Erika Roman Staffel 1 – Liebesroman. Diane Meerfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diane Meerfeldt
Издательство: Bookwire
Серия: Erika Roman Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931070
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Onkel, es ist etwas ganz anderes.«

      Franz Kammermaier setzte sich erst einmal. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Es war eine ganz andere Krankheit, oder besser gesagt, es war überhaupt keine Krankheit, die Inge so blaß und elend aussehen ließ.

      Hatte sie ihm vorhin nicht erst von ihrer großen Liebe erzählt? Es mußte da eine Enttäuschung, eine sehr große Enttäuschung gegeben haben. Inge war unglücklich, das war es.

      Und damit war der Onkel schon wieder halb beruhigt. Nein, einen Arzt brauchte er nicht mehr zu rufen, der konnte hier auch nicht helfen. Das mußte Inge ganz allein schaffen. Und sie würde es schaffen, davon war er fest überzeugt. So ein prächtiges Mädel ließ sich nicht unterkriegen.

      Und er wollte auch nichts weiter fragen, das würde ihren Schmerz nur vergrößern. Beinahe empfand er so etwas wie eine Genugtuung, daß es nun gar keinen anderen Mann gab, keinen, der sie so einfach an sich ziehen und küssen konnte.

      Kammermaier nahm sich fest vor, ihr in diesen Tagen viel Freude zu bereiten, sie wie seine eigene Tochter zu verwöhnen, mochte Magdalene denken, was sie wollte. Sie kannte ja die schweren seelischen Depressionen ihrer Tochter nicht, wußte nicht, in welchen inneren Nöten sich diese befand.

      Aber er wußte es, er, Franz Kammermaier.

      Und da sagte man immer, daß Männer davon nichts verstünden, daß die Seele der Frauen ihnen auf ewig unverständlich bleiben müßte.

      Er verstand Inge.

      »Am besten wird es sein, wenn du noch eine von meinen Tabletten nimmst«, sagte er jetzt fürsorglich. »Es scheint mir wirklich am besten zu sein, wenn du noch ein paar Stunden schläfst. Du hast schon recht, Schlaf ist der beste Arzt. Ich sage der Mutter schon Bescheid, wir werden eben allein ausfahren.«

      Inge nickte apathisch.

      Der Onkel suchte wieder in seinen Taschen. Auch diesmal dauerte es lange, bis er die richtige Schachtel gefunden hatte. Behutsam, als verschenke er einen Schatz, nahm er mit spitzen Finger eine der kleinen weißen Tabletten heraus und reichte sie Inge.

      »Du kannst sie so nehmen wie ein Bonbon, brauchst nichts nachzutrinken.«

      Inge steckte die kleine Kapsel in den Mund, aber sie schluckte sie nicht herunter. Nein, sie wollte nicht schlafen. Für sie gab es nach wie vor nur eins: So schnell wie möglich wollte sie das Haus verlassen.

      Der Onkel nickte ihr noch einmal gütig zu, dann ging er auf Zehenspitzen hinaus.

      Am liebsten hätte Inge ihn zurückgehalten, sich an seine breite Brust geworfen und ausgeweint. Aber es ging nicht, nein, sie mußte alles mit sich ganz allein abmachen, und das war so schwer, so unendlich schwer.

      Als unten der Wagen die Auffahrt verließ und in die Straße einbog, blickte Inge durch die Gardinen.

      Das also war der Abschied. Sie würde beide nicht wiedersehen, weder den Onkel noch die Mutter. Seltsam, daß sie dabei im Augenblick gar nichts empfand.

      Was hatte sie nun noch zu tun? Wenn sie sich recht entsann, dann fuhr in etwa einer Stunde der Kölner D-Zug durch, ihn mußte sie erreichen. Wo war überhaupt ihr Sparbuch? Das mußte ihr doch über die ersten Wochen hinweghelfen, bis sie eine Anstellung hatte. Das Sparbuch befand sich noch zwischen anderen Papieren im Schreibtisch. Auch diese Papiere brauchte sie sicher. Ein Reisepaß war dabei. Vielleicht fand sie im Ausland eine Beschäftigung, sie sprach perfekt Französisch und Englisch, damit kam man schon weiter.

      Nun ging alles sehr schnell. Inge kam kaum noch zum Nachdenken. Als die Koffer fertig gepackt und abgeschlossen waren, ging sie in den Garten hinunter. Dort hatte sie den Hausdiener Fritz gesehen. Sie winkte ihn zu sich heran.

      »Nehmen Sie sich in der nächsten Stunde nichts vor, Fritz, Sie müssen mich zur Bahn bringen!«

      »Sehr gern, gnädiges Fräulein«, sagte Fritz. Dann jedoch stutzte er. »Zur Bahn? Wollen gnädiges Fräulein denn schon wieder verreisen?«

      »Ja«, antwortete Inge, aber sie konnte den alten treuen Hausdiener dabei nicht ansehen.

      »Und wir haben uns alle so gefreut, daß Sie wieder zu Hause sind, gnädiges Fräulein.«

      Inge hatte sich schon abgewandt. Jetzt erst wurde ihr richtig bewußt, welchen Trennungsstrich sie ein für allemal ziehen wollte. Alles gab sie auf: ihr Zuhause, die Freunde, die Mutter – ja, auch die Mutter. Draußen in der Fremde würde sie noch einsamer sein.

      Abschiedsschmerz befiel sie. Als sie jedoch oben in ihrem Zimmer die zerknüllte Zeitung mit dem Bild Dr. Sörensens sah, trat der alte gejagte und gehetzte Ausdruck wieder in ihre Augen.

      Sie mußte fort, fort, fort!

      *

      Stunden später kamen Magdalene Gräfenhan und Franz Kammermaier von ihrer Kaffeefahrt zurück. Der Diener Fritz öffnete den Schlag, als der Wagen vorgefahren war.

      »Das gnädige Fräulein lassen noch recht herzlich grüßen«, sagte er.

      Verständnislos sah die Herrin ihn an. Fritz schien alt zu werden, manchmal redete er wirklich schon unverständliches Zeug.

      »Das gnädige Fräulein hat den Zug noch bekommen«, sagte Fritz, als er die Verwunderung in den Augen der Frau sah.

      Heftig wandte diese sich jetzt dem Oberregierungsrat zu.

      Der blickte sie entsetzt an. Dann drehte er sich hastig um und eilte in das Haus hinein. Magdalene folgte ihm ohne ein weiteres Wort. Auch sie hatte in diesem Augenblick jede Beherrschung verloren.

      Es war etwas geschehen. Etwas Unvorhergesehenes war eingetreten. Den ganzen Tag über hatte sie es geahnt, nur nicht darauf geachtet. Es widerstrebte ihrem aufgeklärten Sinn, auf Ahnungen etwas zu geben.

      Fritz sah den beiden kopfschüttelnd nach. Das sah ja ganz so aus, als wenn das gnädige Fräulein geflohen war! Mein Gott, was würde Wanda dazu sagen, der mußte er es gleich erzählen. Sie waren doch beide ein halbes Menschenalter in diesem Haus. Nun war es anscheinend abermals zu einer Katastrophe gekommen. Damals war der Mann fortgelaufen, jetzt die Tochter.

      Was mochte es nur gegeben haben? Das arme gnädige Fräulein!

      Franz Kammermaier hatte Inges Zimmer erreicht, jetzt stieß er die Tür auf.

      Das Zimmer war leer.

      Schnaufend blieb der Onkel stehen. Da fiel sein Blick auf den zierlichen Damenschreibtisch. Dort lag ein Bogen Papier, er war beschrieben.

      Eilig suchte Kammermaier nach seiner Brille. Was lag denn hier noch? Eine Zeitung.

      Jetzt hatte er sich die Brille auf die Nase geschoben. Als erstes sah er das Abbild Dr. Sörensens.

      Wie kam diese Zeitung hierher, und was hatte das zu bedeuten?

      Heiß lief es Kammermaier über den Rücken. Er war es doch gewesen, der Inge von der Existenz dieses Dr. Sörensen erzählt hatte. Ja, er hatte ihr sogar geraten, die alten Zeitungen durchzusehen, weil darin ein Bild von ihm sein mußte und sie auf diese Art einen Eindruck von ihrem zukünftigen Stiefvater bekommen konnte.

      Er verwünschte jetzt seine Geschwätzigkeit.

      Er selbst war also schuld, daß Inge nun davongelaufen war. Sie war eben doch noch ein halbes Kind und konnte es einfach nicht ertragen, einen neuen Vater zu bekommen.

      Und da hatte er gedacht, es wäre Liebeskummer gewesen, der sie so elend machte. Ganz falsch war diese Annahme, ganz falsch.

      Hier lag doch der Beweis. Ja, die Zeitung war ein eindeutiger Beweis. Inge konnte nicht darüber hinwegkommen, daß ihre Mutter noch einmal heiraten wollte.

      Franz Kammermaier legte die Zeitung nicht wieder auf die Schreibtischplatte zurück, sondern er steckte sie hastig in seine Rocktasche. Er fürchtete die Vorwürfe Magdalenes.

      Sie trat gerade ein. Mit einem erschreckten Aufschrei eilte sie durch den Raum, riß die Tür zum benachbarten Badezimmer auf. Dann lief sie zum Balkon,