Erika Roman Staffel 1 – Liebesroman. Diane Meerfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diane Meerfeldt
Издательство: Bookwire
Серия: Erika Roman Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931070
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den sie ihn kennengelernt hatte. Er konnte die Mutter doch gar nicht heiraten. Sie war doch viel älter als er.

      Aber sah sie nicht noch sehr jung und sehr schön aus? Hatte sie, Inge, das nicht gerade erst festgestellt? Und was bedeutete der Altersunterschied schon bei Menschen, die ein großartiges Leben zu führen gewohnt waren?

      Und dann blieben ja auch noch all die anderen Tatsachen. Es gab keinen Zweifel mehr, Dr. Sörensen hatte an ihrer Liebe Verrat begangen.

      Sie durfte ihn nicht wiedersehen, niemals durfte sie ihn wiedersehen.

      Und darum mußte sie fort, es gab keine andere Wahl.

      Doch wohin sollte sie gehen?

      Sie hatte die Frage noch nicht zu Ende gedacht, als ihr schon der Mensch einfiel, dem sie als einzigem noch Vertrauen schenken konnte, Tante Dora.

      Zu ihr wollte sie zurückkehren, heute noch.

      Und was sollte sie dort? Sie konnte doch nicht immer und ewig der Tante auf der Tasche liegen!

      Gewiß, in einigen Monaten war sie volljährig. Die Großeltern hatten ihr einen Teil des Vermögens direkt vermacht mit der Einschränkung, daß sie erst nach Erreichung des einundzwanzigsten Lebensjahres darüber verfügen durfte.

      Darauf brauchte sie gar nicht zu warten. Sie hatte doch etwas gelernt, so ganz nutzlos war die Internatszeit nicht gewesen. Sie hatte kaufmännische Kurse absolviert und Sprachen gelernt. Sie war von niemandem abhängig, wenn sie das wollte.

      Nein, zu Tante Dora würde sie nicht fahren, auch vor ihr schämte sie sich. Nun hatten plötzlich alle Menschen recht, die sie am liebsten den ganzen Tag über zu Hause sehen wollten. Nun würde jeder sagen, daß sie leichtsinnig gewesen wäre, daß sie nun die Strafe dafür erhalten hätte. War es denn wirklich ein Verbrechen, jemanden liebzuhaben?

      Inge lief in ihrem Zimmer auf und ab. Gleich würde der Onkel sie herunterrufen, dann sollte die Spazierfahrt beginnen. Sie mußte ein fröhliches Gesicht machen. Niemand durfte ihr anmerken, wie es in ihrem Innern aussah.

      Nein, das ertrug sie nicht. Sie würde nicht mitfahren, mochten sie von ihr denken, was sie wollten. Sie mußte mit sich ins reine kommen, ganz allein. Es half ihr niemand dabei.

      Plötzlich mußte sie an den Vater denken. War es ihm nicht vielleicht genauso ergangen wie ihr jetzt? Hatte er nicht ebenfalls eines Tages vor der Frage gestanden, was nun geschehen sollte? Auch er mußte dieses Haus verlassen, und Inge war in diesem Augenblick der Überzeugung, daß er daran nicht einmal die Schuld trug. Sie fühlte sich ihrem Vater verbunden wie lange nicht mehr.

      Langsam keimte die Sehnsucht in ihr auf, diesen Vater wiederzusehen. Stärker und stärker wurde der Wunsch, zu ihm zu fahren. Er würde sie verstehen, er ja.

      Inge wußte kaum noch, was sie tat. Sie ging auf den Flur hinaus. Drüben in der kleinen Bodenkammer standen die Reisekoffer. Erst gestern waren sie dort hineingestellt worden. Nun trug sie sie wieder in ihr Zimmer zurück.

      Hastig begann sie, Wäsche und Garderobe aus dem Schrank zu nehmen. Auch nach den Wintersachen suchte sie. Sie würde lange fortbleiben, wahrscheinlich für immer.

      Dann ging sie zum Schreibtisch. Es gab so viele ihr lieb gewordene Kleinigkeiten, die sie so gern mitnehmen wollte. Viele schöne Erinnerungen hingen daran.

      Als sie eines der flachen Fächer aufzog, fiel ihr Blick auf das Kästchen mit Eberhards Briefen. Ein Schluchzen stieg in ihr auf, aber tapfer kämpfte sie es nieder. Sie mußte sich jetzt fest in der Hand behalten, durfte sich nicht gehen lassen. Er war es ja nicht wert, daß sie ihm auch nur eine einzige Träne nachweinte.

      Nur finden sollte die Briefe hier niemand.

      Sie nahm sie heraus. Aber wohin sollte sie damit? Wenn sie sie lediglich zerriß und in den Papierkorb warf, würde man sie finden. Warum fürchtete sie sich eigentlich davor? Sollte die Mutter nicht wissen, welchen Mann sie zu heiraten gedenkt?

      Und dann hatte sie die Briefe schon in ihren Koffer gelegt. Ich werde sie später vernichten, nahm sie sich vor. Sie wußte in diesem Augenblick schon, daß sie alle noch einmal lesen würde. Es mußte doch darin irgendwelche Anhaltspunkte geben, die sie wenigstens noch nach­träglich verstehen ließen, warum sie so blind gewesen war.

      Sie hörte, wie von draußen Schritte auf ihre Zimmertür zukamen und erschrak heftig. Der Onkel mußte es sein. Was würde er sagen, wenn er ihre Reisevorbereitungen entdeckte?

      Mit ein paar Schritten war sie an der Tür, sie wollte dem Onkel zuvorkommen und trat auf den Gang hinaus.

      »Da bist du ja schon, Inge. Können wir nun endlich losfahren? Wie kann man nur so lange Mittagsruhe halten. Es ist so herrlich draußen. Bist du fertig? Dann komm gleich mit herunter.«

      »Ich kann nicht, Onkel.«

      »Du kannst nicht?« fragte Franz Kammermaier verwundert. Er blickte Inge an. Sein Gesicht nahm dabei einen erschreckten Ausdruck an. »Wie siehst du denn aus? Bist du krank? Ja, du mußt krank sein. Hat denn die Tablette nicht geholfen?«

      »Nein, Onkel, sie hat mir nicht geholfen, ich fühle mich sehr elend.«

      »Das sehe ich, das sehe ich, wir werden einen Arzt rufen müssen. Ich will es sofort der Mutter sagen. Mein Gott, Kind, mach uns nur keinen Kummer.«

      »Es wird nicht so schlimm sein, Onkel. Nur muß ich leider darauf verzichten, euch zu begleiten.«

      »Wir werden dann selbstverständlich auch zu Hause bleiben. Du glaubst doch nicht, daß wir uns amüsieren, wenn du krank im Bett liegst.«

      »Das wäre falsche Rücksichtnahme, Onkel, bitte, fahrt nur, ich werde am schnellsten gesund, wenn man mich allein läßt. Ich schlafe mich gesund, das ist immer so.«

      Kopfschüttelnd drehte Franz Kammermaier sich um und stieg sorgenvoll die Treppe hinunter. Inge wußte, daß er nun das halbe Haus auf den Kopf stellen würde. Sie war es gar nicht gewohnt, daß man sich so sehr um sie kümmerte. Damit hatte sie nicht im geringsten gerechnet.

      Eilig ging sie in ihr Zimmer zurück und schob ihre beiden großen Reisekoffer in den Kleiderschrank hinein, dann legte sie sich aufs Bett und wartete darauf, daß irgend jemand kam, um ihr den Puls zu fühlen und irgend etwas zu tun, das ihr helfen könnte. Es war ja alles so gleichgültig. Tiefe Niedergeschlagenheit befiel sie. Jetzt erst wurde es ihr so richtig klar, daß sie das Schönste und Teuerste verloren hatte, den Glauben und die Liebe.

      War sie nicht plötzlich alt, sehr alt geworden? Wenn sie doch jetzt die Augen schließen könnte, um niemals wieder aufzuwachen.

      Abermals trat der Onkel bei ihr ein. Er hatte nicht einmal angeklopft, so aufgeregt war er.

      Er verstand Magdalene nicht. Sie maß dem Unwohlsein ihrer Tochter keinerlei Bedeutung bei. Wie konnte man nur so gleichgültig sein, zumal als Mutter.

      »Geht es dir schon wieder etwas besser, Ingelein?« fragte er besorgt.

      Aus großen leeren Augen sah sie ihn an.

      »Lieber Onkel Franz, du bist so gut zu mir.«

      »Aber Kind, dir hat immer sehr viel Liebe gefehlt, ich weiß das heute. Was machen wir nun? Soll ich einen Arzt holen?«

      »Nein, Onkel, es ist nicht nötig, mir geht es schon wieder viel besser.«

      »Ein Unsinn, dich aufs Land zu schicken und dich dort arbeiten zu lassen. Ich war schon damals empört darüber, du hast dich dabei überanstrengt. Kein Wunder, du warst es nicht gewohnt. Am besten wird es sein, wenn wir dich irgendwohin zur Erholung schicken in ein möglichst gesundes Klima, vielleicht nach Süditalien? Würdest du das wollen? Aber was frage ich lange. Ich werde diese Reise bezahlen und dich sofort wegschicken.«

      Inge dachte an Eberhard Sörensen. Wenn sie ihn doch niemals kennengelernt hätte, wenn ihr diese Reise nach Italien schon vor einem Vierteljahr angetragen worden wäre.

      »Es ist zu spät, viel zu spät«, seufzte Inge.

      »Es ist zu