STRATTON: DIE GEISEL. Duncan Falconer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Duncan Falconer
Издательство: Bookwire
Серия: Stratton
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352827
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ihre, aber was bedeutete das schon? Wenn sie versuchte, mit ihm über das Ganze zu reden, meinte er nur: »Die führen doch keinen Krieg gegen dich.«

      »Bockmist« hatte ihre Mutter diesen Kommentar genannt. »Sie haben Krieg gegen die Iren geführt, und wir sind Iren«, beharrte sie. Hank sagte, Kathryn benutze diese Sache mit den Iren nur als Ausrede und dass sie sich in Wahrheit einfach nicht von ihren Freunden trennen wollte.

      Kathryn hatte schließlich klein beigegeben, weil Hank damit gedroht hatte, die SEALs zu verlassen, wenn sie nicht mitkam; für die Position musste man verheiratet sein und seine Frau dabei haben, ohne sie konnte er also nicht gehen. Sie hatte ihn noch nie so wütend gesehen wie in dem Moment, als sie sich zuerst geweigert hatte. Später an diesem Abend war er betrunken nach Hause gekommen, und sie hatte gefürchtet, er würde das ganze Haus demolieren. Wenn er die Navy verlassen würde, hätten sie sowieso aus Norfolk wegziehen müssen, damit er Arbeit fände. Sie bezweifelte, dass er diese Drohung wahr machen würde, wollte es aber nicht riskieren. Manchmal tat er verrückte Dinge. Hank versuchte, sie mit dämlichen Kommentaren zu trösten, etwa dass es nicht so schlimm sein würde, wenn sie erst mal neue Freunde gefunden hätte. Er kapierte es einfach nicht – sie wollte nichts mit den Engländern zu tun haben. Sie war realistisch genug, um zu wissen, dass sie die Frauen der anderen nicht komplett ignorieren konnte, aber sie hatte nicht vor, sich mit irgendeiner von ihnen anzufreunden. Die Mädchen würden natürlich in der Schule Freundinnen finden und sie mit nach Hause bringen wollen. Dann würden die Mütter natürlich auf einen Kaffee reinkommen wollen und bestimmt absolut dämliche Fragen darüber stellen, wie es in Amerika war. Es würde Geburtstagspartys geben und Übernachtungen. Je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr sorgte sie sich, dass sie das nicht mal eine Woche, geschweige denn zwei Jahre durchhalten würde.

      »Mami? Ich will was trinken.« Helen sah aus, als würde sie gleich einschlafen.

      »Du musst noch ein bisschen warten, Süße.«

      »Aber ich hab Durst.«

      »Papi hat das ganze englische Geld.«

      Kathryn sah, wie sich Hank eilig durch die belebte Halle auf sie zubewegte. Ein Mann, der ihr vage bekannt vorkam, folgte ihm. Er musste mindestens 1,90 Meter oder 1,95 groß sein. Auf jeden Fall ein paar Zentimeter größer als Hank.

      Hank war ein wenig außer Puste. Er schnappte sich einen der Trolleys und steuerte in die Richtung, aus der er eben gekommen war. »Halt dich fest, Süße«, sagte er zu Janet und dann zu Kathryn, während er den Trolley vor sich herschob: »Wir müssen uns beeilen. Marty hat im Halteverbot geparkt.«

      »Hi«, sagte Marty mit sorglosem Lächeln. Er hatte einen zweiten Trolley dabei, es aber längst nicht so eilig wie Hank, der bereits vorausgelaufen war.

      »Ich habe Hank gesagt, dass wir uns nicht so beeilen müssen.« Marty hatte den langsamen Akzent aus dem mittleren Westen. »Die drehen hier nicht gleich durch wie in den Staaten, wenn man mal falsch parkt.«

      »Achtung, Platz da«, rief Hank einigen Menschen zu, die ihm im Weg standen.

      Kathryn hob Helen von dem Trolley, den Marty schob, und rang sich ein Lächeln ab, so unbehaglich sie sich auch in Gegenwart von Fremden immer fühlte. »Ich bin Kathryn.«

      »Wir haben uns mal vor ein paar Jahren bei einem Tag der offenen Tür getroffen«, sagte Marty. »Meine Frau heißt Kate.« Marty war breiter als Hank und wirkte ein wenig wie der nette Junge vom Land. Er sah beinahe gut aus.

      »Ich erinnere mich«, sagte sie. »Tut mir leid, aber ich kann mich nicht an deine Frau erinnern. Kate, richtig?«

      »Ja«, sagte er. »Ich hatte sie in der Woche gerade erst aus Kentucky rausgeschleift. Sie war damals noch ein wenig schüchtern, wollte niemanden kennenlernen.«

      Kathryn entschied, dass sie Marty und seine langsame, bedächtige Art zu reden und sich zu bewegen, mochte.

      Hank blickte zurück, um zu sehen, wie weit sie hinter ihm waren. »Komm schon, Schatz. Oder das Auto wird abgeschleppt«, rief er.

      Marty bedeutete Kathryn höflich, vorauszugehen. Sie fragte sich, wie gut Marty Hank kannte. Sie schienen sehr unterschiedliche Charaktere zu sein. Sie nahm Helens Hand und ging ihrem Ehemann nach.

      Bis Marty zur Auffahrt auf die M3 gekommen war, hatte es sich jeder in seinem Sitz so gut wie möglich bequem gemacht, Kleidung zu Kissen zusammengeknüllt, und war bereit für die Fahrt.

      »In zwei Stunden sollten wir in Poole sein; vielleicht mehr, wenn sich der Stau nicht auflöst«, sagte Marty.

      »Ist der Verkehr immer so schlimm?«, fragte Hank, als sie zwischen einem Lastwagen und einem Doppeldeckerbus eingequetscht den dreispurigen Highway entlangschlichen.

      »Auf einem der Zubringer hat es vor ein paar Stunden einen Bombenalarm gegeben. Deswegen kam ich zu spät. Wir sind bald dran vorbei.«

      »Bombenalarm? Wer war dafür verantwortlich?«, fragte Hank.

      »Wahrscheinlich die RIRA. Die haben kürzlich ihre Attacken auf dem Festland verstärkt.«

      »RIRA?«, fragte Hank, der den Begriff noch nie gehört hatte.

      »Die Real IRA. So nennen die sich selbst. Sie sind eine der neuen Gruppen seit dem Waffenstillstand.«

      »Die gehören zur IRA, oder?«, wollte Hank wissen.

      »Vermutlich. Es gibt die offizielle IRA, die originale alte Truppe, und dann die ›Provisional‹ IRA. Eigentlich sollten die sich alle an den Waffenstillstand halten. Und dann gibt es da noch die ›Continuity‹ IRA, die sind so ähnlich wie die Real IRA. Die setzt sich aus Angehörigen der PIRA zusammen, der Provos, die den Waffenstillstand ablehnen. Ursprünglich formierten sich die Provos in den 1960er- oder 1970er-Jahren. Es waren Typen, die der Meinung waren, dass die IRA in diesen Tagen nicht hart genug kämpfte. Im Grunde hat sich für die meisten Katholiken in Nordirland nicht viel geändert. Die wollen immer noch die Briten loswerden.«

      »Wieso verschwinden die dann nicht einfach?«, fragte Kathryn mehr sich selbst. Eigentlich wollte sie sich gar nicht unterhalten.

      »Das Problem ist, die Protestanten wollen britisch bleiben und es gibt mehr von ihnen als von den Katholiken. Außerdem haben sie mehr Einfluss und mehr Geld … Das Komische ist, dass die Briten zuerst Truppen nach Nordirland geschickt haben, um die Katholiken vor den Protestanten zu beschützen. Der erste britische Soldat, der getötet wurde, wurde von einem Protestanten getötet, oder war es andersherum? Ja, vermutlich war der Erste, den die Briten erschossen haben, ein Protestant. Vielleicht trifft auch beides zu. Egal, offenbar hat sich nicht viel geändert, wie gesagt. Außer natürlich seit dem elften September. Seitdem hat der Terrorismus sogar in Irland nicht mehr so viele Unterstützer, wie damals, bevor die Türme getroffen wurden.«

      »Was ist mit den englischen Terroristen?«, fragte Kathryn.

      Hank rollte mit den Augen.

      »Wie bitte?«, fragte Marty.

      »Hast du noch nie von der großen Hungersnot gehört?«

      »Die große Hungersnot?«, fragte Marty.

      »Das war, als die Engländer versuchten, die gesamte irische Nation auszulöschen«, sagte sie.

      »Sorry, aber Geschichte ist nicht so mein Ding«, sagte Marty, der sie im Rückspiegel ansah. Er grinste. »Mit der Einstellung wirst du dir hier nicht viele Freunde machen.«

      Kathryn starrte aus dem Fenster. Als wenn ihr das was bedeutet hätte.

      Hank wusste, worauf Kathryn hinauswollte, und sagte nichts.

      »Was ist ein Bombenalarm, Mami?«, fragte Helen, die am Daumen lutschte und sich bemühte, nicht einzuschlafen.

      Hank lehnte sich zwischen den Sitzen nach hinten und zog die Decke bis zu ihrem Kinn hoch, damit sie es schön gemütlich hatte. »Das ist, wenn Menschen versuchen, andere zu erschrecken, Süße. Ist dir warm genug?« Helen nickte, wobei ihr schon fast die Augen zufielen.

      »Will