Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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etwas kürzer wird, was thut's? Denn unsere Augen sehen sie noch blühen, die Falkner vom Falkenhof!«

      Die weißen Rosen von Ravensberg

       Inhaltsverzeichnis

       Einleitung

       Erster Teil

       Zweiter Teil

      Einleitung

       Inhaltsverzeichnis

      Es ist ein großes, weites, schmuckloses Haus, ein Haus mit starkvergitterten Fenstern und Toren, die einer Festung hätten angehören können – dennoch ist aber dies Haus kein Kastell, dem Feinde Trotz zu bieten, sondern nur ein Gefängnis mit vielen, vielen Zellen für Einzelhaft. Und in einer dieser Zellen stand ein junges Weib an dem schmalen, vergitterten Fenster und ließ die Luft über ihr lichtes, blondes Haupt hinwegstreichen und sah mit trocknen, traumverlorenen Augen hinaus auf das Fleckchen blauen Himmels, das sich dort zeigte, wo die hohe, graue Gefängnismauer endlich aufhörte – diese furchtbare Mauer, die in den Himmel zu wachsen schien.

      Und das junge Weib schaute zur Höhe, bis die Augen sie schmerzten und sie den Blick herabsenken mußte bis zu der Stelle, wo man wilden Wein gepflanzt hatte, die graue Mauer zu verkleiden mit den Reizen einer immer schmückenden Natur. Dicht kletterten die Ranken empor an dem kahlen Gemäuer, und da es Herbst wurde, hatte sich das einst dunkle Grün der Blätter rot gefärbt.

      »Wie mit Blut überrieselt«, sagte sie erschauernd und wandte sich ab. Doch nichts Freundlicheres als jene liebreich verhüllenden Ranken fand hier ihr Auge: kahle, weißgetünchte Wände, ein niederes, schmales und hartes Bett mit sauberem, aber grobem Linnenzeug, Becken und Krug auf einem Schemel, und in der Mitte der engen Zelle ein Tisch und ein Stuhl davor, und auf dem Tisch ein Tintenfaß, Federn und ein paar Bogen billigen Papieres – das war alles.

      Und in dieser Umgebung die Gestalt dieser Frau! Groß, schlank, gebietend, wie eine Königin, nicht wie eine Gefangene stand sie in dem engen Raume und schien ihn zu erhellen durch den Glanz ihrer Augen und den metallischen Schimmer ihres lichten Haares. Ihr schönes Gesicht war wohl schmäler geworden und blaß durch die lange Haft, aber vielleicht darum noch schöner, und die Hände, welche sie jetzt mit einer heftigen Gebärde der Ungeduld zusammenschlug, waren lilienschlank, wohlgepflegt und edel geformt – es waren die Hände einer vornehmen Dame, die in ihrem Dasein vielleicht nie härtere Arbeit damit getan als höchstens in Gold und Seide gestickt, Spitzen geklöppelt oder Klavier gespielt. Wie aber kam diese Frau in die Zelle eines Gefängnisses für Einzelhaft?

      »Es ist unerträglich!« stöhnte sie.

      Dann warf sie sich auf den Stuhl vor dem Tische und begann nervös mit dem Federhalter zu spielen.

      Dabei fiel ihr Blick auf das Papier.

      »Schreiben!« murmelte sie verächtlich. »Sie wollen mich durch diese unerträgliche Einsamkeit und Langeweile zum Schreiben zwingen. Als ob ich mich jemals durch eine Zeile kompromittiert hätte! Schlafen ist besser!«

      Und sie stand auf, um sich sofort wieder auf das Bett niederzuwerfen. Aber der Schlaf kam nicht am hellen Tage – kam er doch selten genug des Nachts zu ihr, wenn sie mit brennenden Augen und fieberndem Blut auf dem harten Lager lag und nicht einmal Licht machen konnte, um die Gedanken damit zu verjagen oder ihnen eine andere Richtung zu geben.

      Die Gedanken!

      »Wenn ich nur nicht denken müßte«, ächzte sie, setzte sich in ihrer Rastlosigkeit wieder auf und wühlte mit den schlanken, weißen Fingern in der üppigen, welligen Fülle ihres lichten Blondhaares. »Denken, immer denken, immer dasselbe denken! Dasselbe – –! Werde ich denn immer das eine nur denken müssen? Auch wenn ich heraus sein werde aus diesem Schreckensort von Gefängnis, wenn ich wieder frei sein werde, gefeiert, umworben, verwöhnt wie früher? Nein, nein, dann werde ich es vergessen haben. Ach! wenn ich doch heut schon vergessen könnte!«

      Und wieder sank sie, das Gesicht mit den Händen bedeckt, auf das harte Pfühl zurück, den schönen Leib durchschauert wie von einem namenlosen Entsetzen.

      Draußen auf den Steinfliesen des Korridors erschollen Schritte, Schlüssel rasselten, und die Tür der Zelle ward geöffnet. Doch die Gefangene sah nicht auf. Wer konnte es anders sein als der Aufseher, der ihr das spartanisch-einfache Mahl brachte oder die Frau hereinließ, die Wasser trug und frische Wäsche brachte? Und dennoch war es keine dieser Personen, sondern ein Priester mit weißem Haar, ein ehrwürdiger Mann, aus dessen Antlitz eine Milde und Güte leuchtete, wie die Kinder dieser Welt sie nur selten besitzen und noch seltener üben. In seiner Hand trug er ein kleines, schwarzgebundenes Buch und einen kleinen Strauß weißer Moosrosen, wie sie der Herbst noch so schön spendet – beides sollten Liebesgaben bedeuten, denn das Buch, das er jetzt leise und geöffnet auf den Tisch legte, war ein Andachtsbuch, und die weißen Rosen legte er auf die offenen Seiten, nicht als einen Gruß aus der Welt, der die Gefangene entrückt war, sondern als einen beredten Hinweis auf Gottes Größe, Güte und Allmacht. Über Buch und Blumen deckte er einen der auf dem Tisch liegenden Papierbogen.

      Das leise Knistern des Papieres aber machte die Gefangene aufhorchen – das war nicht ihr Kerkermeister, der die Zelle betreten hatte! Unwillkürlich richtete sie sich empor, aufgestört aus ihrer dumpfen Träumerei, und stand Aug' in Aug' dem Priester gegenüber. Da richtete sie sich hoch auf, ein seltsamer Zug, gemischt aus Hochmut, Spott und Zorn, flog um ihren schönen, stolzen Mund, und ihre Augen sprühten.

      »Wer hat Sie zu mir geschickt?« fragte sie mit verletzender Kühle, »ich habe Sie nicht rufen lassen!«

      Aber ein Gefängnisgeistlicher besucht die Zellen für Einzelhaft nicht in der Hoffnung auf höfliche Reden und demütiges Entgegenkommen; – Demut und Reue sind die Gaben, die er mitbringt, um sie in die Herzen zu pflanzen, welche hier an diesem Ort oft hoffnungslos versteint und verstockt zu finden sind. Und darum nickte der Priester auch nur zu den kalten Worten.

      »Nein, meine Tochter, Sie haben mich nicht rufen lassen«, sagte er dann mild, »aber ich habe auf Ihren Ruf gewartet, Sehnsucht im Herzen, und ich habe Ihren Ruf unter heißen Gebeten erfleht – vergebens!«

      »So scheint es«, erwiderte sie noch um einen Hauch kühler und unnahbarer.

      Da trat er einen Schritt näher an sie heran. »Wenn ich trotzdem zu Ihnen komme, meine Tochter«, sagte er, »so geschieht es, weil ich als verordneter Priester dazu verpflichtet bin, weil mein Gewissen und mein Herz mich zu Ihnen treiben. Und als Priester ist es meine heilige Pflicht, vor Sie hinzutreten und Sie zu mahnen an die letzten Dinge, deren wir stets gewärtig sein sollen –«

      »Ich danke Ihnen«, unterbrach sie ihn kalt und mit der Kopfbewegung einer Königin, die einen Untertan entläßt. »Sobald ich das Bedürfnis nach geistlichem Zuspruch empfinden sollte, werde ich Sie rufen lassen, Herr Pfarrer. Ich fürchte nur«, setzte sie spöttisch hinzu, »daß ich dann diesem Hause und mithin auch Ihnen schon weit entrückt sein werde.«

      »Das fürchte ich auch«, erwiderte der Priester ernst und traurig. »Dennoch aber, meine Tochter, muß ich versuchen, Ihr Herz dem Ewigen zuzuwenden, wie Gott es von uns fordert zur ewigen Seligkeit unserer unsterblichen Seele. Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Heile gereichen, sagt der Prophet. Nun denn, meine Tochter, öffnen Sie Ihr Herz, damit es sich zu Gott wende, und auch Ihnen kann noch zum Heile gereichen, was Ihrem kurzsichtigen, irdischen Auge als der Gipfel des Elends erscheint. Denn Sie dürfen nicht vergessen, daß die irdische Gerechtigkeit Sie zum Tode verurteilt hat!«

      »Eine bloße Form, Herr Pfarrer«, erwiderte sie kühl und unbewegt, »eine Form, welche in ihrer plumpen Machart