STRATTON: DIE GEISEL. Duncan Falconer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Duncan Falconer
Издательство: Bookwire
Серия: Stratton
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352827
Скачать книгу
ich habe ein Signal. Ich wiederhole, ich habe ein Signal Richtung Gelb vier.«

      Die Worte übertrugen die Aufregung direkt in die Einsatzzentrale und die Spannung stieg explosionsartig. Mike war schneller als Graham am Handset und schnappte es. »Roger, Whisky One, Richtung Gelb vier. Alle Kräfte Richtung Gelb vier. Funkstille, außer es ist ein Notfall. Out.«

      Das Aufklärungsteam stürmte in den Raum, nur um zuzusehen. Das war alles, was sie im Moment tun konnten.

      Das Telefon klingelte. Graham nahm ab. »Einsatzzentrale«, meldete er sich sofort und hörte der Stimme am anderen Ende zu. »Es ist Bill Lawton«, sagte er zu Mike.

      Mike war in die Karte vertieft und lenkte ein wenig seiner Konzentration auf den Anruf. »Was hat der Gardaí gesagt?«

      »Haben Sie das gehört?«, sprach Graham in den Hörer. Das hatte Bill offenbar. Er ratterte eine Antwort herunter. »Er hat gesagt, sie schicken so viele Leute wie möglich über die Grenze gegenüber Aughnacloy«, gab Graham weiter.

      »Was ist mit London?«, fragte Mike, als Graham ihm das Telefon hinhielt und den Hörer dann wieder an sein eigenes Ohr presste, um die Antwort zu hören.

      »Darum hat sich der Boss gekümmert«, sagte Graham ins Telefon. »Er hat nichts gehört, das heißt, Bill hat auch nichts gehört«, sagte er zu Mike. »Bill meint, die überlassen es uns, was wir unternehmen.«

      »Das heißt also, sie haben keinen Schimmer, was sie tun sollen«, sagte Mike. »Okay. Sonst noch was?«

      Graham hörte einen Moment zu. »Okay«, sagte er und legte den Hörer wieder auf die Gabel. »Nein. Er wird am anderen Ende der Leitung bleiben, falls wir ihn brauchen, und hat uns viel Glück gewünscht.«

      »Das sollte man sich für Spinks aufsparen«, murmelte Mike. Er fing an, auf kleiner Fläche hin und her zu tigern, die Augen unablässig auf die Karte gerichtet, ohne sie jedoch wirklich wahrzunehmen. Augen und Ohren von so ziemlich allen anderen waren auf den Lautsprecher an der Wand fixiert. Jetzt lag alles in Strattons Hand.

      Aggy stand neben ihrem zerstörten Wagen auf dem Feld und hörte sich die Übertragung an. Man hatte sie und Ed mehr oder weniger vergessen, und solange sie sich nicht wegen irgendeines Problems über Funk meldeten, würde es so bleiben, bis das alles vorbei war. Ed saß im Wagen und rauchte eine Selbstgedrehte. Er war wieder ganz der Alte, ruhig und gelassen, und hatte bereits einige Vorschläge auf Lager, was die Einsatzzentrale als Nächstes tun sollte. Dann hörte sie die Gazelle und alles andere war vergessen.

      Sie ging weiter aufs Feld und hoffte, sie hinter den Bäumen auf der anderen Seite der Straße sehen zu können. Es klang so nah. Als die Gazelle tatsächlich in Sichtweite kam, befand sie sich weiter südlich, als sie erwartet hätte, in der Nähe des Waldes. Richtung und Entfernung des Schalls waren wie immer trügerisch. Sie war etwa eine halbe Meile entfernt, ein schwarzer Umriss am Himmel und schnell wie eine Rakete. Sie hörte seine Stimme über das Funkgerät und wusste, dass er darin saß. Vielleicht würde er sie sehen. Der Helikopter würde vor ihr vorbeifliegen, vielleicht ein wenig näher, als er jetzt war. Er würde wissen, wo sie war und dass es ihr gut ging. Dann begann sie sich zu fragen, wen sie eigentlich auf den Arm nehmen wollte. Er würde nicht an sie denken, geschweige denn sich Sorgen machen, ob sie noch in einem Stück war. Sie konnte nicht erwarten, dass er auch nur in ihre Richtung sehen würde. Man konnte einfach nicht wissen, was im Kopf dieses Mannes vor sich ging, egal in welcher Situation. Sie hatte ihn oft dabei ertappt, wie er sie ansah, aber nie hatte sie etwas in seinen Augen wahrgenommen, das ihr Hoffnung gegeben hätte. Ein Hauch Verlangen oder auch nur ein dünnes Lächeln wäre schön, aber sie sah nie etwas, das entfernt auf Interesse hindeutete. Es wirkte so, als hätte er nur zufällig in ihre Richtung gesehen.

      In diesem Moment würde er nur an das denken, was er am meisten liebte und am besten konnte. Sie machte sich keine Sorgen oder hatte Angst um ihn, nicht mal ein wenig. Ihre Gefühle für ihn waren vielleicht verworren, aber einer Sache war sie sich sicher: Solange er da oben war, gab es Hoffnung für Spinks. Stratton vermittelte jedem dieses Gefühl. Wenn er Teil eines Teams war, bei einem Einsatz, wenn seine ruhige, kräftige Stimme über Funk zu hören war, dann war klar, dass man zum Gewinnerteam gehörte. Sie fragte sich, ob es nicht einfach nur simple Heldenverehrung war, was sie für ihn empfand. Sie würde ihm in die Hölle folgen, wenn das ihr Auftrag wäre. Er wirkte überlebensgroß, und niemand, den sie je getroffen hatte, weckte diese Gefühle in ihr.

      Stratton starrte, ohne zu blinzeln, auf den Richtungsanzeiger, als das Licht erst nach rechts, dann nach oben, dann nach links flackerte. Er gab dem Piloten hastige Anweisungen und versuchte, den obersten Knopf am Leuchten zu halten, denn das bedeutete, das Signal war direkt voraus. »Ein bisschen nach links, links … geradeaus. Nicht tiefer gehen. Auf 500 Fuß bleiben. Noch etwas nach links. Geradeaus.«

      Er prüfte seine Karte. Eine Linie durch ihre Position gezogen und in die Richtung verlängert, in die sie flogen, reichte über die Grenze, aber nur ein wenig. Das hieß, Spinks war immer noch im Norden. Er warf einen Blick über die rechte Schulter auf ein Feld in einer halben Meile Entfernung. Am Rand, außerhalb des Waldes, befand sich ein Auto etwas von der Straße entfernt im Feld. Eine Person stand daneben und blickte zum Hubschrauber hoch. Er sah noch einen Moment hin und dann wieder auf den Empfänger des Transpondersignals.

      Brennan saß vorn neben Sean, der den Bus steuerte. Sie hatten den Ort hinter sich gelassen und fuhren durch eine ländliche Gegend. Zwei weitere Männer saßen hinten auf der Kiste, die das einzige Objekt im Bus war. Sie waren mittleren Alters, hatten rote, wettergegerbte Gesichter, als hätten sie ihr ganzes Leben im Straßenbau unter freiem Himmel verbracht. Der Bus hielt an einer Kreuzung.

      »Geradeaus«, sagte Brennan.

      »Ich weiß, wo wir hinmüssen«, sagte Sean, der sich bewusst war, dass er mit dem Feuer spielte. Brennan Widerworte zu geben war wie russisches Roulette. Sean war sich nicht einmal sicher, wieso er überhaupt etwas gesagt hatte, abgesehen davon, dass Arroganz und Gesprächigkeit eben in seiner Natur lagen. Vielleicht hatte die Gefahr sein Blut in Wallung gebracht und er war streitlustig geworden. Brennan war nicht der Einzige, der zu ein wenig Wahnsinn fähig war, besonders hinter dem Steuer eines Wagens.

      »Ist mir scheißegal, was du weißt. Tu einfach, was ich dir sage, wenn ich es sage, und keine Widerrede«, bellte Brennan. »Das ist kein scheiß Test, ob du die Gegend kennst. Selbst wenn wir durch dein Haus gehen würden, würde ich dir sagen, wo es langgeht. Vorlauter Bastard.«

      Brennan war sich bewusst, dass er nicht so cool war wie normalerweise in seinem Job. Er hatte schon viel schlimmere Dinge getan als das hier, aber er war nervöser als sonst. Seine Augen waren überall, starrten in jedes Auto, das vorbeifuhr, in die Luft, hinter jede Hecke. Jede Meile näher an der Grenze steigerte seine Unruhe und seine Aufregung. Aber seine Angst zu versagen war größer als seine Angst vor einem Kampf. Das war in seine Seele eingegraben, eine Lektion, die er früh im Leben gelernt hatte. Er war 16 gewesen, als er das erste Mal jemandem in die Kniescheiben schoss, aber er musste warten, bis er 21 war, bevor er seine erste Exekution durchführen durfte. Es war an seinem Geburtstag gewesen und er hatte ein paar Drinks gehabt – nicht, dass er es gebraucht hätte, sich Mut anzutrinken. Die Jungs hatten es als kleine Überraschung und Feier seines Eintritts ins Erwachsenenalter vorbereitet. Das Opfer war ein 16-jähriger Protestant gewesen, den sie von der Straße geschnappt und in eine entlegene, ländliche Gegend gefahren hatten. Der Teenager war der Sohn eines bekannten Mitglieds der Ulster Volunteer Force, der zum Abschuss freigegeben war.

      Nie würde Brennan das vergessen. Nicht, weil es sein erster Kill war, sondern weil er das nicht war. Er hatte es vermasselt, obwohl er alles den Anweisungen gemäß getan hatte. Den Lauf der Waffe hatte er dem Jungen mittig auf die Stirn gehalten, den Hahn gespannt, ihm in die Augen gesehen, irgendeinen fiesen Lebewohlspruch zum Besten gegeben und dann langsam den Abzug betätigt. Niemand hatte Brennan gesagt, er solle so ein Aufheben um das Geschwätz vor dem Schuss machen. Das Leid seines Opfers zu verlängern, indem er ihn qualvoll verspottete, war eine Art der Folter, für die er sich in diesem Moment entschieden hatte. Als er den Abzug zog, feuerte die Pistole und die Explosion trieb die Kugel durch den Kopf des Jungen und auf der anderen Seite wieder heraus.