»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Sie sah ihn trotzig an. Sie hatte sich entschieden, alles abzustreiten.
»Denken Sie mal an Ihre aufgeplatzte Handtasche«, meinte der junge Anwalt. »Lippenstift, Geldbörse und Schlüsselbund kollerten zu Boden. Währenddessen wurden meine Dollar aus dem Wagen geholt. Wissen Sie, daß der angebliche Parkwächter nicht mehr lebt?«
»Stan Tarpon?« entrutschte es ihr wider Willen.
»Genau, Stan Tarpon«, wiederholte Rander in einem Ton, als sei ihm dieser Name längst bekannt. »Er ist von den ›Strandhaien‹ umgebracht worden.«
»Mein Gott …!« Sie flüsterte nur noch. Sie vergaß ihre Angst vor Mike Rander und kam zögernd auf ihn zu.
»Die ›Strandhaie‹ bauen ihre Organisation ab«, erklärte der junge, sympathische Anwalt. »Ihnen ist der Boden zu heiß geworden. Aus reiner Abenteuerlust dürften Sie Ihren Job bei Mrs. Soldan auch nicht gerade aufgegeben haben, oder?«
»Ich wollte nicht mehr mitspielen.«
»Ich weiß. Ich habe Sie gesehen, als Sie sich von Ihrem Begleiter im ›Zero‹ sehr abrupt verabschiedeten.«
Sie sah ihn aufmerksam an, aber sie sagte nichts.
»Es hat mich gewundert, daß Sie sich nicht mit Ihrem Freund Will Chandels in Verbindung gesetzt haben.«
»Sie kennen Will auch?«
»Er ist doch Ihr Freund, oder?«
»Jetzt nicht mehr. Oder … ich weiß es nicht. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.«
»Weil Will Chandels nach wie vor für die ›Strandhaie‹ arbeitet, nicht wahr?«
»Woher wollen Sie diese Einzelheiten eigentlich wissen?«
»Ich bin nicht nur Anwalt, Miss Carol, sondern besitze auch eine Lizenz als Privatdetektiv.«
»Kann ich eine Zigarette haben?« wechselte sie das Thema. Rander nickte und versorgte sie mit einer Zigarette und mit Feuer. Tief sog sie den Rauch ein. Sie hüstelte leicht.
»An sich bin ich froh, Miss Carol, daß Sie sich von Chandels getrennt haben«, nahm Mike Rander den Faden wieder auf.
»Wieso …?« Noch verstand sie seine Andeutung nicht.
»Nun ja, Will Chandels ist mit den ›Strandhaien‹ aneinandergeraten.«
»Will …? Was ist ihm passiert? Nun sagen Sie doch schon, was mit ihm los ist.« Sie liebte ihn nach wie vor, das war deutlich zu sehen und zu hören.
»Zwei Muskelmänner tauchten in seiner Wohnung über der Segelmacherei auf und dürften sich bei ihm nach Ihrem jetzigen Aufenthalt erkundigt haben. Kannte er ihn?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte ihn vielleicht morgen angerufen. Ich wollte erst nachdenken. Was ist Will passiert? Ist es sehr schlimm …?«
Mike Rander nickte nur.
Sie starrte ihn plötzlich wissend an. Ihre Augen öffneten sich weit. Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie durch. Sie mußte sich setzen. Mechanisch hob sie die Zigarette an den Mund, aber sie rauchte nicht.
»Zwei Schläger sind es gewesen«, sagte Rander leise. »Es sind Angestellte von Mrs. Soldan. Sie werden sie kennen. Sie wollten unbedingt wissen, wo Sie sich versteckt hielten. Die ›Strandhaie‹ hatten Angst, Sie könnten zur Polizei gehen. Die Gangster wissen, daß Sie sehr wertvolle Hinweise geben können. Vielleicht kennen Sie sogar den Chef der Bande. Ist es nicht der Mann, mit dem Sie im ›Zero‹ zusammen waren?«
»Sie haben ihn also umgebracht«, murmelte sie. »Einfach umgebracht. Und er wußte gar nicht, wo ich war. Er hätte ihnen nichts sagen können.«
»Diesen Mördern muß man das Handwerk legen. Wenn Sie mir dabei helfen, wird es klappen, Miss Carol.«
»Ich werde Ihnen helfen. Ich sage, was ich weiß.«
»Es ist so oder so Ihre einzige Rettung. Die ›Strandhaie‹ sind hinter Ihnen her, Miss Carol. Sie wissen zuviel.«
»Jetzt habe ich keine Angst mehr«, sagte sie leise, aber entschlossen. »Jetzt lasse ich es darauf ankommen. Was wollen Sie wissen?«
»Alles …!«
»Hören Sie genau zu«, entgegnete sie und stand auf. »Wer der Boß der ›Strandhaie‹ ist, weiß ich nicht. Aber die Soldan weiß Bescheid. Halten Sie sich an sie!«
»Sie sollten mir alles der Reihe nach erzählen«, schlug Mike Rander vor. »Wenn Sie erlauben, werde ich meinen Butler anrufen.«
»Dort steht das Telefon.«
Mike Rander wählte die Nummer des Bay-Beach-Hotels und bat um eine Verbindung mit seinem Butler. Als er hörte, daß Mr. Josuah Parker nicht im Hause war, legte er den Hörer nachdenklich zurück. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß seinem Butler etwas passiert war. Es war eine reine Vermutung, für die er keinen Beweis antreten konnte.
»Beginnen wir mit dem Mann, mit dem Sie sich im ›Zero‹ gestritten haben«, schlug Rander vor. Er schüttelte seine Besorgnis gewaltsam ab. »Wer ist dieser Mann gewesen?«
»Lew Sheridan. Er ist Parkplatzwächter und arbeitet mit allen großen Hotels zusammen.«
»Das paßt haargenau in den Rahmen«, meinte Rander. »Eines kann ich Ihnen versprechen, Miss Carol, die ›Strandhaie‹ werden bezahlen müssen. Und zwar in voller Höhe!«
Er hörte aufmerksam zu, was Carol Hastings ihm zu erzählen hatte. Er wunderte sich von Minute zu Minute mehr darüber, wie gut die junge Frau mit dem tizianroten Haar informiert war …
*
Josuah Parker holte tief Luft, bevor das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug. Die schweren Fischerkugeln zerrten an seinem Körper und zogen ihn nach unten. Parkers Arme und Füße waren gebunden. Es gab keine Möglichkeit, noch einmal an die Wasseroberfläche zu gelangen. Parker hatte verspielt. Seine Stunde schien geschlagen zu haben …
Nun, der Butler dachte nicht im Traum daran, aufzugeben. Nicht umsonst trug er schneeweiße Hemdmanschetten, die dazu noch gestärkt waren. Diese Manschetten sollten seine Rettung sein. Er trug sie schließlich nicht ohne Absicht.
An dieser Stelle sei verraten, daß diese gestärkten Manschetten mit dünnem Stahlblech ausgefüttert waren. Und über diesen kurzen Manschetten strammten sich die Stricke, die seine Handgelenke Zusammenhalten sollten. Selbst das starke Zuziehen dieser Stricke hatte nicht bewirken können, daß sich die Manschetten mit Stahlblecheinlage verformten.
Parker brauchte nun also nur noch seine geschmeidigen Hände durch die Manschetten zu ziehen. Und schon waren die Hände frei und konnten für wichtigere Dinge eingesetzt werden.
Parker mußte sich höllisch beeilen, um die schweren Gewichte von den Beinen zu bekommen. Aufknoten ließen sich diese Stricke nicht. Dazu hätte Parker die Zeit, vor allen Dingen aber auch die Luft gefehlt. Doch auch in dieser Situation wußte er sich natürlich zu helfen. Ein Mann wie Josuah Parker baute immer vor, plante alles im voraus ein. Er ließ es niemals auf Zufälle ankommen.
Die freien Hände tasteten nach der imposanten Krawattennadel. Blitzschnell wurde sie herausgezogen. Der lange, nadelspitze Anstecker war nichts anderes als eine ungemein scharfe Säge aus Spezialstahl. Diese Krawattennadelsäge brauchte nur eine knappe Sekunde, um die lästigen Fischerkugeln abzutrennen. Sie verschwanden in der unergründlichen Tiefe der See, ohne den Butler mit nach unten zu nehmen.
Parker erhielt Auftrieb. Körperlich wie auch seelisch. Er beging jedoch nicht den Fehler, schnurstracks aufzutauchen. Er brauchte nur nach oben zu schauen, um zu wissen, was gespielt wurde. Einige Meter über seinem Kopf wurde die Wasseroberfläche