Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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zögernd dahinziehenden Sekunden tief in ihre Erinnerung.

      Der Generaladjutant Graf Crenneville trat ein. Neben ihm befand sich der hannöverische Gesandte Generalmajor von dem Knesebeck in der großen hannöverischen Generalsuniform und ihnen folgte der Flügeladjutant des Königs von Hannover, Major von Kohlrausch, eine einfache, militärisch stramme Erscheinung mit kurzem schwarzen Schnurrbart und fast kahlem Kopf.

      Herr von Knesebeck, der hohe stattliche Mann, welcher so zuversichtlich und fest im Salon des Grafen Mensdorff aufgetreten war, schritt gebeugt einher, Schmerz und Trauer lag auf den ernsten, scharf geschnittenen Zügen, und ohne ein Wort zu sprechen, grüßte er den Adjutanten vom Dienst.

      »Wollen Sie mich melden, lieber Baron,« sagte der Graf Crenneville zu dem Major von Fejérváry.

      Dieser trat in das kaiserliche Zimmer, kehrte augenblicklich wieder zurück und deutete durch eine ehrerbietige Bewegung dem Generaladjutanten an, daß der Kaiser ihn erwarte.

      Graf Crenneville trat in das Kabinet Franz Joseph's.

      Der Kaiser trug wieder den grauen weiten Militärmantel, — er saß in sich zusammengesunken vor dem breiten Schreibtisch, Feder, Papier und Briefschaften lagen unberührt vor ihm, nichts zeugte von der sonst so rastlosen Thätigkeit dieses Souveräns, der keine Stunde unbenützt entfliehen ließ. Es war nicht mehr Schmerz, dieser Ausdruck, welcher auf dem krampfhaft erregten und müden Antlitz des Kaisers lag, es war fast trostlose, dumpfe Verzweiflung.

      Traurig blickte der Generaladjutant auf diesen so tief gebrochenen Souverän, der da vor ihm saß, und mit leiser, bewegter Stimme sprach er:

      »Ich bitte Eure Kaiserliche Majestät, sich dem traurigen Eindruck dieser schwer erschütternden Nachricht nicht zu sehr hinzugeben. — Wir Alle — ganz Oesterreich blickt auf seinen Kaiser, — kein Unglück ist so groß, daß fester Wille und kühner Muth es nicht wieder zum Guten wenden können — und wenn Eure Majestät verzagen — was soll die Armee, — was soll das Volk thun?«

      Der Kaiser erhob langsam den trüben, matten Blick und fuhr mit der Hand über die Stirn, wie um den Druck seiner Gedanken fortzunehmen.

      »Sie haben Recht!« antwortete er dumpf, — »Oesterreich erwartet von mir Muth und Entschluß — und wahrlich!« rief er, das Haupt erhebend, indem ein zorniger Blitz aus seinem Auge fuhr, »Muth habe ich, und käme es nun darauf an, mich dem feindlichen Feuer entgegenzustellen, könnte meine persönliche Tapferkeit die Entscheidung bedingen, so sollte wahrlich der Sieg den Fahnen Oesterreichs nicht fehlen! — aber muß ich nicht glauben, daß ich zum Unglück bestimmt bin, daß mein Szepter Oesterreich verderbenbringend ist? Habe ich nicht Alles gethan, um den Erfolg zu sichern, habe ich nicht den Mann an die Spitze der Truppen gestellt, den die Armee, den das Volk als den Tüchtigsten bezeichnet — und nun!? — geschlagen!« rief er heftig und es klang wie Thränen durch seine Stimme, — »geschlagen nach so hohem, so stolzem Anlauf, geschlagen von diesem Feind, der seit Jahrhunderten das deutsche Erbe meines Hauses angreift, — den ich endlich für immer niederzuwerfen hoffte, — was helfen mir nun die Siege in Italien — wenn ich Deutschland verliere, — o — es ist zu hart!«

      Und der Kaiser stützte den Kopf in die beiden flachen Hände, während ein tiefer Seufzer seine Brust hob.

      Graf Crenneville trat ihm einen Schritt näher.

      »Majestät!« sagte er, »noch ist nicht Alles verloren, — Mensdorff bringt vielleicht gute Botschaft — dem Feinde hat die Schlacht auch viel gekostet — vielleicht läßt sich Alles wieder gut machen.«

      Der Kaiser ließ die Hände sinken und blickte den Grafen lange an.

      »Mein lieber Crenneville!« sagte er dann ernst und langsam, — »ich will Ihnen etwas sagen, was mir nie so klar geworden ist wie in diesem Augenblick. — Sehen Sie,« sprach er, den Blick träumerisch vor sich hin gerichtet, »die große Stärke meines Hauses, die Kraft, welche Habsburg und Oesterreich durch alle schweren Zeiten hindurchgeführt hat, — das war die Zähigkeit, jene unerschütterliche, unbeugsame Zähigkeit, welche ruhig sich beugt unter die Schläge des Unglücks, ohne einen Augenblick das Ziel aus den Gedanken zu verlieren, welche zu dulden, zu überwinden, zu warten versteht. — Gehen Sie die Geschichte durch, blicken Sie hin auf die schwersten, dunkelsten Zeiten, Sie werden bei allen meinen Vorfahren diesen Zug der unerschütterlichen Zähigkeit finden und Sie werden finden, daß dieser Charakterzug ihre Rettung war; — diese Zähigkeit,« fuhr er nach einem kurzen Schweigen fort, »diese habsburgische Ausdauer — sie fehlt mir, und das ist mein Unglück. Mich aber trägt die Freude auf leichten Schwingen himmelhoch empor, die großen Aufgaben des Lebens erfassen mich mit mächtiger Begeisterung — aber ebenso reißt mich die schwere Hand des Unglücks zu Boden — ich kann kämpfen — ich kann mich opfern— aber ich kann nicht tragen, nicht warten — o nicht warten!« rief er mit dem Ausdruck des Schauders.

      Dann plötzlich erhob er das Haupt, leicht drückte er die schönen Zähne in die volle Unterlippe und sprach, indem der ganze fürstliche Stolz von Habsburg-Lothringen aus seinen Augen leuchtete:

      »Sie haben Recht, Graf Crenneville — ich darf der Schwäche nicht nachgeben, — vergessen Sie, daß Sie mich so lange schon schwach gesehen, — ist das Unglück groß, so müssen wir größer sein als das Unglück!«

      »Je schwerer der Schlag ist, je tiefer ihn das Herz Eurer Kaiserlichen Majestät empfindet, um so mehr bewundere ich den kühnen Muth, den Eure Majestät jetzt — wie stets vorher — wiederfinden. — Ich freue mich um so mehr,« fuhr er fort, »daß Eure Kaiserliche Majestät so hoch über dem Unglück stehen, als gerade der hannöverische Gesandte General Knesebeck um Audienz bittet — er trägt fest und ritterlich den schweren Schlag, der seinen Herrn getroffen!«

      »Der arme König!« rief der Kaiser, — »er hat tapfer sein Recht vertheidigt und erwartet nun von mir Schutz und Hülfe! — Alle jene Fürsten,« fuhr er düster fort, »die ich in Frankfurt im alten Kaisersaal um mich versammelt, — wie soll ich je wieder vor ihnen erscheinen nach dieser schmählichen Niederlage —«

      Und wieder starrte er brütend vor sich hin.

      »Majestät!« rief Graf Crenneville mit leise bittendem Ton.

      Der Kaiser stand auf.

      »Führen Sie den General Knesebeck herein!«

      Der Generaladjutant eilte zur Thür und trat einen Augenblick darauf mit dem General von Knesebeck und dem Major von Kohlrausch wieder herein.

      Der Kaiser schritt dem General entgegen und reichte ihm in tiefer Bewegung die Hand.

      »Sie bringen traurige Botschaft, mein lieber General, ich bin von tiefer Bewunderung für Ihren königlichen Herrn erfüllt und beklage tief, daß so viel Heldenmuth nicht im Stande war, ein glücklicheres Resultat zu erreichen. — Hier haben Sie leider auch wenig Tröstliches gefunden« — fügte er mit einer gewissen Ueberwindung hinzu — und richtete dann — als wolle er diesen schmerzlichen Punkt nicht weiter berühren, den fragenden Blick auf den Major von Kohlrausch.

      »Majestät,« sagte der General von Knesebeck, »ich bitte vor Allem um die Erlaubniß, Allerhöchstdenselben den Major von Kohlrausch, Flügeladjutanten meines königlichen Herrn, vorzustellen, welcher um die Ehre bittet, ein Handschreiben Seiner Majestät überreichen zu dürfen.«

      Der Kaiser neigte freundlich das Haupt gegen den Major, welcher in dienstlicher Haltung vortrat und ein Schreiben in die Hände des Kaisers legte.

      Dieser öffnete es rasch und durchflog den kurzen Inhalt.

      »Seine Majestät theilt mir mit kurzen Worten die traurige Katastrophe mit und verweist mich im Uebrigen auf mündliche Mitteilungen, welche Sie mir machen sollen, Herr Major!«

      »Mein allergnädigster Herr,« sprach der Major von Kohlrausch im Tone dienstlicher Meldung, »hat mir befohlen, Eurer Kaiserlichen Majestät zu sagen, daß Er, nachdem seine Armee die größten Anstrengungen gemacht hat, um die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit seiner Krone und seines Königreichs siegreich zu vertheidigen, und nachdem diese Anstrengungen und der siegreiche Kampf bei Langensalza