Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
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der Fahrer des Taxis nichts merkte. Doch seine Hände zitterten, als er sich eine Zigarette anzündete. Und plötzlich spürte er wieder Schmerzen in der Schußwunde am Brustkorb.

      Diese Zeitung war am Morgen verkauft worden. Nun war es längst Mittag. Ob die Mittagsblätter neue Schlagzeilen trugen? Camster ließ das Taxi halten, zahlte, stieg aus und ging mit schnellen Schritten zum nächsten Zeitungsstand.

      Nun, er hatte sich nicht getäuscht.

      Wieder gab es Schlagzeilen. Und diesmal waren sie noch deutlicher und noch unmißverständlicher. Jetzt erfuhr der Mörder auch, warum Joan von der Polizei festgenommen worden war. Sie behauptete, sie sei von ihrem Freund, Ben Camster, gezwungen worden, das Zimmer eines Hotelgastes auszurauben. Sie habe sich dabei einer Fliegenspritze mit Chloroform bedienen müssen. Sie hatte ihn, Camster, im Verhör als einen irrsinnigen Gangster und Mörder bezeichnet. Obwohl mehr nicht zu lesen war, konnte Camster sich leicht ausrechnen, was Joan der Polizei noch mitgeteilt haben mochte. Vielleicht wußten die Schnüffler, wie er die Polizeibeamten nannte, nun inzwischen auch von seinen Giftflaschen.

      Der Mörder verzog die Lippen zu einem dünnen, bösen Grinsen. Mochte Joan ihn auch verraten haben. Dafür mußte sie bald schon zahlen. Mochten die Schnüffler wissen, in welcher Werkstatt er gearbeitet hatte, das alles half ihnen nichts. Schon in wenigen Stunden würden sie merken, wie aktiv und hart er zuschlug.

      Am Grand Central blieb er vor einem Stundenkino stehen, in dem nur Wochenschauen und Kurzfilme gezeigt wurden. Die Besucher dieses Kinos waren Reisende, die sich bis zum nächsten Anschluß die Zeit vertrieben.

      Endlich war der Mörder mit seiner Wahl zufrieden. Er beobachtete gerade einen Schub von Zuschauern, die sich an der Kasse vorbeidrängten. Um ganz sicher zu gehen, löste sich Camster ebenfalls eine Karte und schob sich in den großen dunklen Raum. Auf der Leinwand waren Szenen eines Zeichentrickfilms zu sehen. Die Zuschauer lachten und amüsierten sich.

      Eine raffinierte kleine Maus führte einen Kater an der Nase herum und ließ sich immer neue Tricks einfallen. Camster wurde wider Willen von dem lustigen Spektakel auf der Leinwand ergriffen. Er blieb an der Wandvertäfelung stehen und ertappte sich dabei, daß auch er lachte.

      Erschreckt hielt er inne. Er kam sich albern und kindlich vor. Er rief sich energisch zur Ordnung. Der Mörder griff in die Aktentasche und fühlte nach der Preßluftflasche. Das kalte Metall ernüchterte ihn. Er besann sich darauf, weshalb er das Kino betreten hatte.

      Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Die Sitzreihen waren dicht gefüllt. Ja, hier lohnte es sich schon, die Giftflasche zurückzulassen.

      Er schob sich an den Zuschauern vorbei und erreichte den Waschraum. Er blieb vor dem Waschbecken stehen, stellte hastig die Zeit am Zünder ein und schloß die Tasche. Dann hastete er zurück in den Kinoraum und setzte sich weit vorn nieder. Er mußte den Kopf fast in den Nacken legen, um die Leinwand sehen zu können. Unter einem Klappsitz ließ er dann die Tasche stehen, stand wieder auf und verließ das Stundenkino.

      Kein Mensch achtete auf ihn. In der riesigen, weiträumigen Wartehalle des Grand Centrals verspürte er plötzlich wieder heftige Schmerzen in der Wunde.

      Ben Camster stolperte über die Treppen hinaus auf die Straße. Unterwegs fingerte er nach der Tablettenröhre. Er suchte nach einer Bar, um seinen Magen wieder mit schmerzstillenden Tabletten zu füttern.

      Und dann dachte er an das Zeitventil. In spätestens einer halben Stunde mußte sich das Ventil öffnen und das Giftgas ausströmen lassen. Dann sahen die Schlagzeilen aber anders aus. Dann erfuhr alle Welt, wer Ben Camster war und welche Bedingungen er der Öffentlichkeit stellte!

      Der irrsinnige Mörder beschloß, in der Nähe des Grand Centrals zu bleiben. Er wollte es genießen, wenn die Rettungswagen der Polizei und der Feuerwehr mit heulenden Sirenen heranpreschten!

      *

      »Nichts, gar nichts …!« Leutnant Traggle breitete seine Arme hilflos aus. Er hatte Josuah Parker und Mike Randers gerade empfangen und ihre Fragen schon im voraus geahnt. »Ben Camster ist wie vom Erdboden verschwunden.«

      »Ist die Fahndung nach ihm schon angelaufen?« wollte Anwalt Rander wissen.

      »Mehr können wir überhaupt nicht tun«, gab Traggle zurück. »Wir haben uns Bilder von Camster besorgt. Sie befanden sich in den Personalakten der Firma, für die er seinerzeit arbeitete. Wir haben Abzüge in Massen herstellen lassen und jeden Streifenpolizisten damit versorgt. Viel Hoffnung habe ich allerdings nicht. Wie leicht kann man sein Aussehen verändern.«

      »Bleibt nach wie vor die Hoffnung, daß Camster schwer verwundet in einem Versteck liegt«, sagte Rander.

      »Ein verdammt magerer Trost«, erwiderte Traggle. »Ich komme mir vor wie auf einem Vulkan, der jeden Moment Feuer spucken kann. Dieser irrsinnige Gangster besitzt doch eine gefüllte Giftflasche. Mein Gott, welch ein Unheil kann er damit anrichten.«

      »Hat er sich telefonisch gemeldet? Ich meine, Hotels angerufen und Geld verlangt?« Josuah Parker schaltete sich ein. Seine Stimme klang beherrscht und zeigte keine Unruhe.

      »Nein, er hat sich auch per Telefon nicht mehr gerührt«, erklärte Leutnant Traggle. »Und gerade das beunruhigt mich, Parker. Das riecht nach der Stille vor dem Sturm. Dieser Wahnsinnige plant irgendeine Teufelei, ich spüre es förmlich in den Nervenenden.«

      »Ich weiß mir keinen Rat«, sagte Mike Rander.

      »Und wie sieht es mit Ihnen aus. Parker?« Leutnant Traggle wandte sich an Josuah Parker. »Ist Ihnen inzwischen eine Idee gekommen, mit der wir etwas anfangen können?«

      »Ich bedaure, Sir«, gab Parker steif zurück. »Meine einzige Hoffnung sind die Zeitungsberichte und die großen Schlagzeilen. Vielleicht hält Camster die Rache an Miss Shadow und an mir für wichtiger als einen Massenmord.«

      »Ich weiß, Sie haben sich angeboten.«

      »In den Abendausgaben kann Camster lesen, wo er Miss Shadow und Parker finden kann«, bestätigte Mike Rander. »Wir haben so etwas wie gezielte Indiskretion lanciert. Die Zeitungen spielen mit und werden recht deutlich verraten, wo Miss Shadow und Parker sich aufhalten. Jetzt kommt es darauf an, ob Camster richtig reagiert.«

      »Rander, seien Sie ehrlich. Wie beurteilen Sie unsere Chancen?«

      »Schlecht, offen gesagt, Traggle.«

      »Dann müssen wir also abwarten!«

      »Mehr können wir tatsächlich nicht tun«, beendete Josuah Parker die kurze, hoffnungslose Unterhaltung. »Wir alle sind den Launen eines Wahnsinnigen ausgeliefert!«

      *

      Ben Camster hatte die restlichen vier Tabletten zu sich genommen. Zusammen mit dem Alkohol erzeugten sie in seinem Kopf wieder das Gefühl eines schweren Rausches. Er stand dicht neben der geöffneten Tür der Bar und beobachtete die Straße. Dreißig Minuten waren verstrichen. Jede Sekunde mußte das Geheul der Polizeisirenen zu hören sein.

      Camster lehnte mit dem Rücken gegen einen Pfeiler. Er fühlte sich seit einigen Minuten müde und matt. Die Schmerztabletten reichten nicht mehr aus, das wütende Klopfen in der Wunde zu übertönen. Der Schmerz steigerte sich langsam, aber unaufhaltsam. Camster, wehleidig wie die meisten Gangster, sofern es sich um den eigenen Körper handelt, hätte am liebsten gestöhnt. Doch er wollte nicht auffallen und Fragen beantworten.

      Gerade diese Schmerzen aber erinnerten ihn an Joan Shadow und Butler Parker. Ihnen verdankte er ja diese Verletzung. Ohne sie wäre es niemals zu diesem mißglückten Schußwechsel mit Mike Rander gekommen.

      Sie werden mir dafür büßen, dachte er haßerfüllt. Lange werden sie nicht mehr leben. Sobald das Kino ausgeräuchert ist, sollen sie meine Rache spüren. Noch weiß ich schließlich mit einer Schußwaffe umzugehen!

      Er schrak zusammen.

      Auf der Straße erschien ein Streifenwagen der Verkehrspolizei. Wie auf leisen Katzenpfoten schnurrte er über den Asphalt. Doch er fuhr nur sehr langsam, schien noch nicht vom Grand Central aus alarmiert worden zu