Hunter sprach leise. »Wegen der Flanken müssen wir uns im Moment keine Sorgen machen.« Seine Augen waren die ganze Zeit auf die Dunkelheit vor ihm gerichtet. »Es wird uns hier nicht aus dem Hinterhalt angreifen. Es bewegt sich schnell und schaut nicht einmal zur Seite.«
Sie sah ihn an. »Das ist es, was Ihnen Sorgen macht?«
»Weil es das normalerweise nicht tut.«
»Wieso nicht?«
Hunter beugte sich nach unten und betrachtete den Boden. Er sah die Stelle, an der ein Abdruck etwas tiefer war, fast die obere Erdschicht durchstoßen hatte. Das Trittsiegel zeigte deutlich, dass die Kreatur eine plötzliche, explosive Bewegung nach rechts gemacht und sich fast mitten in der Luft gedreht hatte.
Hunter streckte die Hand aus, erspürte das Alter der Spur, während er unterbewusst eine Myriade an Gerüchen wahrnahm: Farn, verrottende Vegetation, Kiefer, Schimmel, Gärung, ein roher Tiergeruch und etwas anderes – etwas schweres, bewegungsloses, feuchtes. Es war ein Geruch, den er aus einem Leben, das größtenteils in der rauen Wildnis stattfand, nur zu gut kannte.
Er sah nach unten. »Ghost, bleib hier.«
Der große Wolf hielt mitten im Schritt inne, aber die brennenden, schwarzen Augen fixierten stets den dichten Wald vor sich und sein Körper blieb angespannt. Langsam drehte sich Hunter zu Bobbi Jo. »Bleiben Sie bei Ghost. Sagen Sie den anderen, sie sollen die Position halten.«
Sie spannte sich an, als wäre sie bereit für den Kampf. Der Lauf ihrer Barrett hob sich. »Was haben Sie vor?«
Hunter war bereits auf dem Weg, er ging steil nach rechts. Als er sich zwischen zwei riesigen Farnen in das Unterholz schob, flüsterte er ihr über die Schulter zu: »Hier ist etwas gestorben. Ich werde herausfinden, was es war.«
Sie wischte eine Locke aus ihrem Gesicht und sah wieder in seine Richtung.
Aber er war verschwunden.
Obwohl Bobbi Jo ein Handzeichen gab, alle sollten Position halten, schlich Takakura heran und ging neben ihr in die Knie. Mit gerunzelter Stirn starrte der große Japaner suchend ins Blattwerk. Die schmalen, schwarzen Augen zeigten entschlossene Konzentration, als Bobbi Jo einen Blick zur Seite warf. Offenbar war der Commander an Kampfeinsätze gewöhnt. Seine Stimme klang ruhig und kalt.
»Was ist los, Bobbi Jo?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab keine Ahnung.«
Takakura warf dem Wolf einen Blick zu, aber der war in drei Sekunden lautlos verschwunden gewesen. Er war noch da, als er in die Knie gegangen war und nun war er weg; geräuschlos, unsichtbar. Das von Disziplin geprägte Gesicht des Japaners zeigte keine Überraschung. »Der Wolf … er ist … wie …«
»Ein Geist?«, sagte Bobbi Jo, und auch wenn die Bemerkung passte, wie die Faust aufs Auge, lächelte sie nicht.
Sie war mit jeder Faser ihres Körpers, Emotion, Intellekt und Wille, allein auf die formlose Dunkelheit konzentriert – die gestaltlose Bedrohung –, die hinter der grünen, moosbewachsenen, dunklen Wand aus dichtem Farn lauerte. Dann neigte Takakura den Kopf, die Stirn leicht in Falten gelegt, in Richtung der zunehmenden Dunkelheit. Er nahm sich eine Sekunde, um das Team zu beobachten, das lautlos in Stellung gegangen war, und nickte. Er hielt es wohl für ausreichend einsatzbereit.
»Was hat Hunter gesagt, als er gegangen ist?«, flüsterte er.
»Er sagt im Allgemeinen gar nichts, wenn er loszieht.«
Takakura schien einen Moment darüber nachzudenken und mehr aus dieser Information herauszulesen. Er musste sich nicht anstrengen, um zu wissen, welche Art von Mann sie anführte.
»Er ist ein harter Kerl«, murmelte er. »Er hat etwas in sich, das ihn antreibt, aber selbst unbewegt bleibt.« Er machte eine Pause. »Wie lange glaubst du, dass er wegbleibt? Unter dem Laubwerk ist es nicht mehr lange hell.«
Sie zögerte, schüttelte den Kopf. »Bei ihm kann man nie wissen. Manchmal bewegt er sich eine Stunde lang gar nicht. Er studiert nur das Terrain. Dann ist wieder so schnell, dass man ein halber Wolf sein muss, um mitzuhalten.«
Takakura knurrte. »Das hab ich auch schon mitbekommen.«
»Er kommt wieder, wenn er sich sicher ist«, fügte sie hinzu und bewegte den Kopf mit mechanischer Präzision, um alles im Blick zu behalten. »Was ich über ihn weiß, ist, er macht keine Fehler. Er sagt, es dauert zu lange, umzukehren und eine Fährte wiederaufzunehmen, wenn er danebenliegt.«
»Der Wolf, er hilft ihm.«
»Ja.« Bobbi Jos Hände packten die Waffe fester, als sie ein leises Rascheln hörte. Sie wartete; vielleicht nur ein fallender Ast. »Ghost hilft ihm. Oder er hilft Ghost. Das eine oder das andere. Wie auch immer, sie arbeiten zusammen.«
»Das habe ich gesehen. Wie lange, glaubst du, bevor wir diese Kreatur ins Visier nehmen können?«
Ihre Stimme war leiser.
»Vermutlich schneller als es uns lieb ist, Commander.«
Niedergemetzelt und ausgeweidet lag der riesige, braun-schwarze Kadaver mit hervorstehenden, weißen Rippen im düsteren Zwielicht vor Hunter.
Er stand bewegungslos, sah, wie groß der Grizzly war, und schätzte ihn auf fast eine halbe Tonne. Die glänzenden schwarzen Klauen am Ende der unglaublich massigen Vorderbeine lagen still. Die Fänge waren in einem eingefrorenen Brüllen erstarrt. Die offenen Augen glasig durch den gewaltigen Hieb, der ihm plötzlich und unerwartet den Tod gebracht hatte.
Beim Durchstreifen der Umgebung fand Hunter leicht die Abdrücke der Bestie mit den Klauen, die sie hinterließ, nachdem sie den Grizzly getötet hatte. Nahezu sofort war ihm klargewesen, was passiert war, aber er hatte sich sorgfältig umgesehen, um sicherzustellen, dass das Ding, was immer es sein mochte, nicht in der Nähe des toten Grizzlys auf der Lauer lag, wie es ein Tiger tun würde. Überall fand er Grizzlyspuren, halb abgegraste Büsche und zertrampelte Beerensträucher. Dann, nachdem er sicher war, dass er und das Team allein waren, hatte Hunter vorsichtig die Richtung gewechselt und war zurückgegangen, um den Kadaver zu untersuchen.
Hunter sah deutlich anhand der überlagerten Spuren, dass es ein heftiger Kampf gewesen war. Nicht lange, sicher, aber heftig – eindeutig eine Konfrontation zweier Kreaturen, die beide über entsetzliche Kraft verfügten. Und einen Moment erinnerte sich Hunter an die zwei sibirischen Tiger, die sich bis zum Tod bekämpft hatten, während er ihnen ausgewichen war. Es hatte ihm bestätigt, je stärker die Gegner, desto kürzer der Kampf.
Der Grizzly, der normalerweise zögern würde, eine Kreatur gleicher Größe anzugreifen, hatte sich erbittert gewehrt. Seine Klauen waren mit getrocknetem Blut verkrustet, was Hunters Verdacht bestätigte, den er anhand des Blattwerks in der näheren Umgebung gehegt hatte: Die Kreatur, die er verfolgte, konnte tatsächlich verletzt werden und war verletzt worden. Das beruhigte ihn in gewisser Weise.
Nein, dachte er bei sich, es war nicht unmöglich, es zu töten.
In unwirklicher Stille beugte sich Hunter nach unten und erstarrte. Dann zog er sein Messer, um die Wunden des Bären zu inspizieren, als er ganz in der Nähe etwas hörte, nicht lauter als ein Vogel, der die Flügel einklappt.
Er horchte auf die sich fast lautlos nähernden Schritte und wusste, was es war, bevor er den Kopf schüttelte, lächelte und sich umdrehte. Ins Zwielicht starrend, wartete er, aber er hörte keine weitere Bewegung. Dann, leise, mit einer Stimme, die kein Mensch gehört hätte und wenn er nur zehn Zentimeter entfernt gestanden wäre, sprach er in die Dunkelheit.
»Ghost. Komm her, Junge.«
Eine Sekunde später zerteilten ein Paar glänzend schwarzer Augen und ein riesiger Schädel