HUNTER. James Byron Huggins. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Byron Huggins
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354197
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Langem erlebt hatte. Die Weitsicht war enorm geschärft und er erkannte die leichtesten Spuren ohne Vergrößerungsglas. Die entfernten Berghänge waren für ihn kristallklar, während die anderen Ferngläser brauchten. Und er wusste, dass seine Sinne sich weiter schärfen würden, je länger er der Fährte folgte.

      Das war etwas, was manchmal passierte und manchmal nicht. In einem dichten Dschungel, wo man nur auf kurze Entfernung sehen musste, schien seine Sicht sich nie zu verbessern. Aber in der weiten Wildnis, wo es erforderlich war, überlegenen Gesichtssinn zu besitzen, passte er sich normalerweise schnell an. Er hörte Bobbi Jo hinter sich.

      »Was ist das?«, fragte sie.

      »Eine Laubhütte«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Ich habe gelernt, wie man so was macht, als ich noch ein Kind war.«

      »Nicht sehr groß.«

      »Deswegen funktioniert es ja auch.«

      »Wieso?«

      Hunter zuckte die Achseln. »Man baut einen kleinen Kokon aus Blättern und Zweigen, bringt außen etwas Rinde an, damit der Regen abgehalten wird, isoliert es gut, damit es nicht zieht und fertig. Die Körperwärme heizt den Raum auf, die trockenen Blätter halten die Wärme im Inneren. Die Rinde hält die Feuchtigkeit ab. Funktioniert in jeder Umgebung.«

      Sie kniete mit der Waffe in der Hand und betrachtete die Konstruktion. »Aber sie ist nur auf drei Seiten geschlossen. Da wird es schnell kalt in der Nacht.«

      Er warf ihr einen Blick zu und gestikulierte in Richtung Feuer. »Ich erhitze ein paar Steine und lege sie direkt vor den Eingang. Das sollte für heute Nacht reichen.«

      »Deswegen schleppen Sie also keine Ausrüstung mit?« Sie schien mehr Interesse an ihm als an der Konstruktion zu haben. »Weil Sie einfach von dem leben können, was die Natur Ihnen bietet?« Sie lächelte, etwas, das Hunter noch nicht gesehen hatte; das erweckte seine Aufmerksamkeit. Mit einem Lachen fügte sie hinzu. »So ein Tarzan-Ding?«

      Er lachte mit ihr. »Ich nehme an, so könnte man das auch nennen.«

      Ohne Einladung setzte sie sich neben ihn und sah ihm bei der Arbeit zu. »Wo haben Sie das alles gelernt, Hunter? Ich hatte eine professionelle Ausbildung im Dschungel, für geheime Missionen, bei denen auch Frauen an Kampfeinsätzen beteiligt sind, und …«

      »Und wo war das?«, fragte Hunter.

      Sie schwieg einen Moment. »Für die Regierung«, sagte sie ernüchtert. »Nur da lassen sie Frauen für Kampfeinsätze zu.«

      »Beeindruckend«, erwiderte er. »Das respektiere ich.«

      »Tun Sie das wirklich?«

      »Sicher«, fuhr er fort. »Wieso sollte ich nicht?«

      Sie schlang die Arme um die Knie. »Wissen Sie, es kommt mir so vor, als wären Sie jemand, der wenig Respekt vor irgendwas hat.«

      Er lächelte, sah aber nicht in ihre Richtung. »Wieso das?«

      »Oh, ich weiß nicht«, sagte sie vieldeutig. »Beim Briefing haben die uns gesagt, dass Sie hier draußen und auch sonst überall überleben können. Sie sind reich. Berühmt. Sie haben all diese Heilungsmethoden für verschiedene Krankheiten entdeckt und so. Sie haben Villen und Luxuswohnungen, aber Sie leben lieber in der heruntergekommenen Blockhütte. Als brauchten Sie all das schicke Zeug gar nicht.« Sie machte eine Pause. Das Lächeln umspielte immer noch seine Lippen im braun gebrannten Gesicht. »Das haben die uns alles erzählt, aber die konnten meine Fragen nicht beantworten. Also … wozu das Ganze?«, fuhr sie fort und sah ihn eindringlich an. »Wenn Sie nichts dagegen haben, dass ich frage.«

      Er zuckte die Achseln. »Es gibt keinen speziellen Grund. Sie haben recht. Ich brauche das ganze andere Zeug nicht. Und eigentlich auch niemand sonst. Aber ich habe es dabei: Ich benutze es aus gutem Grund.«

      »Sie glauben, das ist ein guter Grund?«

      »Ja«, sagte er und zog leicht die Brauen hoch. »Ja, das tue ich.«

      Stille.

      Bobbi Jo lehnte sich nach vorn. »Was haben Sie vor all dem gemacht?«

      »Den Großteil meines Lebens einfach nur überlebt«, erwiderte er. »Ein alter Trapper hat mir beigebracht, wie man von der Natur lebt, als ich noch ein Kind war. Also bin ich in den Nordwesten gegangen, habe Fährten gelesen, in der Wildnis gelebt. Das ist eigentlich genau wie in der Stadt. Denn alles, was man braucht, um zu überleben, ist um einen herum. Essen, Unterschlupf, Nahrung. Ein Mann kann hierherkommen, mit nichts anderem als einem Messer und einer Axt, und sich ein Zuhause schaffen.« Er lachte. »Nicht sehr clever, aber es ist möglich. Dieser Ort hier ist sehr viel unwirtlicher als alle anderen, die ich gesehen habe. Ein raues Land auf jeden Fall.«

      »Ich glaube wirklich, dass Sie mehr brauchen, als nur ein Messer.«

      Hunter drehte den Kopf. »Wirklich?«

      »Ja, ernsthaft.« Sie zeigte auf ihren Rucksack. »Das ist mein Gepäck, und da ist nur das reine Minimum drin, um in dieser Gegend zu überleben. Und ich glaube, ich weiß, was ich tue. Ich kann fast überall überleben, aber ich brauche alles, was in dem Rucksack ist.«

      »Wie ein Zelt?« Hunter lächelte.

      Bobbi Jo sah sich die Konstruktion an, die er in weniger als einer Stunde aufgebaut hatte. Sie wirkte absolut solide, und egal, was sie gesagt hatte, sie glaubte, sie war genauso warm, wie alles, was sie selbst mitgebracht hatte.

      Er fuhr fort: »Sie meinen, wie all das Essen, das Sie mitschleppen?« Er zeigte auf etwas. »Sehen Sie diesen Baum?«

      »Ja, ich sehe ihn.«

      »Das ist eine Weiß-Eiche. Und eine Handvoll dieser Eicheln, selbst die auf dem Boden, verschaffen Ihnen mehr Protein als ein 300-Gramm-Steak. Sie sind nicht sehr bitter und man kann sie roh essen. Und da drüben« – er zeigte zur Seite – »ist ein wenig Portulak. Graben Sie die Wurzelknollen aus und kochen Sie sie wie Kartoffeln. Die versorgen Sie mit Vitaminen und Mineralstoffen.« Er redete weiter, während er arbeitete, ohne aufzusehen. »Wir sind von Tamarack-Lärchen umgeben. Schneiden Sie die Sprösslinge ab. Die sind genauso gut wie jedes Gemüse und schmecken sogar besser. Und man kann die Äste für einen Feuerbogen verwenden. Auf der anderen Seite der Lichtung ist Wintergrün. Eine Pflanze.«

      »Ja, danke. Ich weiß, was das ist.«

      Mit einem geduldigen Lächeln fuhr er fort. »Nun ja, man kann Wintergrün kochen und mit den Blättern einen Tee zubereiten, der Fieber besser senkt, als alles, was man in einem Krankenhaus bekommt. Es hilft gegen Halsweh, und der Tee enthält jede Menge Vitamine.« Er zuckte die Achseln. »Und so weiter und so fort. Sie sind von einer Apotheke umgeben und all der Nahrung, die Sie je brauchen werden. Und wenn Sie Kleidung benötigen, gibt es genügend Stellen für Fallen, Totschlagfallen, Schlingen. Wir sind an hunderten Fährten, Wildpfaden und Höhlen vorbeigekommen, also gibt es jede Menge Nahrung. Und man kann sie leicht mit der Hand fangen, wenn man weiß, wie. Und es wimmelt hier von Fischen, für die ich bereits eine Reuse gebaut habe. Am Morgen, während Sie Ihre Fertignahrung zubereiten, brate ich ein paar Forellen und esse sie. Oder ich verspeise sie einfach roh. Ist egal. Was Ihnen und den Jungs da im Weg steht, ist – Sie versuchen, die Natur zu besiegen, statt sie zu nutzen.«

      Bobbi Jo schwieg, aber sie hatte ihn kritisch beäugt, während er redete.

      Dann war er fertig und stand auf, umrundete langsam seine Lagerstätte. Er rüttelte mit der Hand daran: Sie war stabil und würde ihn in der Nacht warmhalten.

      Er kniete sich hin, fischte drei große Steine aus dem Feuer, platzierte sie in der Nähe des Eingangs und bedeckte sie leicht mit Erde. Er schien von der Arbeit nicht erschöpft; es war, als hätte er dieses Leben schon so lange gelebt, dass sein Körper die Bewegungen vollautomatisch ausführte. In seinem Gesicht stand nur mühelose Konzentration; eine Geradlinigkeit der Bewegungen, die aus reiner Stärke und Geduld geboren war, gesteuert von einem disziplinierten Geist.

      »Sie sind tatsächlich so eine Art Tarzan, oder nicht?«, fragte Bobbi Jo leise. Sie schüttelte den blonden Kopf,