»Ruhig!«, rief Stratton. Nach einer kurzen Pause zog er den Abzug in schneller Folge vier Mal durch.
Die erste Kugel durchschlug die Windschutzscheibe und traf Sean in die Brust; die zweite in den Bauch; eine dritte durchdrang seinen Hals und die vierte flog zwischen ihm und Brennan hindurch in die Kiste, in der Spinks lag. Sean fiel im Sitz nach vorn wie eine Marionette, der man die Fäden durchtrennt hat. Ein Blutstrahl spritzte aus seinem Hals durch die Fahrerkabine. Brennan bekam es ins Gesicht, während er das Lenkrad packte und Sean vom Sitz gegen die Tür schob. Der Bus schlingerte auf die Straßenböschung und kippte steil zur Seite, während er an der Hecke entlangscheuerte. Brennan tat sein Möglichstes, um ihn wieder auf Kurs zu bekommen. Mit beiden Händen packte er fest das Lenkrad. Seans Füße waren verdreht und festgeklemmt, das Gaspedal weiter voll durchgetreten. Brennan schaffte es, den Bus um eine enge Kurve zu steuern, dicht an der Hecke auf der Außenseite der Kurve entlang, und er hätte es vielleicht auch ganz durch die Kurve geschafft, wenn da nicht ein großer Felsblock im Weg gewesen wäre, der aus der Hecke ragte. Der lag da zweifellos schon Tausende Jahre und hatte nicht vor, einem vorbeirasenden Bus auch nur einen Zentimeter nachzugeben. Und das tat er auch nicht. Die Schnauze des Busses wurde wie eine Chipstüte eingedrückt und sofort gestoppt, aber der Inhalt des Busses setzte die Bewegung mit derselben Geschwindigkeit fort. Brennan und Sean flogen durch die Windschutzscheibe und schossen in die Hecke, als sei sie ein Sicherheitsnetz. Die beiden Männer hinten sausten die Ladefläche entlang und krachten in die Vordersitze. Die Kiste folgte dicht dahinter und quetschte einen von ihnen gegen den Sitz, seine Knochen brachen wie trockene Äste.
Die Gazelle drehte knapp über dem Boden scharf bei. Mit dröhnenden Rotoren umkreiste sie das Wrack.
»Landen!«, rief Stratton. »Schnell!«
Brennan lag in der Hecke, benommen und blutend. Er versuchte, die Kontrolle über seinen Körper zurückzuerlangen und sich zu bewegen, aber seine Arme und Beine wollten seinem Willen einfach nicht gehorchen. Schließlich taten sie es doch. Er bewegte die Beine, suchte nach festem Boden unter den Füßen und schleifte sich in der Hecke. Neben ihm lag Sean, mit verdrehten Gliedern und mausetot. Das Feld befand sich direkt vor ihm. Er packte einen dornigen Ast und zog sich daran vorwärts. Alles tat ihm weh und er wartete auf den stechenden Schmerz, der ihm mitteilen würde, dass er sich etwas gebrochen hatte. Seine Sinne sammelten sich. Er konnte den Helikopter hören und die Erinnerungen an die jüngsten Ereignisse kehrten zurück. Er verstärkte seine Anstrengungen, sich vorwärtszuziehen. Der Schmerz durchzog dumpf seinen ganzen Körper, aber es schien nichts gebrochen zu sein.
Sich das Blut aus den Augen wischend, streckte er die Arme aus der Hecke und berührte den Boden. Er vergrub seine Finger in die Erde und zog sich weiter nach vorn, rollte aus dem Dickicht auf den Rücken und gönnte sich ein paar wertvolle Sekunden, um zu verschnaufen, bevor er sich zwang, aufzustehen. Als er sich auf den Bauch drehte, um sich hochzudrücken, berührte seine Hand etwas Metallisches. Seine Maschinenpistole. Er schaffte es auf die Knie und hob sie mit seinen verschrammten, zitternden Händen auf, schrie dann vor Schmerz. Sein Bein. Er hatte vergessen, dass eine Kugel direkt hindurchgegangen war. Aber der Drang zu überleben übernahm das Kommando und er zwang sich, einen Schritt zu machen. Sein Bein knickte beinahe weg, aber er hatte noch genug Muskelkraft, um sich aufrecht zu halten.
Er sah den Helikopter auf der anderen Seite des Wegs über dem Feld schweben und richtete die Waffe zitternd darauf, doch dann verlor er die Balance und fiel beinahe hin. Er fing sich wieder, zielte erneut und zog den Abzug. Aber die Waffe ging nicht los. Er überprüfte den Sicherheitsriegel und ließ sie fast fallen. Dann zog er das Magazin heraus, überprüfte, ob Munition darin war, und schob es wieder rein. Er spannte den Hahn, zielte und betätigte erneut den Abzug. Sie feuerte, und das auch noch im Automatikmodus!
Stratton hatte bereits seinen Gurt geöffnet und lehnte sich weit aus der Kabine, während der Helikopter etwa drei Meter über dem Boden schwebte. Beim Geräusch des Gewehrfeuers sprang er und zog das Kabel der giroskopischen Zielhilfe aus der Konsole. Er landete auf dem Boden, drückte die Waffe gegen die Schulter und suchte nach einem Ziel, während der Helikopter rückwärts flog, um dem Beschuss zu entkommen.
Stratton sah Bewegung hinter der Hecke in der Nähe des Busses, aber er wollte nicht auf jemanden schießen, den er nicht identifizieren konnte.
Die Gazelle landete nicht weit hinter ihm, die Rotoren drehten sich weiter. Stratton rannte nach vorn, erreichte die Hecke ein paar Meter hinter dem Bus, ließ das Gewehr fallen und zog seine Pistole. Er schlüpfte durch eine Lücke in der Hecke und trat auf den Weg. Alles war sehr still, abgesehen von dem zischenden Dampf aus dem Motor des Busses. Stratton machte eine Pause, um seine Sinne auf die Situation einzustellen, und bewegte sich dann vorsichtig zur Front des Busses. Offenbar war die Windschutzscheibe herausgeflogen. Ein Mann lag in der Hecke. Im Feld dahinter lag eine Maschinenpistole im Gras. Stratton ging langsam vorwärts, die Augen überall, und griff durch die Hecke nach dem Lauf der Waffe. Er war heiß. Dann hörte er etwas, das sich wie ein brechender Zweig in einiger Entfernung anhörte. Er stellte sich auf die vordere Stoßstange des Busses, um über die Hecke sehen zu können. In einiger Entfernung humpelte ein Mann schwerfällig davon.
Stratton trat wieder auf den Weg und ging zum Heck des Wagens. Eine der Türen war durch den Aufprall herausgerissen. Er sah hinein. Etwas bewegte sich und man hörte schweres Atmen. Stratton kletterte hinein und sah die beiden Iren mit gebrochenen Knochen und blutend an der Rückseite der Sitze liegen. Derjenige, der zwischen Kiste und Sitz eingeklemmt war, bewegte sich nicht und anhand der unnatürlichen Position seines Kopfes, der etwa zu drei Viertel nach hinten gedreht war, konnte man sehen, dass wohl sein Genick gebrochen war. Der andere lag in verkrümmter Haltung auf dem Boden, unfähig, sich zu bewegen, und starrte Stratton an, jeder Atemzug klang gequält. Aus der Kiste, die auf der Seite lag, kam ein Geräusch. Stratton ignorierte den Verletzten und drehte die Kiste um, damit der Deckel oben war. Er entdeckte den Einschuss im Deckel und die entsprechende Austrittsöffnung auf der Seite. Er entriegelte und öffnete ihn, mit der Befürchtung, Spinks schwer verletzt vorzufinden.
Spinks lag leicht gequetscht in dem beengten Raum und blinzelte zu Stratton hoch, bemüht, seine Augen an die Helligkeit zu gewöhnen. Er sah ängstlich und hoffnungsvoll zugleich aus.
»Bist du okay, Spinks?«
Spinks blinzelte angestrengt und konnte wieder halbwegs klar sehen. Er kannte diese Stimme.
»Stratton?«
»Kannst du laufen?«
»Stratton«, wiederholte er, immer noch in Angst, dass das nur eine Halluzination war. »Sag mir, dass das wirklich du bist.«
»Ich bin es. Bist du verletzt?«, fragte Stratton, bemerkte dann das Blut auf Spinks' Jacke und bückte sich, um es sich genauer anzusehen.
»Du bist getroffen worden.«
»Die haben mich angeschossen«, sagte Spinks.
Stratton ging seine Optionen durch, falls er Spinks nicht hätte bewegen können. Keine davon klang gut. Es war nur darum gegangen, Spinks zu retten, und es machte keinen Sinn, irgendetwas zu tun, dass seine Gesundheit in Gefahr bringen konnte, jetzt, wo sie so weit gekommen waren.
Es war, als hätte Spinks seine Gedanken gelesen. »Wo sind wir?«, fragte er.
»Im Süden.«
»Dann sollten wir besser verschwinden.« Er streckte die Hände aus, packte die Seiten der Kiste und zog sich daran hoch. Schmerz schoss ihm durch die Brust und Stratton griff schnell nach ihm.
»Vorsichtig«, sagte Stratton.
Spinks musste mehrmals durchatmen. »Ich schaffe das.« Er zog sich noch mal hoch, bis er aufrecht saß. Stratton inspizierte die Ein- und Austrittspunkte an Spinks Oberkörper. »Die Schusswunde ist an dieser Stelle harmlos.«
»Das ist gut«, sagte Spinks im Versuch, sarkastisch zu sein. Dann sammelte er seine Kräfte, um mit Strattons Hilfe aufzustehen und aus der Kiste zu steigen. Seine Knie gaben fast nach, als sie wieder