Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
Скачать книгу
jetzt ein scharrendes Geräusch an der Tür. Und Sekunden später schnupperte sie den typischen Geruch von Chloroform.

      Innerlich triumphierte die massige Frau. Das klappte ja wie am Schnürchen. Die ausgiebig gezeigten Juwelen hatten bereits gewirkt. Der »Blasrohr-Gang«, von dem ihr Bekannter Parker gesprochen hatte, war bereits am Werk.

      Sie ließ sich Zeit.

      Sie setzte sich ohne Hast oder Angst eine Gasmaske auf und hob den Revolver, Kaliber 38, vom Nachttisch. Sie entsicherte die Waffe und wartete ab!

      Das Zimmer wurde von der Außenreklame des Hotels spärlich erhellt, doch diese Beleuchtung fand Mrs. Powder als gerade richtig. Sie faßte sich in Geduld, lüftete hin und wieder die Maske und schnupperte. Ja, der erste Eindruck war richtig gewesen. Weiteres Betäubungsgas strömte ins Zimmer. Der Geruch war schwer und süß geworden.

      Endlich, nach langen Minuten, senkte sich die Türklinke. Mrs. Agatha Powder machte sich bereit. Sie hätte per Telefon längst Hilfe heranrufen können. Doch dieser Gedanke kam ihr einfach nicht. Sie hatte keine Angst!

      Geräuschlos öffnete sich die Tür. Noch konnte Mrs. Powder nichts erkennen. Regungslos lag sie im Bett und bereitete sich darauf vor, von einer Taschenlampe angeleuchtet zu werden. Kaum gedacht, flammte hinter dem Türspalt auch schon ein grelles Licht auf. Der Strahl der Taschenlampe wanderte durch das Zimmer und blieb auf ihrem faltigen Gesicht haften.

      »Agatha Powder zuckte mit keiner Wimper. Schwer und tief atmend lag sie im Kissen. Sie schien sich in Betäubung zu befinden. Sie bot eigentlich einen mitleiderregenden Anblick.

      Der Lichtschein wanderte weiter, glitt zum Toilettentisch und blieb dort einen kurzen Augenblick. Dann wurde das Licht abgeschaltet. Schnelle und leise Schritte hasteten durch das Schlafzimmer. Der Eindringling blieb für ein paar Sekunden am Bettende stehen und belauschte die scheinbar Schlafende. Dann ging er weiter zum Toilettentisch. Dort stand ein umfangreicher Schmuckkoffer: das Ziel!

      Mrs. Powder lachte in sich hinein.

      Vorsichtig richtete sie sich auf. Sie zeigte zwar die Grazilität eines Flußpferdes, aber auch die Schnelligkeit einer Pantherkatze. Diese Frau war verblüffend. Sie schaffte es, sich ohne Geräusch aufzurichten.

      Nun erkannte sie die Gestalt, die die Schubladen des Toilettentischchens auf zog. Mrs. Agatha Powder hob den entsicherten Revolver und machte sich lautstark bemerkbar.

      »Schämen Sie sich, eine alte Frau zu erschrecken!« brüllte sie durch das Mundstück der Maske. Blechern, hohl und unheimlich klang ihre Stimme. Dann hustete sie schrecklich auf. Sie hatte für ein paar Minuten ohne Maske bleiben müssen. Das war, als sie von dem Eindringling angeleuchtete worden war. Das Betäubungsgas kratzte in der Kehle. Das Husten aber klang wie das Scheppern zweier Bleche, die man gegeneinander schlägt.

      Der Eindringling am Tisch schrak fürchterlich zusammen. Er drehte sich blitzschnell um. Auch er trug eine Atemmaske und sah darin wie ein Rüsseltier aus.

      »Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, dröhnte Mrs. Agatha Powder weiter. Doch der Eindringling am Tisch hörte nicht darauf. Er wollte sich absetzen. Da er keine Waffe in der Hand hielt, verzichtete die alte Dame fairerweise darauf, ihren 38er sprechen zu lassen.

      Am Fußende des Bettes prallten sie zusammen. Der Eindringling hatte an Masse und Gewicht nichts zu bieten. Er würde von den Massen Mrs. Powders förmlich zurückgeworfen und taumelte gegen den Kleiderschrank.

      Hier raffte er sich auf und riskierte einen zweiten Anlauf. Er wollte die alte, kriegerische Dame täuschen und leerlaufen lassen. Doch mit solchen Tricks durfte man Agatha Powder nicht kommen. Sie durchschaute auf Anhieb diese Kriegslist und warf sich auf den Gegner.

      Jetzt wurde es dramatisch.

      Der Eindringling schrie entsetzt auf, fiel zu Boden und wurde von Mrs. Powders Massen begraben. Er verschwand förmlich unter der alten Dame, die sich auch von Judokniffen nicht unterkriegen ließ. Ja, Mrs. Powder beantwortete diese Griffe mit anderen und besseren Tricks. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ihr Gegner still und wie leblos unter ihr liegen blieb.

      »Manieren sind das …!« murmelte Agatha Powder, als sie sich erhob. Sie schaltete das Licht ein und öffnete die beiden Fenster. Frische Luft drang in den verpesteten Raum. Um den Gegner völlig wehrlos zu machen, wollte Agatha ihm die Maske abziehen, denn auch der Eindringling hatte sich gegen das Betäubungsgift geschützt.

      Mrs. Powder beugte sich hinunter und entfernte also die Maske. Sie öffnete erstaunt die Augen, als sie ein bleiches und blutleeres Frauengesicht erkannte. Schwarze Haare umrahmten es. Die Frau, die einen engen Kittel und schwarze Strumpfhosen trug, sah jetzt zierlich und hilflos aus.

      Agatha Powder trat an das Telefon und klingelte Josuah Parker aus dem Schlaf. Mit lauter Stimme, die durch das Atemstück aber gebremst wurde, teilte sie mit, was sich gerade in ihrem Zimmer ereignet hatte. Dann legte sie auf, ging zur Tür und fand hier eine Insektenspritze, an die ein Blasrohr und ein kleiner Druckluftbehälter befestigt waren …!

      *

      Parkers Stimme war sanft wie die eines Psychiaters. Er befand sich zusammen mit Joan Shadow allein im Hotelzimmer. Mike Rander und Agatha Powder hatten sich zurückgezogen, damit der Butler seinen Charme ungestört entfalten könne.

      »Die Indizien, Miss Shadow, sind doch wirklich nicht zu übersehen«, meinte er geduldig, nachdem Joan unentwegt abgestritten und geleugnet hatte. »Als Amateur wären Sie gar nicht in der Lage gewesen, sich dieses Spritzgerät zu beschaffen. Sie sind ein Mitglied des ›Blasrohr-Gang‹.«

      »Ich habe die Spritze im Keller des Hotels gefunden«, antwortete sie hartnäckig und auch ein wenig müde. »Ich weiß überhaupt nicht, was dieser ›Blasrohr-Gang‹ eigentlich ist.«

      Sie gähnte und litt offensichtlich noch unter den Nachwirkungen der Chloroform-Betäubung.

      »Sie bleiben bei der Behauptung, nichts über den Mord an Hermy Lactons zu wissen?«

      »Ich habe keine Ahnung …! Sie haben überhaupt kein Recht, mich hier im Hotelzimmer festzuhalten. Rufen Sie doch endlich die Polizei an!«

      »Ich werde Ihrem Wunsch selbstverständlich nachkommen«, erwiderte Josuah Parker höflich und zuvorkommend. »Dort wird man andere Mittel und Wege finden, Sie zum Reden zu bringen. Was versprechen Sie sich eigentlich von der Polizei …? Verwendung von Chloroform kann einem Mordversuch gleichkommen. Sie wissen doch, wie gefährlich dieses Betäubungsgift ist.«

      Sie schwieg und biß sich auf die Lippen. Ob sie endlich eingesehen hatte, wie gering ihre Chancen waren? Josuah Parker ließ ihr keine Zeit, sich neue Ausreden auszudenken. Er stand auf und beschäftigte sich mit einem Tonbandgerät. Er hatte es sich von dem erpreßten Manager des Tafton-Hotels ausgeliehen.

      Ruckartig hob Joan Shadow den Kopf, als sie eine ihr sehr vertraute Stimme hörte. Der »Blasrohr-Mörder« wiederholte auf der Tonband-Wiedergabe seine Worte.

      Joan rutschte förmlich in sich zusammen. Sie war fertig mit ihren Nerven. Sie hörte genau heraus, wie tödlich die Drohungen ihres Freundes und Chefs waren. So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt.

      »Noch kennt die Polizei dieses Tonband nicht«, redete Parker weiter. »Wie werden die Polizeibehörden wohl reagieren, wenn sie diese Mordandrohungen hören, Miss Shadow? Sie sitzen in einer bösen Falle. Sie sind Mitwisserin! Man wird Ihnen unterstellen, sich an der Ermordung von Hermy Lactons beteiligt zu haben!«

      Sie schwieg und sah zu Boden.

      »Sie sind noch recht jung, Miss Shadow«, bohrte der Butler weiter. »Sie ahnen nicht, wie es hinter Gittern eines Zuchthauses aussieht …! Jeder Tag wird zu einer Hölle werden. Ihr Gewissen wird Sie ununterbrochen anklagen. Wenn Sie Glück haben – vielleicht – kommen Sie als alte und verbrauchte Frau wieder zurück in die Freiheit. Ich weiß nicht, ob das erstrebenswert ist.«

      »Was soll ich denn tun?« fragte sie mit leiser Stimme.

      »Bieten Sie sich den Behörden als Kronzeugin an«, schlug Josuah Parker vor. »Versprechen kann ich Ihnen nichts.