STRATTON: DIE GEISEL. Duncan Falconer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Duncan Falconer
Издательство: Bookwire
Серия: Stratton
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352827
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und sie war bei Weitem nicht garantiert – konnte er sich noch maximal auf drei oder vier weitere Jahre in der Navy freuen, dann würde er sich einen zivilen Job suchen müssen. Allein der Gedanke daran deprimierte ihn. Sein Traum war eine unbegrenzte Dienstzeit, aber das hing davon ab, wie er mit dieser ausländischen Spezialeinheit, auf der seine eigene amerikanische ursprünglich basierte, klarkommen würde, und ob er sie beeindrucken könnte. Er hatte mehrere Briefings darüber erhalten, was er erwarten und wie er sich verhalten sollte. Die beiden Organisationen waren zumindest verwandt, das hieß, beide gehörten zur Navy und waren auf dem Wasser zu Hause, wenn auch nicht ausschließlich, dennoch waren sie sehr verschieden. Die Amerikaner vermittelten den Eindruck, etwas entspannter zu sein als die Briten, und meistens war das auch so, aber die SEALs hatten tatsächlich eine sehr viel striktere Struktur und waren traditioneller als der SBS. Die SEALs hatten außerdem sehr viel mehr Geld zur Verfügung. Der SBS hatte in den letzten paar Jahrzehnten mehr Einsätze gehabt und auch mehr Erfolge zu verzeichnen, aber Hank war davon nicht eingeschüchtert und stolz, ein Navy SEAL zu sein.

      Wenn er in zwei Jahren mit einer herausragenden Beurteilung zurückkehren wollte, dann musste er sie beeindrucken, das war ihm klar. Das Problem war nicht, ob er seine Ziele erreichen konnte, sondern wie. Er war im Golfkrieg im Einsatz gewesen, auch wenn das im Großen und Ganzen eine Enttäuschung für die SEALs war, die kaum eingesetzt worden waren. Sein Team hatte eine kleine Ölplattform im persischen Golf eingenommen, damit die Iraker sie nicht zerstören konnten, aber es hatte keinen Widerstand gegeben, im Grunde nur eine Formalität. Er war auch Teil des Teams gewesen, das die amerikanische Botschaft in Kuwait befreit hatte, aber das war nur eine Show für die Presse gewesen, sich von einem Helikopter auf ein Dach abzuseilen, während Journalisten, die schon seit Tagen dort lauerten, die ganze Aktion von der Straße aus filmten, auf der eine Art Karnevalsatmosphäre herrschte. Somalia war etwas aufregender für ihn gewesen, aber er verpasste die größeren Einsätze. Afghanistan hatte hoffnungsvoll angefangen, aber in einer weiteren Enttäuschung geendet. Er war wie immer – so kam es ihm zumindest vor – zu spät gekommen, um etwas von der Action mitzubekommen. Es ging stets darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und leider war er das nie. Zwei Jahre bei den Briten hießen jedoch nicht, dass sich keine solche Möglichkeiten mehr bieten würden. Es gab Gerüchte über Austauschoffiziere, die mit den Briten im Einsatz waren, und nicht nur im Golf oder in Afghanistan. Er würde einfach warten müssen und sehen, was an den Gerüchten dran war.

      Hank überprüfte, ob seine Töchter neben ihm gut angeschnallt waren, und warf Kathryn auf der anderen Seite des Ganges einen Blick zu. Für ihn sah sie immer wunderschön aus, selbst wenn sie gestresst und unglücklich war. Ihr kastanienbraunes, schulterlanges Haar glänzte, als sei es frisch gewaschen. Es faszinierte ihn, dass es anscheinend immer perfekt fiel. Aber ihre Augen sahen müde aus und sie starrte ins Nichts. Auf ihrer Stirn waren ein paar Falten zu sehen. Sie war immer noch sauer, dass sie Economy Class flogen. Das war hart, dachte er. Der Verdienst im Ausland machte das zu einer lukrativen Reise und er wollte es nicht auf ein teures Upgrade verschwenden. Es störte ihn, dass sie keinen Sinn für Geld hatte. Hanks Philosophie war die eines Soldaten der Special Forces: Wirtschaftlichkeit und weise Vorausplanung, aber trotz seiner Hartnäckigkeit hatte er vermutlich genauso viele Auseinandersetzungen mit Kathryn verloren wie gewonnen. Die beiden Sachen, bei denen es ihn am meisten reute, nachgegeben zu haben, waren das Haus und das Auto. Beides war teurer gewesen, als sie sich vernünftigerweise leisten konnten. Er ärgerte sich jedes Mal, wenn er an die jeweiligen monatlichen Raten dachte. Jetzt war das verdammte Auto auch noch zwei Jahre eingelagert, während sie weiter dafür zahlten.

      Er widmete sich wieder der Aussicht aus seinem Fenster und seine Gedanken kreisten erneut um seine neue Position. Er hatte keine Ahnung, was er tun würde, sobald er in Poole ankam. Auf gewisse Weise war die Ankunft in England wie ein Neuanfang. Das war für ihn einer der größten Vorteile. Neue Freunde zu finden war kein Problem. Er arbeitete gern hart und feierte noch härter, was einerseits ein Problem war, aber andererseits zu seinem Charme beitrug. Bei dieser Reise hatte er geplant, noch etwas mit den Partys zu warten, bis er die Leute besser kannte. Leider machte Hank sich gern zum Idioten, wenn er betrunken war. Das war einer der Gründe, wieso er beinahe die Beförderung nicht bekommen hätte, die er brauchte, um sich für diesen Job zu qualifizieren. Aber bei dieser Reise ging es nicht nur um einen guten Eindruck, sondern auch darum, das gute Verhältnis zu den Kollegen auf der anderen Seite des Großen Teichs aufrechtzuerhalten. Hank hatte erfahren, dass sein Boss die Entscheidung letztlich auch darauf gegründet hatte, dass Hank sich bei den Briten prima einfügen würde; die tranken schließlich auch gern mal ein Bier.

      »Mami.« Helen lehnte sich über den Gang. »Sind wir bald in England?«

      »Ja, Süße. Wir sind bald in England.« Kathryn wünschte sich, ihr kleines Mädchen wäre nicht ganz so begeistert. Die Nase des Flugzeugs kippte ein wenig, als es auf eine niedrigere Höhe ging.

      »Halt dir die Nase zu und puste, so wie wir es geübt haben, Süße«, wies Kathryn sie an. »Du auch, Janet.« Die beiden Mädchen kniffen sich die Nasen zu und pusteten, ihre kleinen Wangen blähten sich auf.

      »Da hat was gepoppt, Mami«, sagte Janet.

      »Das ist gut, Kleine.« Kathryn sah Hank an, der immer noch aus dem Fenster starrte und sich abwesend die Hände rieb. Sie wollte ihre Hände auf seine legen und ihm sagen, dass alles gut werden würde, aber sie konnte es nicht. Er machte sich vielleicht Sorgen wegen der nächsten zwei Jahre, aber das tat sie auch. Sie war sauer, weil er ihre Bedürfnisse nicht verstand. Während er nur seinen Job erledigte, standen ihr zwei Jahre in der Hölle bevor.

      Kathryn stand in der Ankunftslounge zwischen zwei Trolleys, auf denen je ein Stapel Koffer aufgetürmt war. Helen und Janet saßen müde auf den Kofferstapeln. Hank war hinausgegangen, um nach Marty zu suchen, der sich mit ihnen treffen sollte. Kathryn war müde und fragte sich, wie lange es dauern würde, da hinzukommen, wohin auch immer sie fuhren. Sie hatte keine Lust, eine Landkarte in die Hand zu nehmen, und nicht den leisesten Schimmer, wohin sie unterwegs waren, wie weit es war oder in welchem Teil Englands es lag.

      Sie blickte sich in dem belebten Terminal um, betrachtete die Menschen fremder Völker, die sie nie zuvor gesehen hatte, und hörte Sprachen, bei denen sie nur raten konnte, um welche es sich handelte. Sie hörte Amerikaner und streckte den Hals, um zu sehen, woher die Stimmen kamen. Sie waren nicht schwer zu erkennen: Eine laute, wohlgenährte Gruppe in sauberer, farbenfroher Kleidung; Rentnerehepaare aus Texas oder Arizona, vermutete sie. Sie sah ihnen zu, wie sie auf einen Ausgang zugingen, hinter dem wohl das Bus-Terminal lag.

      Sie war tatsächlich hier, dachte sie. Verdammtes England. Sie fühlte sich betäubt. Es gab keinen einzigen positiven Aspekt, in England zu sein, dafür jedoch unzählige negative. Das Haus zu verlassen war unerträglich gewesen. Sie hasste die Menschen, denen sie es vermietet hatten: einem Lieutenant des SEAL-Teams 4 von der Westküste und seiner hochnäsigen kalifornischen Ehefrau. Die Frau ließ sich anmerken, dass sie es für unter ihrer Würde hielt, ein Haus von einem Unteroffizier zu mieten, aber wie sie, sehr zu Kathryns Verdruss, mehr als einmal sagte: »Es gab einfach keine Auswahl.« Was wohl bedeutete, Kathryns Haus war für sie nur ein Notnagel.

      Sich von ihren Freunden zu verabschieden war fast genauso schlimm gewesen. An dem Tag, als sie zum Flughafen fuhren, wäre sie eigentlich an der Reihe gewesen, das gemeinsame wöchentliche Abendessen der Ehefrauen auszurichten. Hank fand, es sei zu unwichtig, um deswegen zu jammern, aber es hatte für alles gestanden, was ihr wichtig war. Ihr Sozialleben hatte alles andere überragt. Die meisten ihrer Freundinnen hatten Ehemänner bei der Navy und waren junge Mütter. Es gab immer irgendwo eine Geburtstagsparty, eine Babyparty oder ein Picknick zu besuchen oder zu planen. Jedes Wochenende veranstaltete jemand ein Barbecue. Nie ging sie allein einkaufen; ein Anruf genügte und sie fand mindestens eine andere Ehefrau, die mitging und das Ganze in einen Tagesausflug verwandelte. Ihre Freundinnen und die Treffen mit ihnen waren wohl das Wichtigste für sie. Und im Zentrum standen natürlich die Kinder.

      Als sie da in der Flughafenlounge stand, Tausende Meilen von alledem entfernt, fühlte sich Kathryn, als sei sie mit den Wurzeln aus ihrem Leben gerissen worden. Sie hatte sogar das Packen bis zur letzten Minute aufgeschoben, gehofft und gebetet, dass die Reise irgendwie ins Wasser fallen würde. Nie in ihrem Leben hatte sie damit