Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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angedeihen lassen wollen. Dennoch bitte ich Sie um Ihrer eigenen Sicherheit willen, meine Frau in meine Obhut zu geben.«

      »Tante Adelheid wird bei mir bleiben,« entgegnete Dolores ruhig.

      Er wehrte mit der Hand ab.

      »Dolores seien Sie vernünftig! Meine Frau leidet an Wahnvorstellungen, an Irrsinn! Wer bürgt mir, daß dieser nicht in Tobsucht ausartet und Sie schwer schädigt?«

      »Ich bürge dafür, Herr Doktor Ruß! Meine Tante war nie klarer, geistig niemals zuverlässiger als heut'!«

      »Aber, teure Dolores,« entgegnete Ruß eindringlich. »Bedenken Sie doch –! Diese schweigsame, stille Frau tritt in einer großen Gesellschaft plötzlich aus sich heraus und erzählt eine lange Geschichte ohne Pointe, die sie sich aus den Gerichtsartikeln verschiedener Zeitungen zusammengestoppelt hat –«

      »Halt, Doktor Ruß,« unterbrach ihn Dolores. »Ich bin mir über Ihre Pläne jetzt ganz klar. Sie wollen Ihre Frau in ein Irrenhaus bringen.«

      Doktor Ruß lächelte mitleidig.

      »Aber liebste Dolores, halten Sie mich für so unmenschlich, daß ich meiner eigenen Frau die einzige Pflege entziehen würde, die ihrem Zustande frommt? Ich bin leider nicht reich genug, um ihr diese Privatpflege in meinem Hause angedeihen zu lassen. Ich sehe aber, Sie sind der Ruhe bedürftig, lassen Sie uns daher kurz sein und mich meiner Frau selbst annehmen. Es ist das beste, glauben Sie mir –«

      »Ich bedaure. Tante Adelheid hat sich unter meinen Schutz gestellt und weigert sich mit Entschiedenheit, Sie zu sehen,« entgegnete Dolores unbewegt.

      Doch Doktor Ruß zuckte mit den Achseln.

      »Da haben Sie wieder einen Beweis ihres Irrsinns, denn der Grund dieser Weigerung geht über mein Begriffsvermögen,« sagte er.

      Nun aber wallte es heiß auf in Dolores und stieg zornesrot in ihre bleichen Wangen.

      »Herr Doktor Ruß, Sie verlassen in diesem Augenblick das Zimmer,« sagte sie befehlend. »Ich wünsche mit Ihnen nicht dieselbe Luft zu atmen.«

      »Ah – wie Sie befehlen,« erwiderte er nachlässig. »Die Herausgabe meiner Frau aus Ihrer Gewalt wird das Gesetz mir erzwingen. Wenn Sie also in Kollisionen mit diesem schon morgen treten, so ist es meine Schuld nicht. Ich habe den gütlichen Weg voll betreten, wie Sie mir bezeugen werden können. Wenn ich also morgen in aller Frühe die Gerichte anrufe, so darf es Sie nicht wunder nehmen.«

      Empört trat Dolores einen Schritt zurück.

      »Die Gerichte, Herr Doktor Ruß, werden Ihre Frau in meinem Schutze lassen, die Richter aber, welche den Falkenhof betreten auf Ihren Ruf, werden Sie auf meine Anklage hin wegen vierfachen Mordversuches verhaften. Und Ihre Frau wird dann als Zeugin gegen Sie auftreten.«

      Doktor Ruß hob beide Hände zum Himmel auf.

      »Jetzt scheine ich verrückt geworden zu sein,« sagte er ergeben.

      »Kennen Sie diesen Brief?« rief Dolores, das Blatt hervorziehend, das Frau Ruß ihr gegeben.

      Da wurde er so bleich, daß seine Farbe ins Grüne überspielte, aber er hielt sich tapfer.

      »Ihre Handschrift, Dolores.«

      »O ja – insoweit vortrefflich kopiert,« entgegnete sie bitter. »Ein Autograph von mir selbst – ein sinniges Gastgeschenk von Ihnen. Aber es liegt mir nichts daran, den Namen Falkner durch den Schmutz eines langen Kriminalprozesses zu schleifen, und darum stelle ich Sie vor die Alternative, entweder Ihre Intentionen auszuführen, welche dann zweifellos zu Ihrer Verhaftung führen würden, oder aber eine von mir ausgesetzte Rente im Auslande zu verzehren. Sie haben also die Wahl und können sich's bis morgen überlegen. Und nun gehen Sie!«

      Aber er rührte sich nicht.

      »Ich bewundere Sie schon lange,« sagte er ironisch, »aber heute bewundere ich einen noch nie geahnten Charakterzug in Ihnen: den, peremptorischer Kürze und eines wahrhaft souveränen Willens. Schade nur, daß derselbe mir nicht in der Weise imponiert, als er vielleicht sollte.«

      »Doktor Ruß,« sagte Dolores mühsam beherrscht, »ich sagte Ihnen schon, daß meine Konversation mit Ihnen beendet ist. Verlassen Sie mich – ich wünsche allein zu sein.«

      Jetzt aber warnte sie ein seltsames Glitzern in seinen Augen, auf ihrer Hut zu sein.

      »Gehen Sie,« wiederholte sie, indem sie die Pistole aus ihrer Tasche zog und den Hahn spannte. »Gehen Sie – oder bei Gott, ich schieße Sie nieder wie einen tollen Hund, wenn Sie das Zimmer nicht verlassen haben, bis ich drei gezählt –«

      »Hoho! Ich denke, Brasilianerinnen führen nur ein Stilett,« höhnte er, ohne sich zu rühren.

      »Nicht doch – wenigstens schieße ich besser als Sie,« erwiderte sie vollkommen kalt und besonnen und begann zu zählen: »Eins – zwei –«

      »Ich gehe,« sagte er, etwas bleicher werdend, »denn wenn man wehrlos ist, kann ein Rückzug nicht für Feigheit gelten. Und,« setzte er salbungsvoll hinzu, »und obwohl diese Bedrohung meiner Person –«

      »Notwehr!« fiel sie kühl ein.

      »... die Bedrohung meiner Person ein teurer Spaß für Sie werden könnte, so will ich dennoch keine Schritte thun, dieselbe zu ahnden,« vollendete er. »Denn,« setzte er hinzu, »denn ich hege keinen Groll gegen Sie und vergebe Ihnen, teure Dolores.«

      Und damit ging er mit einer tiefen Verbeugung.

      Aber als dieser künstliche Nervenreiz verflogen war, brach Dolores zusammen. Sie hatte nur noch Zeit, Frau Ruß zu fragen, ob sie alles gehört, und als diese bejahte, sagte sie:

      »So sage es Alfred, genau Wort für Wort, wenn er herüber kommt.«

      Dann fiel sie in eine ohnmachtsähnliche Lethargie – Fieber stellte sich ein und Frau Ruß durchwachte mit Tereza eine angstvolle Nacht an ihrem Bette.

      ***

      Als Falkner am folgenden Mittag, nachdem er Stunden mit sich allein verlebt, erschöpft an Leib und Seele, alles Traurige mit Kepplers Hilfe besorgt und angeordnet hatte, als er noch einen Blick warf auf seine tote Frau, welche im weißen Sterbehemd auf ihrem Bette lag, im Haare einen Kranz von weißen Rosen, von jenem Boule de neige, den der Herzog so sorgsam veredelt, da ging er hinüber nach dem Falkenhof, denn sein Instinkt sagte ihm, daß man dort seiner bedurfte.

      Zu gleicher Zeit mit ihm traf der Arzt aus Berlin ein, den Engels von der Station geholt, und Falkner wartete, nachdem er ihn hinaufgeführt hatte, im Ahnensaal, bis die Konsultation zu Ende sein würde.

      Mit begreiflicher Spannung trat er dem berühmten Manne entgegen.

      »Ich muß bis zum Abend hier bleiben, um den Erfolg eines Mittels abzuwarten,« sagte er auf Falkners Frage. »Es scheint hier eine komplizierte Vergiftung vorzuliegen, welche Ihre Frau Mutter mir auch bestätigt hat. Leider hat das Gift schon größere Fortschritte in dem Körper gemacht, welche bedauern lassen, daß nicht früher Hilfe dagegen angerufen worden ist.«

      Hier trat Frau Ruß ein, da sie ihres Sohnes Stimme gehört und der Arzt benutzte ihre Anwesenheit, um sie zu fragen, auf welche Weise Dolores zu dem Gifte gekommen sei, ob durch Unvorsichtigkeit, aus eigener Initiative, oder durch fremde Personen.

      »Der zweite Fall ist ausgeschlossen, und wir fürchten auch der erste,« erwiderte Frau Ruß fest, und als der Arzt überrascht aufsah, setzte sie hinzu: »Es ist der dringende Wunsch meiner Nichte, daß von dem Verdacht gegen eine Person nichts in die Welt dringt. Der Arzt ist ja in so vielen Fällen auch ein Beichtvater – lassen Sie, Herr Professor, also diese Mitteilung unter dem Beichtsiegel Ihres Wortes nicht aus dem Falkenhofe herausdringen, denn er betrifft ein Glied der Familie.«

      »Ich verstehe,« sagte der berühmte Mann, »und ich werde schweigen. Nur könnten Sie mir meine Arbeit wesentlich erleichtern, wenn Sie mir einen Anhalt über die Natur des Giftes geben könnten, falls dies im Bereiche der Möglichkeit