Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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enfant terrible.

      »Wo sind Herr Keppler und Baron Falkner?« fragte Prinzeß Alexandra.

      »Die? die haben sich gezankt und sind zankend weggelaufen,« berichtete die kleine Durchlaucht.

      »Gezankt?«

      »Natürlich. Und das Objekt waren Sie, Fräulein von Falkner!«

      »Ich?« Dolores erhob stolz das Haupt. »Welche Veranlassung könnte ich den Herren zum Streit geben?«

      »O, Herr Keppler behauptete sehr erregt, Ihr Platz sei die Bühne. Er schwatzte kolossalen Kohl und die Schlagworte: Priesterin der Kunst, höchster dramatischer Ausdruck u. s. w. flogen wie Sprengstücke aus seinen schweren Geschützen einher –«

      »Eleonore!« ermahnte Prinzeß Alexandra. »Welche Ausdrücke!«

      »Na, und der Baron quasselte natürlich das konträre Gegenteil,« fuhr Prinzeß Lolo unbeirrt fort. »Er behauptete sogar, die Monate Ihrer Bühnencarriere mit ebensoviel Jahren seines Lebens zurückkaufen zu wollen, wenn es nur eben ginge. Es soll übrigens ein alter Zankapfel sein zwischen den beiden,« setzte sie eifersüchtig hinzu.

      »Sehr schmeichelhaft,« erwiderte Dolores nicht ohne Hochmut, indem sie zugleich die Prinzeß bat, sich empfehlen zu dürfen. Mit warmem Händedruck gab die letztere die Erlaubnis und ein sprechender, fragender, bittender Blick beim Abschied schien noch einmal alles sagen zu wollen, was schon gesagt war. Frei und ehrlich gab Dolores diesen Blick zurück, als wollte sie sagen: »Sei ruhig! Jeder gute Kampf zeitigt einen guten Sieg – ich werde deiner dabei denken.«

      Prinzeß Lolo hatte längst schon das Zimmer verlassen. Leise war sie über die Veranda geschlüpft, doch als sie den Kammerherrn und die Hofdame beide selig schlummernd dort noch vorfand, so steckte sie Fräulein von Drusen erst eine Pfaufeder ins Haar und setzte dem Kammerherrn ihren großen Gartenhut à la Marie Antoinette schief auf den Kopf, ehe sie die Treppe herabglitt und hinter der Taxushecke, die Monrepos vom Falkenhof trennte, verschwand. Dolores hatte sich nie einer besonders gnädigen Aufnahme von seiten der kleinen Durchlaucht zu erfreuen gehabt, doch hatte das ihre Zufriedenheit nicht trüben können. Wie staunte sie daher, als das reizende Fürstenkind ihr auf ihrem eigenen Grund und Boden gegenübertrat und ganz manierlich um die Erlaubnis bat, »ein Stückchen mitgehen« zu dürfen.

      »Wenn der Herzog oder Prinzeß Alexandra nichts dagegen haben, gewiß,« erwiderte Dolores, welche freilich lieber allein gegangen wäre, den Inhalt ihres eben gehabten Gespräches gründlich zu überdenken. Sie war nicht erregt, es war ihr vielmehr leicht ums Herz, wie selten, aber wichtige, inhaltreiche Gespräche verlangen ein gesammeltes Überdenken.

      Sie kam mit ihrem »Wenn« aber bei der blonden Prinzeß schön an.

      »Papa und Alexandra! Gerade als ob ich ein Kind wäre, das nicht allein über die Straße darf, damit es niemand umfährt,« rief sie empört. »Ich werde meine eigenmächtige Promenade schon selbst verantworten und brauche keine Gouvernante!« –

      »Desto besser,« erwiderte Dolores, mit Mühe ein Lächeln unterdrückend. »Gouvernanten sind jungen Damen meist eine sehr unbequeme Species des Menschengeschlechtes.« –

      »Eine scheußliche Erfindung sind sie – Vampire und Werwölfe sind sie,« sprudelte Prinzeß Lolo hervor. »Aber ich habe mich gerächt – ich habe sie alle weggeärgert!« –

      »Wirklich! Und auf wieviel Gouvernantenskalps können Durchlaucht mit dem Stolz eines Indianerhäuptlings herabblicken?«

      »Skalps? Woher wissen Sie das?« fragte Prinzeßchen perplex.

      »Um Gottes willen – Durchlaucht haben doch die Unglückswesen nicht wirklich skalpiert?« rief Dolores lachend.

      »Ach nein, leider nicht,« seufzte die hoffnungsvolle fürstliche junge Dame. »Aber sehen Sie, ich habe jeder etwas von ihren falschen Haaren heimlich weggenommen – Zöpfe, Locken, Scheitel, Chignons. Es sind alle Farben dabei vertreten, und ich habe ein ganzes Schubfach voll davon zu Hause im Residenzschloß. Ich nenne das meine Gouvernantenskalpsammlung,« schloß sie mit dem seligen Stolz eines Gemmensammlers.

      Nun mußte Dolores wirklich lachen, herzlich lachen, denn auch sie konnte ein Lied singen von den kühnen Ideen, womit ein zur Würde einer jungen Dame erwachtes Backfischlein sich an dem Gouvernantenzwange rächt. Und wie sie hell auflachte, so hell, wie seit lange nicht, da stimmte das Prinzeßchen mit ein, und durch den schattigen Park klang ein solch' unwiderstehlich ansteckend wirkendes Duett, wie selten wohl.

      Aber plötzlich wurde Prinzeß Lolo wieder ernst.

      »Ich bin gar nicht hergekommen, um zu lachen,« erklärte sie, »sondern ich habe hier auf Sie gewartet, um Ihnen zu sagen, daß ich mich mit Ihnen schießen würde, wenn ich und Sie Männer wären!«

      »Da kann ich ja von Glück sagen, Durchlaucht, daß wir's nicht sind,« entgegnete Dolores amüsiert.

      »O, das ist gar nicht komisch,« gab die Prinzeß pikiert zurück.

      »Und was verschafft mir die Ehre dieser durchlauchtigen Forderung übers Taschentuch?«

      »Weil ich eifersüchtig bin – eifersüchtig auf Sie!« rief die Prinzeß mit plötzlich hervorstürzenden Thränen und heftig setzte sie hinzu: »Was kann ich dafür, daß Sie größer sind als ich und schöner?«

      »Aber, Durchlaucht – das ist doch schließlich Geschmackssache! Es giebt Leute, die mich nicht einmal hübsch finden!« erwiderte Dolores erstaunt.

      »Ich wollte, Sie wären häßlich wie die Pastrana – ein Waldaffe – ein Scheusal,« war die liebenswürdige Antwort, welche indes so unwiderstehlich auf Dolores wirkte, daß sie das Lachen nicht unterdrücken konnte. Aber das reizte die kleine, blonde Furie nur noch mehr.

      »O Sie! Sie!« schluchzte sie. »Sie Scheinheilige, Sie Füchsin! Mir lachend seine Liebe zu rauben – ich hasse Sie, denn er hat nur Augen für Sie –!«

      Jetzt wurde Dolores aufmerksam.

      »Wessen Liebe raubte ich Ihnen?« fragte sie kühl.

      »Seine – Alfred Falkners!« rief die Prinzeß, den Boden stampfend.

      »Durchlaucht träumen,« entgegnete Dolores stillstehend mit soviel Hoheit, daß der mehr vor Zorn als vor Herzensjammer schluchzenden Prinzeß plötzlich die Thränen versiegten und sie fassungslos ihrer Gefährtin in das blasse Antlitz mit den seltsam flammenden Augen sah.

      »Ich dachte, Sie sollten oder müßten ihn heiraten wegen des Testaments oder – was weiß ich –« stotterte sie purpurrot hervor.

      »Durchlaucht sind in ersterem wohl informiert,« gab Dolores gleichgültig zurück. »Was das ›müssen‹ anbetrifft, so steht davon aber nichts geschrieben, und Baron Falkner ist mit mir dahin übereingekommen, daß das berührte Testament in diesem Punkte unvollzogen bleibt!« –

      Mit einem Freudenschrei flog Prinzeß Lolo der eben so wenig Geschmeichelten um den Hals.

      »Sie sind ein Engel,« rief sie lachend und weinend, »ach, Sie haben mich erlöst, denn ich wollte mir schon das Leben nehmen, weil ich dachte, Sie wollten ihn mir rauben – ihn, den herrlichsten von allen –«

      »Wodurch hab' ich Ihnen zu diesem Verdacht Veranlassung gegeben, Prinzeß Eleonore?« fragte Dolores scharf hinein in diesen Redestrom.

      »Ich weiß nicht – ich dachte nur – Sie gingen doch mit ihm nach dem Musikabend nach Hause –«

      »Und –?« –

      »Und indes bin ich beinahe gestorben vor Eifersucht und Zorn und Gram – und ich hörte ihn noch so lange in seinem Zimmer auf und ab gehen wie ein gefesselter und gefangener Löwe –! Und es ist wirklich wahr, daß Sie ihn mir lassen – mir?« schloß sie naiv.

      »Von Lassen ist gar keine Rede, Prinzeß, denn ich habe sein Herz nie besessen,« sagte Dolores herb.

      »O wie wunder – wunderschön!« jubelte