Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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antwortete Graf Mensdorff, »die Armee zählt noch hundertachtzigtausend Mann, welche zwar in diesem Augenblick völlig operationsunfähig sind, — jedoch um neuen Widerstand zu leisten, nur Zeit und Sammlung bedürfen. Schutz und Ruhe bietet das verschanzte Lager von Olmütz und dorthin zieht der Feldzeugmeister die Hauptmacht zurück, um den Feind nach sich und von Wien abzuziehen —«

      »Von Wien abzuziehen!« wiederholte der Kaiser — »es ist entsetzlich — in so wenig Tagen bedroht mich dieser Feind, den ich für immer niederzuwerfen hoffte, in meiner eigenen Hauptstadt!«

      »Es steht zu hoffen,« sagte Graf Mensdorff, »daß die preußische Armee dem Feldzeugmeister folgt und vor Olmütz festgehalten wird, — indeß es muß für alle Fälle Wien gedeckt und die Möglichkeit der Wiederaufnahme einer neuen Offensive geschaffen werden, welche den Feind von zwei Seiten fassen kann.«

      General Knesebeck nickte beistimmend — der Kaiser richtete den Blick mit flammender Spannung auf seinen Minister.

      »Um dieß zu erreichen,« fuhr Graf Mensdorff fort, »bedürfen wir Ungarn und die italienische Armee.«

      Der Kaiser fuhr empor.

      »Glauben Sie,« rief er lebhaft, »daß aus dem Munde der Ungarn noch einmal zur Rettung Oesterreichs erschallen werde: Moriamur pro rege nostro!?«

      »Pro rege nostro,« sagte Graf Mensdorff, jedes Wort scharf betonend, »ja ich glaube es, — wenn Eure Majestät der rex Hungariae sein wollen!«

      »Bin ich das nicht?« rief der Kaiser, — »was soll ich thun, um Ungarn für mich in's Feld zu führen?«

      »Vergessen und vergeben« — sagte Graf Mensdorff, — »und den Ungarn ihre Selbstständigkeit unter der Krone des heiligen Stephan wiedergeben.«

      Der Kaiser schwieg.

      »Und die italienische Armee?« fragte er dann.

      »Sie muß so schnell als möglich heraufkommen, um Wien zu decken und gegen den Feind vorzugehen !«

      »Und was soll aus Italien werden?« fragte der Kaiser.

      »Italien muß aufgegeben werden!« sagte Graf Mensdorff seufzend.

      Der Kaiser blickte ihn durchdringend an.

      »Italien aufgeben?« fragte er zögernd, und sinnend senkte sich sein Auge.

      »Italien oder Deutschland!« sagte Graf Mensdorff — »und ich möchte der unmaßgeblichen Meinung sein, daß da die Wahl nicht schwer sein kann.«

      »Schwer genug ist's, daß ich vor dieser Wahl stehe!« flüsterte der Kaiser.

      »Erlauben Eure Majestät, daß ich mich deutlicher ausdrücke und meine Gedanken klar formulire. Eure Kaiserliche Majestät erinnern sich allergnädigst, daß ich vor dem Beginn des Kampfes mit schweren Besorgnissen dem Kriege auf zwei Kriegstheatern entgegensah, ich war der Meinung, Italien für die Wiedereroberung und Befestigung der Stellung in Deutschland zu opfern und die französische Allianz dadurch zu gewinnen. Damals konnte man indeß noch hoffen, ohne dieß Opfer nach beiden Seiten siegreich aus dem Kampf hervorzugehen, und Eurer Majestät großes und muthiges Herz hielt an dieser Hoffnung fest. Heute ist das nicht mehr möglich — heute muß die schmerzliche Wahl getroffen werden. Soll in Deutschland noch etwas erreicht — soll erhalten werden, was wir besitzen, — so müssen alle Kräfte Oesterreichs auf diesen Punkt konzentrirt, die Hauptkraft der italienischen Armee hieher gezogen werden und der Erzherzog Albrecht mit seinem bewährten Feldherrnblick muß das Kommando über alle Armeen übernehmen. — So allein ist ein Aufraffen möglich, — so allein ist es möglich, Deutschland auf der Seite Oesterreichs zu erhalten. — Denn,« fuhr er traurig fort, — »Eure Majestät dürfen sich darüber nicht täuschen, — der Eindruck von Königgrätz wird niederschmetternd auf die ohnehin vorsichtig zögernden und unvorbereiteten deutschen Bundesgenossen wirken. Schon ist Baden abgefallen —«

      »Baden abgefallen?« rief der Kaiser heftig auffahrend.

      »So eben, — unmittelbar nach meiner Rückkehr, und als ich mich anschickte, hieher zu gehen,« sagte Graf Mensdorff, »traf in der Staatskanzlei die Nachricht aus Frankfurt ein, daß der Prinz Wilhelm von Baden am 6. erklärt hat, unter den gegenwärtigen Umständen die weitere Mitwirkung der badischen Truppen bei der Bundesarmee versagen zu müssen.«

      »Das ist also die erste Folge von Königgrätz!« sagte der Kaiser bitter. »Aber,« rief er mit flammendem Blick das Haupt zurückwerfend, — »sie könnten sich verrechnet haben, diese Fürsten, deren Vorfahren demüthig den Thron meiner Ahnen umstanden, — die Macht Oesterreichs ist erschüttert — aber nicht gebrochen — und noch einmal kann die Zeit kommen, wo Habsburg zu Gericht sitzt in Deutschland — zu strafen und zu belohnen! — Graf Mensdorff!« rief er entschlossen — »meine Wahl ist getroffen — Alles für Deutschland! — Aber,« fuhr er fort — wieder in düsteres Sinnen versunken — »wie soll das geschehen, soll ich, der Sieger, mich beugen vor diesem König in Italien, — Frieden anbieten, den man mir vielleicht verweigert —«

      »Majestät,« sagte Graf Mensdorff, »der Ausweg findet sich vielleicht sehr einfach, wenn man die diplomatische Situation in's Auge faßt, wie sie bei dem Beginne des Krieges war. Der Kaiser Napoleon wünscht sehnlichst mit Italien in's Reine zu kommen — er hat für den Preis von Venetien seine Allianz angeboten vor dem Kriege — sollte dasselbe nicht jetzt zu erreichen sein? — Mein Rath, Majestät, ist der, Venetien an den Kaiser der Franzosen abzutreten, der es dann seinerseits an den König Viktor Emanuel überlassen kann und dafür seine Allianz oder wenigstens im unglücklichen Falle seine kräftige Intervention zu erreichen. Dadurch wird Italien gegenüber die Würde Oesterreichs gewahrt, jede direkte Verhandlung vermieden und die ganze Macht für den Kampf in Deutschland gewonnen — Wenn Eure Majestät befehlen, will ich sogleich mit dem Herzog von Gramont darüber sprechen und dem Fürsten Metternich Instruktion senden.« —

      Der Kaiser schwieg lange in tiefes Nachdenken verloren. Bewegungslos saßen die drei Herren um ihn, man konnte ihre Athemzüge hören, — so still war es in dem Kabinet und von fernher drang das wogende Geräusch des großen bewegten Wiens heran.

      Endlich erhob sich der Kaiser. Die drei Herren standen auf.

      »So sei es denn!« sprach Franz Joseph tief ernst — »weder Spanien noch Italien haben meinem Hause Segen gebracht — in Deutschland hat seine Wiege gestanden, in Deutschland ist seine Größe erwachsen — in Deutschland soll seine Zukunft liegen! — Sprechen Sie sogleich mit Gramont,« fuhr er fort, »und Sie, Graf Crenneville, bereiten Sie Alles vor, um meinem Oheim das Gesammt-Kommando über alle meine Armeen zu übertragen und die Südarmee hieher zu ziehen. — General Knesebeck,« sprach er, sich zu diesem wendend, — »Sie stehen hier als Vertreter des heldenmütigsten Fürsten Deutschlands, — Sie sehen, daß der Erbe der deutschen Kaiser Alles für Deutschland opfert.«

      »Ich wollte, daß ganz Deutschland Zeuge des hochherzigen Entschlusses Eurer Kaiserlichen Majestät sein könnte!« sprach der General bewegt.

      »Und Ungarn, Majestät?« fragte Graf Mensdorff.

      »Sprechen Sie mit dem Grafen Andrassy,« sagte der Kaiser mit leichtem Zögern, »und theilen Sie mir mit, was geschehen kann und was man dort — erwartet.«

      Er winkte mit der Hand und neigte freundlich lächelnd das Haupt.

      Mit tiefer Verneigung verließen die drei Herren das Kabinet.

      Der Kaiser ging einige Male mit raschen Schritten auf und nieder.

      »So ist denn verloren,« sagte er tief seufzend, indem er vor dem Fenster stehen blieb, »was der Degen Radetzky's erhalten hat — verloren jener Boden, auf dem so viel deutsches Blut geflossen! — Mag es sein!« — rief er nach einigen tiefen Athemzügen, — »wenn nur Deutschland mir erhalten bleibt!«

      Er blickte sinnend vor sich nieder.

      »Aber wenn ich Italien aufgebe,« flüsterte er, — »wie soll Rom, — wie soll die Kirche sich halten gegen die Wogen, welche dann ohne jeden Widerstand von allen