Butler Parker Paket 1 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740943073
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regelrecht übel, wenn er Polizisten sah. Er griff nach dem Glas auf der Theke, doch es war leer.

      Der Wagen glitt weiter und verschwand in einer Seitenstraße. Camster schluckte, sah auf seine Armbanduhr und stutzte. Und noch immer gab es keinen Großalarm. Sollte sich das Öffnen des Ventils verzögert haben?

      Er hielt es in der Bar nicht länger aus. Er hatte bereits bezahlt und konnte sofort auf die Straße hinaustreten. Zielsicher steuerte er den riesigen Bahnhof an. Aus nächster Nähe wollte er sich davon überzeugen, was inzwischen passiert war.

      Nun, er wurde sehr enttäuscht. Er hatte schreiende Menschen und panische Angst erwartet. Nichts davon war zu spüren. Der Grand Central zeigte das gewohnte Bild.

      Camster näherte sich vorsichtig dem Stundenkino, das in einem Seitenflügel des Bahnhofs untergebracht war. Die junge Frau hinter dem Kassenschalter verkaufte immer noch Eintrittskarten. Menschen betraten das Kino, verließen es durch einen Nebenausgang. Auch hier also das gewohnte Bild.

      Das Zeitventil hat nicht reagiert, sagte sich der Wahnsinnige. Ich muß einen Fehler gemacht haben. Aber das läßt sich schnell nachholen. Ich werde mir die Flasche noch mal genau ansehen. Warum mag sich das Ventil nicht geöffnet haben?

      Camster kaufte sich eine neue Karte und schob sich in den großen Saal. Wieder blieb er erst mal an der Wand stehen, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann beobachtete er die vorderen Sitzreihen.

      Er unterdrückte einen Fluch.

      Vor einer halben Stunde war dort noch alles leer gewesen. Jetzt war jeder Platz selbst in der vordersten Reihe besetzt. Er mußte also den Zeitpunkt verschieben, um an die Tasche heranzukommen.

      Er ließ sich von dem Zeichentrickfilm ablenken. Diesmal wurde ein tolpatschiger, dicker Bär gezeigt, der die verrücktesten Abenteuer in den Rockies erlebte.

      Ben Camster kicherte und lachte bald wie die meisten Besucher. Er vergaß seine Mordgedanken und lachte über ein kleines Mädchen, das genau vor ihm saß. Es schrie vor Begeisterung und sprang immer wieder vom Sitz hoch.

      Camster war auf dem besten Weg, den Massenmord aufzuschieben. Doch dann sah er in der Mittelreihe einige Besucher, die dem Ausgang zustrebten. Sie kamen von den vordersten Sitzreihen. Dort gab es jetzt also Platz. Er konnte die Aktentasche also wieder hervorholen.

      Der Mörder stand vorsichtig auf. Richtig, er hatte sich nicht getäuscht. Die Reihe, in der die Tasche mit der Preßluftflasche untergebracht war, konnte begangen werden. Nun gab es kein Halten mehr für ihn. Ben Camster pirschte sich an die Tasche heran. Er hörte nicht mehr das helle, begeisterte Lachen des Kindes!

      *

      »Suchen Sie was?«

      Camster richtete sich hastig auf und griff nach seiner Waffe. Er wurde vom Licht einer Taschenlampe geblendet. Er unterschied den Rock und die Uniformjacke einer Platzanweiserin.

      »Die … Tasche!« stotterte der Mörder überrascht und gegen seinen Willen.

      »Ach, Sie haben sie also vergessen!« Das junge Mädchen lachte leise auf. »Haben Sie ein Glück, Sir. Sie wurde vor zehn Minuten bei uns vorn an der Kasse abgegeben.«

      »Die Tasche?« wiederholte Camster.

      »Kommen Sie mit nach vorn. Wenn Sie uns sagen können, was sie enthält, bekommen Sie sie sofort wieder zurück, Sir.«

      Camster glaubte im ersten Moment an eine Falle. Doch dann entschloß er sich, der jungen Platzanweiserin zu folgen. Was kann mir schon passieren, sagte er sich. Ich besitze ja noch eine Schußwaffe. Man soll es nur wagen, sich mir in den Weg zu stellen.

      Doch es war keine Falle. Vorn, neben der Kasse, schloß die junge Platzanweiserin eine schmale und hohe Tür auf. Camster, der an das austretende Giftgas dachte, wich sofort einen Schritt zurück. Arglos beugte sich die junge Frau vor und griff nach der Tasche, die in einem Schrankfach lag.

      »Ist sie das?« fragte sie.

      »Natürlich, das ist meine Tasche!«

      »Und was ist in ihr?«

      »Eine Preßluftflasche«, gab Camster zurück. Er hatte sich endlich wieder in der Gewalt.

      »Stimmt, Sir! Hier, da ist die Tasche!«

      Er drückte ihr ein viel zu großes Trinkgeld in die Hand, klemmte die Tasche unter den Arm und hatte es sehr eilig, zurück in die Halle zu kommen. Er wollte so schnell wie möglich nachsehen, was mit dem Ventil passiert war.

      In einer Toilette fand er den Fehler. Er war derart einfach, daß er sich am liebsten geohrfeigt hätte. Camster hatte vergessen, das Uhrwerk aufzuziehen. Das war der einzige Fehler. Das Ventil machte sonst einen intakten Eindruck.

      Soll ich noch mal zurück ins Kino gehen, fragte er sich. Es wird aber vielleicht auffallen, wenn ich mich dort schon wieder sehen lasse. Ich werde mir doch besser ein anderes Kino aussuchen. Vielleicht lasse ich die Tasche auch irgendwo in der großen Zentralhalle stehen. Aber dann ist die Wirkung des Giftgases nicht so, wie ich es erwarte.

      Als er die Toilette verließ, hatte er einen Entschluß gefaßt. Ben Camster wollte die Tasche nun endgültig in einem Schnellimbiß zurücklassen. Es boten sich einige Läden dieser Art an. Sie alle waren dicht besetzt.

      Der Mörder schritt gerade auf einen Schnellimbiß an der Ostseite des Bahnhofs zu, als er wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte. Er hatte ein bekanntes Gesicht, eine bekannte Gestalt entdeckt. Schnell verbarg er sich hinter einem Pfeiler, um in aller Ruhe beobachten zu können.

      Nein, er hatte sich nicht geirrt. Das dort war Josuah Parker, der Mann also, dem er unversöhnliche Rache geschworen hatte! Dieser Mann hatte es geschafft, Joan Shadow zum Verrat zu treiben, ihm war es gelungen, aus der Werkstatt zu fliehen.

      Der Mörder änderte seine Pläne blitzschnell. Die Gelegenheit war günstig, Parker sterben zu lassen. Nein, mit der Schußwaffe konnte er das allerdings nicht riskieren. Man hätte ihn in der riesigen Halle schnell gestellt.

      Ich werde ihm folgen, entschied der Gangster. Er wird mich zu Joan führen. Und dann müssen sie beide sterben. Diesmal wird mir kein Fehler mehr passieren!

      Vorsichtig blieb er hinter Parker, der nichts ahnte und dem Ausgang zustrebte. Ben Camster blieb ihm auf den Fersen. In seinen Augen glühten der Irrsinn und wirre Mordgedanken!

      Josuah Parker blieb stehen.

      Umständlich knöpfte er sich den schwarzen, weit fallenden Covercoat auf und dann sein Jackett. Er holte die unförmige Taschenuhr aus der Westentasche und ließ den Zierdeckel aufspringen. Statt des Zifferblatts wurde aber nur ein scharf geschliffener Spiegel freigelegt, der ihm einen Blick nach hinten gestattete. Diese Uhr gehörte mit zur Standardausrüstung des Butlers. Er schätzte es, zu wissen, was hinter seinem Rücken passierte.

      Schon seit einigen Minuten fühlte er, daß er hartnäckig verfolgt wurde. Nun wollte er herausfinden, wer da auf seinen Spuren wandelte. Ein aufmerksamer Blick in den Spiegel genügte. Josuah Parker erkannte Ben Camster, den »Blasrohr-Mörder«, der sich allem Anschein nach auf einen Massenmord vorbereitete. Er trug nämlich die bewußte Aktentasche unter dem Arm, von der Parker wußte, daß sie die Preßluftflasche mit Giftgas enthielt. Während des erster} Treffens in der Werkstatt des irren Gangsters hatte Camster ihn ja darauf aufmerksam gemacht.

      Parker überlegte blitzschnell, wie er sich jetzt verhalten sollte. Im Grunde war die Gelegenheit mehr als günstig, Camster ein für allemal auszuschalten. Doch da Camster ihn ja beobachtete, war ein plötzlicher Angriff viel zu gefährlich. Parker fürchtete selbstverständlich nicht um sein Leben. Doch Camster konnte entweder zu einer Schußwaffe greifen, oder aber die Giftgasflasche öffnen. Darauf durfte sich der Butler schon wegen der vielen Passanten auf keinen Fall einlassen. Es galt, den Mann vorsichtig in ein Gebiet zu lavieren, in dem er kein Unheil anrichten konnte.

      Josuah Parker ließ sich nach außen hin natürlich nichts anmerken. Gemessen und würdevoll schritt er weiter. Selbst der mißtrauische Camster kam überhaupt nicht auf den Gedanken, daß er bereits von seinem