»Ich wette, Sie wollen mich nur ablenken, Parker.«
»Das würde ich mir niemals erlauben, Sir.« Parker sah sehr treuherzig aus. »Aber finden Sie nicht auch, daß man jeder noch so unwichtigen Spur nachgehen sollte?«
»Sie haben es faustdick hinter den Ohren«, fand Leutnant Richey.
»Wem sagen Sie das«, pflichtete Mike Rander dem Leutnant bei. »Ich lebe schließlich mit ihm zusammen …!«
*
Mrs. Ruth Soldan war ausgesprochen nervös, als Josuah Parker vor ihr auftauchte. Mit ihm hatte sie hier und um diese Zeit bestimmt nicht gerechnet.
Das Wasserballett ›The Dolphin of Miami‹ war bei der Arbeit und tummelte sich im magisch angestrahlten Wasser eines großen Schwimmbeckens, das zu einem jener vielen Luxushotels gehörte, die den Strand säumten.
Immer wieder rauschte begeisterter Beifall auf, wenn die weiblichen Delphine eine besonders gelungene Figur schwammen. Buntes Scheinwerferlicht erhellte die Dunkelheit. Der Wasserzirkus der Mrs. Soldan, wie es in der Presse hieß, bewies wieder einmal, daß es sich um echte Sonderklasse handelte.
»Sie?« fragte Mrs. Soldan. Ihre Stimme klang wesentlich friedlicher als beim ersten Besuch des Butlers.
»Ich werde Ihre kostbare Zeit nur für wenige Sekunden beanspruchen«, beruhigte Parker die drahtige Frau. »Ich möchte mich in aller Form nach jenen beiden Männern erkundigen, auf die ich am Rande Ihres Trainingsbeckens traf.«
»Was wollen Sie von ihnen? Ich habe sie rausgeschmissen. Sie wurden zu unverschämt, zu aufdringlich. Sie ließen meine Girls nicht in Ruhe.«
»Ihr Verschleiß an Personal ist erstaunlich«, stellte der Butler fest. »Zuerst Miss Carol Hastings, und nun die beiden Angestellten.«
»Das ist doch wohl meine Sache. Haben Sie die Hastings aufgespürt? Falls ja, würde mich ihre Adresse interessieren. Sie schuldet mir noch Geld.«
»Ich werde es ihr ausrichten.«
»Sie wissen, wo sie steckt?«
»Ich erfuhr es von Mr. Will Chandels.«
»Wer ist denn das?« tat die Frau arglos. Doch am Aufblitzen ihrer Augen stellte der Butler fest, daß dieser Name gezündet hatte.
»Es handelt sich um den Freund von Miss Hastings. Er wurde leider von zwei Gangstern zusammengeschlagen, wenn ich dieses Slangwort einmal gebrauchen darf. Die beiden Gangster ließen Mr. Chandels als vermeintlich tot zurück, doch sie irrten sich.«
»Hört sich ja an wie eine Schauergeschichte aus dem Fernsehen.«
»Leider handelt es sich um die rauhe Wirklichkeit. Falls es Sie interessiert, Mrs. Soldan, die beiden Gangster wollten aus Chandels herausbekommen, wo sich seine Freundin Hastings versteckt hält. Erstaunlicherweise hielt Mr. Chandels alle Foltern durch und sagte nichts. Mir aber sagte er freimütig, wer die beiden Angreifer gewesen sind.«
»Wußte er denn, wo seine Freundin steckt?«
»Auch das, Mrs. Soldan. Verständlicherweise möchte ich darüber nicht sprechen.«
»Ich will mit diesen Gangstergeschichten nichts zu tun haben«, erklärte Mrs. Soldan nachdrücklich. »Mein Wasserballett beschäftigt mich ohnehin ausreichend.«
»Ist es nur das Wasserballett?« fragte Parker.
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Was ich von Mr. Chandels hörte, klang wesentlich anders.«
»Dann phantasiert er. Und Sie, Mr. Parker, langweilen mich. Entschuldigen Sie mich jetzt. Ich habe zu tun.«
Sie ließ den Butler einfach stehen und verschwand zwischen den Badekabinen, die als Umkleidegarderoben für das Wasserballett dienten. Josuah Parker hielt es für taktisch richtig, Mrs. Ruth Soldan nicht aus den Augen zu lassen.
Die drahtige Chefin der Delphine benutzte einen Seitenweg und ging sehr eilig auf den Bus zu, der hinter einer niedrigen Buschgruppe stand. Mit großen Lettern stand an den Seitenflächen des Busses: The Dolphin of Miami.
Er hörte hinter sich nur noch das feine Knacken eines dünnen Zweiges, dann schien eine Granate dicht über seinem Genick zu explodieren. Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte der Butler in sich zusammen. Und diesmal hatte er keine Möglichkeit, Theater zu spielen. Diesmal war er voll getroffen worden.
*
Als Parker wieder zu sich kam, war er unangenehm berührt.
Natürlich erinnerte er sich sofort seines Betriebsunfalls. Beim Beobachten des Busses war er aus dem Hinterhalt niedergeschlagen worden. Nun befand er sich in dem fahrenden Autobus, hatte aber keine Möglichkeit, sich zu rühren.
Wieder einmal war der Butler gefesselt worden. Er saß auf einem weichen Ledersitz. Starke Stricke hielten ihn am chromblitzenden Gestänge fest.
Nach draußen auf die Fahrbahn konnte Josuah Parker nicht sehen. Die Scheibengardinen waren zugezogen worden. Neben dem Fahrer des Busses erkannte Parker die Umrisse zweier anderer Männer. Er ahnte sofort, daß es sich nur um die beiden Schläger handeln konnte, die er vor Stunden auf nackten Füßen zurückgelassen hatte.
Parker machte sich sofort an die Arbeit, die lästigen Stricke loszuwerden. Er hatte die Rechnung ohne die Schläue der ›Strandhaie‹ gemacht. Diesmal waren die Gangster noch vorsichtiger gewesen. Inzwischen wußten diese Leute ja, wer Parker war und wie geschickt er sein konnte. Auf ein Risiko ließen sie sich nicht mehr ein.
Sein Universal-Regenschirm befand sich leider nicht in erreichbarer Nähe. Er kam also nicht an den eingebauten Stockdegen heran. Und ohne Messer war eine Befreiung nicht möglich.
Oder etwa doch …?
Parker strammte die Stricke, die seine Handgelenke zusammenhielten. Nach kurzer Prüfung war er zufrieden. Die Stricke strammten sich über seine schneeweißen Manschetten. Das war schon erfreulich. Daraus ließ sich zur richtigen Minute Kapital herausschlagen.
Parker wunderte sich nicht, daß die beiden Schläger sich wieder auf freiem Fuß befanden. Man hatte sie wahrscheinlich gegen Zahlung einer hohen Kaution aus der Haft entlassen. Hoffentlich waren die Polizeibehörden aber so klug und ließen die beiden Männer beschatten. Falls das so war, durfte Parker mit einer baldigen Befreiung rechnen.
Wohin diese Fahrt ging, wußte er nicht.
Und schneller als erwartet, bog der Bus plötzlich scharf nach rechts ab, rumpelte und holperte über einen scheinbar tief ausgefahrenen Feldweg und blieb dann mit pfeifenden Luftbremsen stehen. Die beiden Männer neben dem Busfahrer erhoben sich und kamen auf den Butler zu.
Josuah Parker erkannte die Gesichter dieser beiden Männer. Es waren die Schläger, die von Mrs. Ruth Soldan angeblich entlassen worden waren. Sie grinsten Parker tückisch an.
»Mach dich auf was gefaßt, Alter«, sagte der Wortführer der beiden Gangster. »Jetzt sind wir mal an der Reihe!«
»Darf ich höflich fragen, was Sie mit mir anzufangen gedenken?«
»Dreimal darfst du raten, Alter.«
»Ich möchte Ihren Plänen nicht vorgreifen«, gab Parker würdevoll zurück. »Ich darf wohl unterstellen, daß ich Mrs. Soldan diese kleine Spazierfahrt zu verdanken habe, nicht wahr?«
»Sie sind ein alter, schlauer Knabe«, sagte der zweite Gangster und nickte. »Aber mit der Schlauheit werden Sie nichts mehr anfangen können. Wir haben einen netten Spaß mit Ihnen vor.«
»Sie machen mich neugierig.«
»Los, stehen Sie auf!« Der Wortführer der beiden Gangster zog den Butler vom Sitz hoch und zerschnitt die haltenden Stricke. Anschließend wurden Parkers Fußfesseln geöffnet. Er sollte auf seinen zwei Beinen den Bus verlassen.
Die beiden Gangster ließen den Butler nicht aus den Augen. Der Fahrer des Busses