Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
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verschaffen. Er wird es darauf anlegen, die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken zu versetzen. Diese letzte Flasche muß alle anderen ersetzen. Er braucht jetzt viele Opfer, um auf sich aufmerksam zu machen.«

      »Mein Gott, Rander, daran darf ich überhaupt nicht denken.« Traggle sah bestürzt aus. »Wie sollen wir die Öffentlichkeit vor solch einem Anschlag schützen? Ich sehe keine Möglichkeit. Wir können die Bevölkerung von New York doch nicht auffordern, wegen eines einzigen Mörders in den Wohnungen zu bleiben.«

      »Selbst dort wären die Menschen ja noch nicht mal sicher«, antwortete Mike Rander.

      »Und was sollen wir tun?« Traggle sah den Butler beinahe hilfeflehend an.

      »Auch ich muß bedauern«, gab der Butler zurück. »Uns sind die Hände gebunden. Wir können nur hoffen, daß Camster schwer verwundet ist. Darin liegt die einzige Chance …«

      *

      Josuah Parker hatte sich nur zu gut in die Gedankengänge des Mörders versetzt.

      Ben Camster war nach dem Feuerwechsel mit Rander tatsächlich verletzt worden. Die Verwundung war allerdings nicht schwer. Es handelte sich um einen leichten Streifschuß an der Brust. Camster hatte ihn notdürftig verbunden und die Wunde oberflächlich desinfiziert. Nach seiner Flucht vom Hotel hatte er den Wagen in einer Straße einfach stehenlassen und war in ein Taxi umgestiegen. Er wußte nicht, ob Mike Rander sich die Nummer des Wagens hatte merken können.

      Der Mörder hatte bis gegen Mittag in einem billigen Massenhotel verbracht und war dann in ein Privatquartier umgezogen. Er logierte jetzt in einem möblierten Raum südlich des Central Parks, in der 59. Straße, Ecke Fifth Avenue. In diesem rauchgeschwärzten Haus mit den vielen Untermietern fragte kein Mensch nach ihm. Mit der Zahlung der Miete für einen Monat im voraus hatte er sich gleichzeitig völlige Anonymität erkauft.

      Um ein Haar wäre er Josuah Parker in die Arme gelaufen. Nach seiner Verwundung war er zurück zur Werkstatt gefahren. Er hatte den genau richtigen Zeitpunkt gewählt und den Butler gesehen, der den Hinterhof verließ, um von einer Wäscherei aus anzurufen.

      Wegen seiner Verwundung hatte Camster es nicht riskiert, auf Parker zu schießen. Vielleicht war auch seine Verblüffung der Grund dafür gewesen. Noch immer konnte der halbirre Gangster sich nicht erklären, wie Parker es gelungen war, dem Giftgas zu entkommen.

      Nun lag Camster auf dem Bett und grübelte. Irre Vorstellungen wechselten mit eiskalter, berechnender Überlegung. Schmerzen spürte er nicht. Er hatte sich die Wunde oberflächlich mit Whisky ausgewaschen und verbunden. Schnell und stark wirkende Mittel hielten den Schmerz nieder. Er hatte sie sich in einem Drugstore besorgt und nahm sie in großen Mengen. Er fürchtete nämlich den Schmerz.

      Sein Haß gegen Josuah Parker und Mike Rander kämpfte mit der Gier nach Geld. Selbst nach den Fehlschlägen fühlte der Mörder sich noch immer als Herr der Situation. Gewiß, Parker war dem Giftgas entronnen, Rander hatte den tödlichen Schuß vermeiden können. Doch das ließ sich schnell wieder in Ordnung bringen.

      Sie müssen sterben, ging es durch seinen wirren Kopf. Sie müssen für ihre Frechheit bezahlen, es mit mir aufgenommen zu haben. Aber ich darf auch das große Geschäft nicht aus den Augen verlieren. Ich muß dieser Stadt beweisen, wie stark und unüberwindlich ich bin.

      Camster richtete sich auf und wollte nach dem Trinkglas greifen. Stechender Schmerz ließ ihn aufstöhnen. Die Wirkung der schmerzstillenden Tabletten ließ nach.

      Ben Camster bewegte sich jetzt nur noch sehr vorsichtig. Mit ausgestreckter Hand griff er nach der Röhre mit den Tabletten. Er ließ vier von ihnen in das noch halb gefüllte Glas rutschen und wartete ungeduldig, bis sie sich aufgelöst hatten. Dann schüttelte er den bitteren Trank in sich hinein.

      Aufstöhnend ließ er den Kopf zurück ins Kissen gleiten und belauschte die Schmerzen. Sie ließen sehr schnell nach und verursachten in seinem Kopf eine lähmende Müdigkeit. Camster schloß die Augen und war nicht in der Lage, konsequent und folgerichtig zu denken. Er überließ sich seinen wirren Gedanken, die sich auf das eine fürchterliche Ziel ausrichteten, Angst und Schrecken zu verbreiten. Er verliebte sich immer mehr in den Gedanken, die mit Giftgas gefüllte Stahlflasche zu einem Massensterben zu benutzen.

      Dieser Gedanke entzündete ihn. Er schüttelte die Lähmung von sich ab, bekam erneut Durst und trank ein halbes Glas Whisky leer. Der leichte Rausch wurde verstärkt von der Wirkung der barbiturhaltigen Tabletten. Er merkte kaum, daß er sich bereits in einem schweren Rauschzustand befand, in dem er keine Schwierigkeiten oder Hemmungen mehr hatte. Plötzlich sah alles so einfach aus. Sein Siegergefühl verstärkte sich gefährlich.

      Ich werde die Preßluftflasche in einem Kino oder in einem Theater wirken lassen, gaukelte er sich vor. Dann bekomme ich endlich die Schlagzeilen, die ich brauche, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Merken diese satten und faulen Bürger erst mal, wie stark ich bin, werden sie zahlen. Dann brauche ich in Zukunft nur noch zu drohen. Kein Mensch weiß doch in Wirklichkeit, wie viele Giftflaschen ich tatsächlich noch besitze.

      Er sah zur Tasche hinüber, die auf der einfachen Kommode stand. Sie enthielt die Preßluftflasche mit dem tödlichen Gift. Es war ja so einfach, sie irgendwo unterzubringen, wo sich viele Menschen versammelten. Er brauchte ja nur das Zeitventil richtig einzustellen. Nach einer bestimmten Galgenfrist entströmte dann das Gas und schuf damit alle Voraussetzungen, um die Öffentlichkeit erpressen zu können.

      Ben Camster konnte ohne Beschwerden aufstehen. Die Schmerzmittel betäubten das Klopfen und Ziehen in seiner Wunde. Sein Gang war zwar unsicher, doch das merkte er überhaupt nicht. Er gierte danach, den großen Schlag so schnell wie möglich zu landen!

      *

      Es war Mittag geworden.

      Ben Camster ging durch die Stadt. Der Mörder suchte nach einer Gelegenheit, seine Giftgasflasche richtig unterzubringen. Er ließ sich sehr viel Zeit. Er kostete bereits im voraus, was nach dem Einstellen des Zeitventils passieren würde.

      In der Menge der Passanten fiel er überhaupt nicht auf. Es war ein sonniger Tag. Er trug eine Brille mit dunkel gefärbten Gläsern und hatte sich einen Kaugummi in die linke Wangentasche geschoben. Dadurch wurde sein Gesicht völlig verändert.

      Er kam an einigen Kinos vorbei, blieb stehen und schätzte die Menge der Besucher ab. Nein, seiner Schätzung nach waren sie zu schlecht besucht. Vor dem Kassenschalter eines Kinos blieb er sogar längere Zeit stehen. Er zählte die Personen, die sich eine Karte kauften. Nur mühsam unterdrückte er dabei ein Kichern. Sie alle wußten nicht, welche tödliche Waffe in seiner Aktentasche stak. Arglos betraten sie das Foyer des Kinos und verschwanden hinter den Pendeltüren.

      Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Wo hielten sich die meisten Menschen gerade um die Mittagszeit auf? Am Grand Central Terminal, dem riesigen Bahnhof von Manhattan! Dort konnte er sich ja förmlich aussuchen, was seinen Zwecken am günstigsten war. Ben Camster winkte ein Taxi ab und ließ sich zum Grand Central bringen. Auf dem Polster lag eine zurückgelassene Morgenzeitung. Spielerisch griffen seine Hände nach dem Blatt. Als er sie auffaltete, blieben seine Augen an einer dicken, fetten Schlagzeile hängen.

      Einem, sensationellen Giftverbrechen auf der Spur, hieß es da. Die Freundin eines Mörders festgenommen und wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Joan Shadows Foto war deutlich zu erkennen. Sie war auf den Stufen des Gerichtsgebäudes zu sehen. Hinter ihr erkannte Camster den Mann, den er am meisten haßte: Josuah Parker.

      Hastig überflog er die wenigen Zeilen, die eigentlich in keinem Verhältnis zur Überschrift standen. Sie waren dem Polizeibericht entnommen worden und teilten nur lakonisch mit, die Polizei habe Joan Shadow wieder auf freien Fuß setzen müssen, nachdem sie gegen ihren Freund Ben Camster ausgesagt habe. Sie solle später als Kronzeugin der Anklage auftreten und wohne nun in einem unbekannten Haus in Manhattan. Mehr war aus dem Artikel nicht zu erfahren. Doch für Camster sprachen diese wenigen Zeilen Bände.

      Joan Shadow! An sie hatte er während der vergangenen Stunden gar nicht mehr gedacht. Nun sah er sie wieder vor sich. Sie also hatte ihn verraten und an die Polizei verkauft. Nur sie allein hatte den Namen Ben Camster doch verraten können!