Erika Roman Staffel 1 – Liebesroman. Diane Meerfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diane Meerfeldt
Издательство: Bookwire
Серия: Erika Roman Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740931070
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befreite Inge sich erst einmal von dem Reisestaub. Ob ihr Vater nun schon wußte, daß sie hier war?

      Behutsam nahm sie die Garderobe aus ihrem Koffer. Es war ein warmer sonniger Tag, noch konnte sie eines ihrer duftigen Sommerkleider tragen, die ihr so gut standen.

      Rasch zog sie es über und betrachtete sich prüfend in dem hohen Spiegel. Ein wenig müde und abgespannt sah sie aus. Sie würde sich zunächst einmal eine Tasse Kaffee kommen lassen. Vielleicht konnte ihr auch jemand beim Auspacken behilflich sein.

      Gleich nachdem sie geklingelt hatte, kam der Etagenkellner. Sie gab ihre Bestellung auf und bat um irgendeinen dienstbaren Geist, der ihr behilflich sein konnte. Wenige Minuten später war sie mit einem der Zimmermädel dabei, ihre Garderobe in den Schrank zu hängen. Einige der Kleider und Röcke gab sie gleich mit zum Bügeln hinaus. Diese Tätigkeit beruhigte sie. Absichtlich beschäftigte sie sich länger als nötig, dann kam der Kaffee.

      Inge hatte ihn noch nicht ganz ausgetrunken, als es kurz und energisch klopfte. Da es eine Doppeltür war, hatte Inge es nur undeutlich gehört. Bevor sie öffnen konnte, wurde die äußere Tür jedoch schon aufgezogen. Gleichzeitig öffnete sich die innere.

      Ein großer braungebrannter Mann betrat das Zimmer.

      Ihr Vater!

      Inge rührte sich nicht, auch der Mann war stehengeblieben. Mit brennenden Augen blickte er auf die vor ihm sitzende elegante junge Dame. Dann begann sich der Bann zu lösen. Heftig hob und senkte sich seine Brust.

      »Inge! Ist es wahr, bist du es wirklich?«

      »Ja, Papa.«

      Der Mann mußte die Augen schließen. Lange hatte er das Wort »Papa« nicht mehr gehört, von diesen Lippen gehört. Es war wie ein Traum, er konnte es noch gar nicht begreifen. Seine Tochter war hier!

      Inge war aufgestanden, zaghaft hob sie die Hand.

      »Guten Tag, Papa!«

      Heftig griff der Mann nach der ihm entgegengestreckten Hand. Er konnte sich nicht länger beherrschen, seine Arme legten sich fest um die Tochter. Ganz dicht zog er sie an sich heran.

      »Kind, du bist zu mir gekommen? Wie schön das ist.«

      Inge weinte. Sie merkte es erst, als Tränen auf des Vaters Jacke tropften und dort kleine feuchte Kleckse bildeten.

      Harald Gräfenhan hatte die erste Erregung überwunden.

      »Nun mußt du erzählen, hörst du? Oh, es gibt soviel zu erzählen. Als ich von euch…, als ich dich das letztemal sah, warst du noch ein zartes blasses Schulmädel, jetzt bist du eine hübsche junge Dame. Man wird es mir nicht glauben, daß ich eine so hübsche Tochter habe. Erzähle doch! Wie ist es dir all die Jahre über ergangen?«

      Inge löste sich aus seinen Armen. Nach der Mutter fragt er nicht, dachte sie. Aber das war wohl zu verstehen.

      »Ich weiß gar nicht, wo ich mit dem Erzählen beginnen soll«, sagte Inge und sah den Vater verstohlen an. Er sah gut aus, sehr gut sogar. Dieses Kompliment mußte sie ihm zurückgeben. Und es schien ihm nicht schlecht zu gehen. Warum hatte er sich niemals nach ihr erkundigt? War ihm sein Kind vielleicht doch gleichgültig gewesen?

      »Also dann werde ich mit dem Erzählen beginnen. Oder wollen wir es uns für heute abend aufbewahren. Du wirst müde sein von der langen Reise.«

      »Der Kaffee hat mich erfrischt, Papa, und ich bin ja auch nicht mehr das kleine zarte Schulmädel, das du kanntest.«

      »Daran muß ich mich wirklich erst gewöhnen. Ich habe so oft versucht, mir vorzustellen, wie du wohl aussehen könntest. Aber das alte Bild blieb, in meinen Augen bist du eben das kleine Mädel geblieben, das kleine Mädel, das ich sehr, sehr lieb gehabt habe.«

      »Das kleine Mädel hat aber niemals etwas von seinem Vater gehört«, sagte Inge leise.

      »Ich habe Magdalene versprechen müssen, mich nicht in die Erziehung einzumischen. Es ist mir sehr schwergefallen, dieses Versprechen abzugeben. Aber dann meinte ich selbst, daß man dir jeden inneren Konflikt ersparen müsse, wenigstens in den Jahren der Entwicklung.«

      »Dadurch bin ich sehr einsam gewesen, Papa.«

      »Inge!«

      »Ja, es ist wahr, und vielleicht komme ich auch heute deswegen zu dir.«

      »Ist etwas geschehen?«

      »Das auch, doch ich habe es schon beinahe wieder vergessen.«

      »Eine unglückliche Liebe?« fragte Harald Gräfenhan und sah seine Tochter an.

      Inge antwortete nicht. Abermals füllten sich ihre Augen mit Tränen. Ohne Erfolg wehrte sie sich dagegen. Gestern habe ich nicht weinen können, da war der Schmerz noch zu groß, dachte sie.

      »Wie geht es der Mutter?« versuchte Gräfenhan seine Tochter abzulenken.

      Inges Tränen versiegten tat­sächlich.

      »Sie will noch einmal heiraten«, sagte sie hart.

      »Ich habe diesen Entschluß lange erwartet«, sagte der Vater kühl, »von mir aus wird ihr nichts in den Weg gelegt werden.«

      Inge sah ihren Vater mit aufgerissenen Augen an.

      »Sie darf ihn nicht heiraten, niemals!« schrie sie auf.

      Harald Gräfenhan stand diesem Ausbruch seiner Tochter hilflos gegenüber.

      »Du kennst diesen Mann, Inge?«

      »Ja, ich kenne ihn«, schluchzte sie, »ich kenne ihn, und ich liebe ihn, und dabei müßte ich ihn doch hassen. Aber ich liebe ihn immer noch, ich spüre es ja.«

      Auf Gräfenhans Stirn standen zwei steile Falten.

      In welche Abgründe blickte er da? Inge liebte den gleichen Mann wie seine Frau? Und der Mann?

      »Wer ist es denn, Inge? Willst du mir seinen Namen nennen?«

      »Sörensen, Dr. Eberhard Sörensen!«

      »Der Großindustrielle?«

      »Ja!«

      »Aber Inge, der Mann ist doch jünger als die Mutter.«

      »Und es ist doch so, und ich bin so unglücklich, Papa!«

      »Nun beruhige dich erst einmal, Kind. Du bleibst vorläufig bei mir. Es geht mir gut. Ja, ich habe es doch noch zu etwas gebracht, aber ein wenig bin ich wohl trotzdem noch der alte leichtsinnige Harald. Dann und wann packt mich der Spielteufel, ich gebe es zu. Aber eines weiß ich dabei immer – wann ich aufhören muß. Auch das wird es jetzt nicht mehr geben. Nun habe ich eine andere Aufgabe.«

      Er strich seiner Tochter gedankenverloren über das Haar. Diese zärtliche Bewegung ließ die letzte Fremdheit zwischen den beiden dahinschwinden. Inge griff nach der Hand des Vaters und hielt sie lange in der ihren.

      So saßen sie dicht nebeneinander, keiner von ihnen sprach. Schließlich erhob sich Harald Gräfenhan.

      »Laß uns ein Stück spazierengehen, oder bist du dazu zu müde?«

      »Nein, ich bin gar nicht mehr müde, das kommt sicher erst später.«

      »Bestimmt«, nickte der Vater, »die Luftveränderung wird sich wohl noch bemerkbar machen. Dann wirst du schlafen wollen, viel, schlafen. Und das wird dir guttun.«

      Sie verließen das Zimmer und gingen die mit dicken Läufern belegten Gänge und Treppen entlang. Als sie unten an der Portiersloge vorbeikamen, wurden sie von dem Portier ehrerbietig gegrüßt. Inge erkannte, daß ihr Vater hier ein sehr angesehener Gast war. Das stärkte ihre eigene Selbstsicherheit. War es nicht die Angst gewesen, den Vater in mißlichen Verhältnissen zu finden, die sie in einem gewissen Erregungszustand gehalten hatte?

      Jetzt war sie schon viel ruhiger. Vielleicht war es auch die räumliche Trennung von zu Hause und die neue Umgebung, die sie von ihrem Leid ablenkten.

      Arm in