HUNTER. James Byron Huggins. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: James Byron Huggins
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354197
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Lichtung sah. Allein an Hunters Anblick schien er zu erkennen, dass hier kein Kampf auf ihn wartete.

      Hunter lächelte und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich wieder dem ausgeweideten Kadaver des Grizzlys zu, um ihn genauer zu untersuchen. Die Eingeweide, Leber und das Herz waren weg. Und die übel zugerichtete, massige Brust schien weniger aufgeschlitzt worden zu sein, als aufgerissen, wie in einer teuflischen, mörderischen Raserei. Dann untersuchte Hunter den Hals und Kopf des riesigen Bären und fand eine breite Stelle, an der der zentimeterdicke Schädel eingedrückt war. Vorsichtig ließ er die Hand über die Vertiefung gleiten und ein Stück durch den dichten Pelz, der fast wie eine Rüstung wirkte, bevor er sich sicher war.

      Ein Teil des Grizzlyschädels war regelrecht pulverisiert worden. Die Stelle war größer als die Faust eines Menschen und Hunter fühlte Knochensplitter unter den tastenden Fingern, bevor er sich zurücklehnte und verwundert, nahezu ungläubig, den Kopf schüttelte.

      Hunter war an den Tod gewöhnt; das war Teil der Wildnis, Teil seines Lebens. Und er selbst konnte effizient und emotionslos töten, wenn es nötig war. Besäße er nicht diese Disziplin, den Willen und die Fähigkeiten, dann hätte ihn der Wald schon lange umgebracht. Am Ende überlebte immer der Stärkste.

      Er wusste, dass ein Grizzly alles fraß, um sein gewaltiges Gewicht zu halten, Pflanzen, Tiere, Fische, Rinde und selbst verrottetes Fleisch. Er hatte auch keinerlei Nachteile durch diese Ernährung. Grizzlys waren, schlicht gesagt, riesige Müllschlucker. Deswegen griffen sie selten große Tiere an; sie brauchten eben nicht solche Fleischmengen, wenn es im ganzen Wald genug für sie zu fressen gab.

      Er streckte die Hand mit dem Bowiemesser aus und machte einen großen Einschnitt in den Magen. Er drehte den Kopf zur Seite, um die Dämpfe nicht einzuatmen, und zog akribisch fünf Handvoll halb verdauter Beeren und die zerkleinerten, grätenstarrenden Überreste von sechs Fischen heraus, die alle in den letzten 24 Stunden verzehrt worden waren.

      Der Bär hatte sich offensichtlich vollgestopft, wie es Bären gern im Spätsommer und Herbst taten, um die dicken Fettschichten aufzubauen, die sie im Winterschlaf und dem harschen Klima ernährten.

      Hunter wusste, dass er noch zwei Monate so gut wie alles fressen würde, bevor er sich zum Winterschlaf legte, der im Grunde wenig mehr als ein langer und oft unterbrochener Schlummer war. Selbst mit den schützenden Fettschichten würde er täglich aufwachen und in seiner Höhle herumlaufen, um sich aufzuwärmen. Oft putzten sie sich oder starrten sogar stundenlang hinaus in den Schnee, um die Langeweile zu vertreiben. Sie warteten und suchten nach den ersten Anzeichen des Frühlings. Und sie ertrugen stoisch den Hunger, während der Körper das Fett verbrauchte, um zu überleben.

      Hunter wusste, was für ein Hieb das Biest vermutlich getötet hatte, auch wenn es schwer zu glauben war. Und trotz seiner mutigen Entschlossenheit wurde es ihm eng ums Herz. Die Haut fühlte sich eisig an und die Haare auf den Armen und im Nacken richteten sich auf.

      Er hatte die ganze Zeit versucht, die Stärke dieser Kreatur einzuschätzen, aber bisher war er auf nichts gestoßen, was dem hier nahekam. Das war monströs. So etwas hatte er nie zuvor gesehen oder sich vorstellen können. Was immer das getan hatte, besaß keine natürlichen Feinde. Was das angerichtet hatte, stand an der Spitze der Evolution. An dieser Spitze waren Menschen einfach nur Nahrung; ein kümmerliches, sterbendes Ding.

      Er hob den Kopf, ohne den Rest des Körpers zu bewegen, starrte in den Wald und suchte, wohlwissend, dass er nichts entdecken würde. Tief im Inneren machte sich eine Angst breit, die er oft verspürt hatte, aber dieses Mal gesellte sich etwas anderes dazu. Etwas, das er nicht akzeptieren oder anerkennen wollte, denn er wusste, es würde ihn schwächen.

      Hunter stand langsam auf, die Stirn unter der wilden, schwarzen Mähne in Falten gelegt, während sein Blick kälter und finsterer wurde, so lange, bis er undurchdringlich war, wie der eines Leoparden, der die Muskeln für den Angriff spannt. Ein Instinkt, dem er vor Ewigkeiten gelernt hatte, zu vertrauen, sagte ihm, der Kampf stand kurz bevor und gab es keinen Ausweg. Ein Instinkt, der sich nie als falsch erwiesen hatte.

      Dann spürte er Ghost neben sich, die breiten Schultern reichten ihm fast bis an die Hüfte.

      »Lass uns gehen, Junge.« Hunter kraulte dem Wolf den Nacken. »Wir haben ein paar schlechte Neuigkeiten für unsere Freunde.«

      Takakura schien unbeeindruckt.

      Er hielt seine MP-5 in der kräftigen Hand und betrachtete den abgeschlachteten Bären. Sein Gesicht zeigte nur Trotz und Entschlossenheit. Er stand lange schweigend da, während Hunter beschrieb, was offensichtlich passiert war.

      »Der Bär kam aus dem Unterholz, wie sie es im Allgemeinen tun«, fuhr Hunter zögernd fort. »Er war vermutlich überrascht. Verteidigte sich bloß. Aber die Kreatur bewegte sich schneller.« Er zeigte von einer Stelle im Unterholz auf den Kadaver des toten Grizzlys. »Sie haben hier angefangen und nicht nachgelassen. Und es war vermutlich ein harter Kampf. Keiner hat aufgegeben und sie haben einen Menge Hiebe ausgeteilt. Der Bär hat es, glaube ich, verwundet, denn ich habe sein Blut an den Bäumen gefunden. Aber hier hat das Ding ihn zu Boden gerungen, die Oberhand gewonnen und ihm auf den Kopf geschlagen. Hat den Schädel wie eine Grapefruit zerquetscht. Dann das Herz rausgerissen.«

      Takakura sah hoch. »Ihm das Herz rausgerissen?«

      Eine bedeutungsschwangere Stille.

      »Das war nur zum Vergnügen, Commander.« Hunter wirkte ausdruckslos. »Es hatte ihn bereits getötet.«

      Schweigend sah Takakura den Rest des Teams an.

      Dann murmelte Tipler, der vom Rand der Lichtung kam, fast lautlos: »Verdammt seltsam, muss ich sagen … ja, sehr seltsam …«

      »Was ist los, Professor?«, fragte Hunter und versuchte seine Niedergeschlagenheit über die jüngste Entwicklung zu verbergen.

      »Das hier, mein Junge«, sagte Tipler interessiert, als er sich über den Kadaver neigte. Er hob einen kurzen Stock auf und zeigte auf die Wunden vorn an den gewaltigen Schultern des Grizzlys. »Das«, murmelte er, »sind Griffspuren, mein Junge. Keine Spuren von Hieben. Was bedeutet …«

      Hunter starrte einen Moment darauf, seine Augen verengten sich. Unter dem panzerartigen Fell des Grizzlys war ihm nicht aufgefallen, wie verschieden die Wunden an den Schultern waren. »Ja«, murmelte er, sein Interesse durch die scharfsinnige Beobachtung entfacht. »Ja, ich weiß, was das heißt.«

      »Nun, fühlen Sie sich bloß nicht verpflichtet, es dem Rest von uns zu erklären«, sagte Taylor und trat vor. »Wir könnten ja nur unser Leben dabei verlieren.«

      Tipler fuhr fort und wurde immer aufgeregter, während er seine Beobachtung bestätigt sah. »Ja, ja, seit zehntausend Jahren hat es keine Bestie gegeben, die so getötet hat. Nicht seit dem Smilodon.« Er zeigte auf etwas und wandte sich an die Gruppe. »Sehen Sie! Es war auf dem Rücken des Bären« – mitgerissen von dem Drama, hob er die Hände wie Klauen – »hat sich an den Schultern festgehalten, die Klauen ins Fleisch gebohrt und seinen Hals von hinten aufgerissen! Und dann hat es ausgeholt und zugeschlagen, um ihm den Schädel zu zertrümmern! Erstaunlich! Welche Kraft! Etwas Ähnliches habe ich noch nie gesehen! Ein Smilodon hätte seine Fänge genutzt, die aufschlitzen und fixieren konnten, um es zu töten und nicht loszulassen. Aber diese Kreatur musste eine Art Hammerschlag benutzen« – er bremste sich ein wenig in seiner Begeisterung – »was uns zeigt, dass Fänge oder andere tierische Attribute, die es eventuell besitzt, nicht geeignet oder ausreichend sind für eine solche körperliche Auseinandersetzung. Aber es verfügt über eine Stärke, die nicht im Verhältnis zu seinem Gewicht steht, das wir ja schon kennen. Seltsam, wirklich.« Er schwieg einen Moment und sah zu Boden. »Das wird noch rätselhafter, aber die Raserei dieser Kreatur verrät einiges. Nein, das ist kein Tiger und auch kein Wesen mit den normalen Eigenschaften eines Raubtieres. Aber wir sollten uns dennoch fürchten. Seine besten Waffen sind zwar vielleicht konventionell, aber trotzdem tödlich.«

      Taylor murmelte: »Nun, wieso verleihen wir ihm dann nicht einfach einen beschissenen Orden?«

      Takakura drehte den Kopf. »Taylor«, sagte er tadelnd. Dann an den Professor