Butler war in seinem Schlauchboot zwar erheblich langsamer als die Gangster. Doch darauf kam es im Moment nicht an. Hauptsache, er wurde nicht gehört. Die Spur, die das Motorboot durch das brackige Sumpfwasser und durch die Seerosenfelder zog, wies deutlich den Weg. Parker konnte den Wasserarm mit der Holzhütte am Ufer überhaupt nicht verfehlen.
Es war wieder einmal frappierend, wie geschickt der Butler sich selbst in dieser Umgebung zurechtfand. Er handhabte das Stechpaddel mit Kraft und Geschicklichkeit. Selbst ein Seminole-Indianer wäre beeindruckt gewesen.
Der Butler wußte natürlich, warum die ›Strandhaie‹ diese Dschungelfahrt unternahmen. Es ging um seinen jungen Herrn, Mike Rander. Es ging um die junge Dame Carol Hastings. Sie mußten von den Gangstern irgendwo in den Everglades festgehalten werden.
Als Parker den brackigen Wasserarm erreichte und auch das Holzhaus entdeckte, wußte er Bescheid.
Von den Gangstern war zwar nichts zu sehen, doch das Motorboot schaukelte am Bootssteg.
Parker trieb das Schlauchboot mit schnellen, geschickten Schlägen in das Uferdickicht und stieg aus. Es War störend, daß sich einige Vögel kreischend von den Bäumen erhoben. Sie waren mit Parkers Erscheinen nicht einverstanden.
Um die Gangster – falls sie auf das Geschrei der Vögel überhaupt achteten – in die Irre zu führen, setzte der Butler eine kleine Holzflöte an die Lippen. Gekonnt und ungemein echt entlockte er ihr die Töne eines ärgerlichen Habichts.
Um diese Geräuschkulisse noch zu vervollständigen, benutzte der Butler eine zweite Flöte. Auf ihr produzierte er das Grunzen eines Wasserferkels. Dann bahnte er sich seinen Weg auf festes Land und pirschte sich auf Umwegen langsam an die Holzhütte heran.
Es war kein Spaziergang.
Dichtes, verfilztes, dornenreiches Unterholz hemmte immer wieder seinen Weg. Doch Parker verstand es geschickt, mit diesen Hindernissen fertig zu werden. Ihm kam es darauf an, möglichst geräuschlos an die Hütte heranzukommen.
Es war schon ein recht komischer Anblick, wie er, schwarz gekleidet wie immer, durch diese grüne Wildnis schritt. Selbstverständlich führte er seinen Universal-Regenschirm mit sich. Nur die schwarze steife Melone fehlte. Sie war draußen auf See geblieben. Übrigens ein Verlust, den der Butler als ausgesprochen herb empfand.
Nach zwanzig Minuten hatte er es geschafft.
Die solide Holzhütte befand sich nur noch knapp fünfzig Meter vor ihm. Parker sah die lange Reihe der Bienenkörbe, sah dem Flug der Bienenvölker zu und griff sicherheitshalber nach seinem Zigarettenetui. Für den Fall eines konzentrierten Massenanflugs der Bienen wollte er sich in Tabakrauch hüllen.
Was mochte sich in der Hütte abspielen?
Befanden sich Mike Rander und Carol Hastings wirklich in ihr? Parker schob sich noch näher an die Hütte heran …
*
»Holt sie raus«, befahl Lew Sheridan in diesem Augenblick. Er winkte den beiden Muskelmännern zu. Sie setzten sich in Bewegung, gingen auf die Tür zu, hinter der Rander und Carol Hastings festgehalten wurden, und schlossen auf. Als sie die Tür aufdrücken wollten, gab sie nur wenige Millimeter nach.
»Was ist denn …?« rief Sheridan ungeduldig.
»Die Tür geht nicht auf«, meldete Vormann John, der seinen beiden Leuten nachgegangen war.
»Verdammt, die haben den Schrank vor die Tür gerückt«, schimpfte Lonsdale.
»Los, nun macht schon. Ihr werdet doch einen simplen Schrank wegrücken können.«
Sheridan zündete sich eine Zigarette an und sah sehr ungeduldig aus. Er war überhaupt schlecht gelaunt. Der Streit mit John und den beiden Muskelmännern wirkte in ihm nach. Er war zu dem Schluß gekommen, daß es höchste Zeit war, seine Gang zu liquidieren. Bisher war alles gutgegangen. Doch Ruth Soldan hatte schon recht. Eine längere Verschnaufpause tat jetzt not. Und es genügte wohl, wenn Ruth Soldan und er allein die Früchte der bisherigen Arbeit genossen. Männer wie John, die beiden Gorillas, Lonsdale und dessen Vetter, waren als Werkzeuge recht nützlich gewesen. Jetzt bestand keine Veranlassung mehr, sich weiter mit ihnen abzugeben.
Wie er sie loswerden konnte, wußte er noch nicht. Doch die Everglades waren weit und verschwiegen. Wer hier in den Sümpfen unterging, der wurde nach menschlichem Ermessen niemals gefunden. Die Everglades konnten also sehr gut zum Grab seiner Mitarbeiter werden.
Die drei Männer mühten sich mit der Tür ab. Sie warfen sich mit ihren Schultern gegen sie, doch sie gab nicht nach. Sheridan lächelte in sich hinein. Ganz gut, wenn sie abgelenkt wurden.
Er winkte Lonsdale zu sich heran.
»Sie machen Schwierigkeiten«,