Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027232819
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schneller strickend, »wie, du willst eine Gesellschaft aufsuchen, die mich ignoriert, mich, Alfreds Mutter? Bin ich in ihren Augen nicht hoffähig, so bist du's lange nicht.«

      »Sehr richtig bemerkt von deinem Standpunkt aus, mein Herzchen,« sagte Ruß und schloß sorgsam sein Buch. »Ich von meinem point de vue aus bilde mir ein, daß die Herrschaften von Monrepos erst deine persönliche Bekanntschaft zu machen wünschen, ehe sie von dir Notiz nehmen können. Vielleicht ist deine Anschauung die richtige, aber ich werde so frei sein, nach der meinigen zu handeln!«

      Auf diese Weise behielt der Doktor immer recht, ohne doch seiner Gattin unrecht zu geben.

      Unter den Eichen hatte sich der kleine Kreis indes behaglich gruppiert, und Falkner nahm seine Lektüre wieder auf. Er hatte ein klangvolles, tiefes Organ und las mit Geschmack, und man lauschte aufmerksam dem waldesduftigen, hochpoetischen und mit köstlichem Humor wie mit einem frischen Hauch durchzogenen Gesange vom Trompeter von Säckingen.

      Dolores hatte die Hände im Schoß gefaltet und den Blick gesenkt, sie war so tief in ihre Gedanken versunken, daß Jung Werners und Margaretas Geschichte fast ungehört an ihr Ohr klang. Und so sah sie's nicht, daß aller Blicke sich mit verschiedenem Ausdruck auf sie richteten. Zurückgelehnt in ihren niederen, tiefen Gartenstuhl und so placiert, daß man ihr niedliches Füßchen im Goldkäferschuh mit himmelhohen Talons bewundern konnte, saß Prinzeß Lolo und ließ ihre Augen mit seltsam forschendem Ausdruck von Falkner zu Dolores und zurück wandern. Neben ihr saß Prinz Emil, dessen Augen mit träumerischer Bewunderung immer wieder auf die Gestalt der Schloßherrin vom Falkenhof zurückkehrten, indes der wohlwollende Blick der Prinzeß Alexandra in ihren bleichen Zügen zu lesen suchte. Besorgnis und Liebe sprach aus den Augen Kepplers, dem kein Wechseln des Ausdruckes in den Zügen von Dolores entging, und jedesmal, wenn er eine Seite des Buches umwendete, suchte Falkners Blick das schöne, marmorgleiche Profil, das sich scharf von dem grünen Hintergrund der Blätter abhob.

      Die Lektüre ward endlich durch das Nahen der Diener unterbrochen, die den Tisch unter den Eichen mit atlasschimmerndem Damasttuch deckten und ihn mit allem besetzten, was man gern an heißen Tagen genießt – Gefrornes, Erdbeeren aus Wald und Garten, Kirschen, die des Gärtners Stolz waren, kühle, dicke Sahne und für die Herren ponche romaine in kleinen Kelchgläsern.

      »Nein, Baronin, wie glücklich sind Sie doch, alles das jeden Augenblick haben zu können! Bei uns giebt's nichts außer der Zeit,« sagte Prinzeß Lolo naiv, und zwängte eine dicke Gartenerdbeere mit Rahm übergossen in ihr kleines Mündchen.

      Alle lachten.

      »Durchlaucht sind also sehr leicht glücklich zu machen,« bemerkte Falkner.

      Sie warf ihm einen bedeutsamen Blick zu.

      »Es kommt darauf an, von wem!« sagte sie errötend.

      »Nun natürlich nur von einem, der neben Gefrornem an Sommernachmittagen auch Diamanten und Perlen auf Ihren Lebenspfad streuen kann,« erwiderte Falkner leicht.

      »Die Begriffe über Glück sind in der That verschieden,« meinte der Erbprinz lächelnd.

      »Sehr,« sagte Dolores ebenso, »und der Mensch weiß es oft gar nicht, daß er glücklich ist. Prinzeß Eleonore hat mir mein Glück überhaupt erst klar gemacht.«

      »Willst du in die Ferne schweifen?

       Sieh, das Gute liegt so nah!

       Lerne nur das Glück ergreifen,

       Denn das Glück ist immer da!«

      citierte Prinzeß Alexandra halb ernst, halb scherzend, und reichte dabei Dolores eine Schale mit Fruchteis.

      »Es ist da, aber inkognito,« erwiderte Dolores. »Wie soll man es da erkennen, Durchlaucht?«

      »Nichts leichter als das – bei Ihnen nennt es sich der Falkenhof,« rief Prinzeß Lolo und setzte in ihrer naiven Art hinzu: »Ach du lieber Himmel, was wäre ich selig, wenn ich solch' einen Besitz mein nennen könnte!«

      »Man sehnt sich oft nach dem, was der andere hat,« bemerkte der Erbprinz.

      »Und andere beneiden Durchlaucht wieder um Ihren Rang,« setzte Keppler hinzu.

      »Ach, da ist etwas Rechtes zu beneiden,« rief die kleine Prinzeß verächtlich. »Ich weiß gar nicht, was die Leute Großes daran finden, wenn man eine apanagierte Prinzeß ist, die vielleicht einen apanagierten Prinzen findet und im besten Falle ihr Leben als Äbtissin eines gräßlichen Damenstiftes beschließt!«

      »Nun, das brauchen Durchlaucht nicht zu fürchten,« sagte Keppler bedeutsam, während die anderen amüsiert lachten.

      »Ich würde auch lieber einen Steineklopfer heiraten,« rief Prinzeß Lolo trotzig.

      In diesem Augenblick kam Doktor Ruß wie en passant um eine Baumgruppe geschlendert, that einen Moment wie überrascht und zog dann mit Grazie den Hut zum Gruß. Daß sein Erscheinen im geeigneten Moment erfolgte, das hatte er wohl berechnet, und das Fernrohr, durch das er alle Bewegungen des Kreises unter den Eichen beobachtet hatte, verbarg sich jetzt wohlweislich in seiner Rocktasche.

      Die Gegrüßten dankten, und der Erbprinz sagte zu Falkner gewendet:

      »Doktor Ruß, vermutlich. Wollen Sie die Vorstellung übernehmen?«

      Falkner kam mit nicht ganz freundlichem Gesicht dieser Aufforderung nach, und daß er es überhaupt mit guter Miene that, geschah nur seiner Mutter wegen, deren gesellschaftliche Stellung er durch nichts erschüttert sehen wollte.

      Was Ruß lange gewünscht, war ihm jetzt endlich erfüllt – er saß inmitten des exklusiven Kreises von Monrepos und war sich wohl bewußt, daß seine stattliche, vornehme Persönlichkeit und seine feinen, weltmännischen Allüren den besten Eindruck nicht verfehlen konnten.

      »Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Doktor,« sagte der Erbprinz lebhaft. »Ihre gediegene wissenschaftliche Bildung, und besonders das on dit, daß meine eigenen Studien bereits Ihr Interesse erregten, machten mir eine persönliche Begegnung besonders wünschenswert.«

      Ruß verbeugte sich leicht, mit Selbstbewußtsein und Würde.

      »Dieser gnädige Wunsch Eurer Hoheit hätte durch meinen Stiefsohn leicht erfüllt werden können,« sagte er etwas scharf, was Falkner nicht beachtete, denn er fand es nicht für nötig, irgendwelche Gründe oder Entschuldigungen für seine Unterlassungssünde anzuführen.

      Der Erbprinz, der sehr wohl wußte, daß Falkner für den Mann seiner Mutter wenig oder nichts übrig hatte, ging ebenfalls über die Erwiderung des Doktors hinweg. »Ich hoffe sehr, Sie für meine Studien interessieren zu können,« sagte er, »falls Sie mir hin und wieder eine Stunde dafür schenken können.«

      »Es kann von Schenken nicht die Rede sein, wenn Hoheit mir für die Zeit Gedanken geben,« erwiderte Ruß fein. »Ich weiß von mehreren meiner gelehrten Korrespondenten, daß Hoheit das Traumleben des Menschen sich zum Studium gemacht – für dieses Thema dürfte Baronin Dolores eine aufmerksame Hörerin sein –«

      »Ist es möglich?« rief der Erbprinz erfreut. »Ich dachte nicht, daß diese Mysterien eine Anziehungskraft für Sie hätten, Baronin?«

      »Ich fragte Doktor Ruß einmal, ob er an Träume glaubt, und er antwortete mir mit Ihren Theorien, mein Prinz,« entgegnete Dolores und fügte hinzu: »Es würde wirklich von Wert für mich sein, ein wissenschaftliches Urteil über Träume zu hören.«

      »Urteile, Baronin? Wir haben nur Vermutungen, die wir auf Psychologie basieren,« erwiderte Prinz Emil. »Sie hatten also Träume, deren Ursprung Ihnen rätselhaft erscheint?«

      »Ja,« sagte Dolores zögernd. »Das heißt, ich nenne es einen Traum!«

      »Und den haben Sie im Falkenhof geträumt?« mischte Falkner sich in das Gespräch.

      »Ja,« sagte sie abermals zögernd.

      »O, davon sagten Sie nichts,« rief der Doktor überrascht.

      »Nein