Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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junge Frau blieb allein.

      Ein langer flammender Blick folgte den Fortgehenden.

      »Du willst mich benützen für Deine Pläne,« rief sie, — »Du lockst mich mit der Hoffnung auf Freiheit und Herrschaft und willst mir eine vergoldete Dienstbarkeit bieten? — Du willst mir den Schlag des Herzens verbieten, weil er das Werkzeug vielleicht unbrauchbar machen könnte? — Ah,« fuhr sie fort, »Du täuschest Dich, Graf Rivero, Du täuschest Dich! Ich bedarf Deiner — aber ich will Deine Dienerin, — Deine Sklavin,« rief sie zähneknirschend, — »nicht sein! Wohlan denn, so beginne der Kampf zwischen uns,« — sagte sie entschlossen, »nicht der Kampf der Vernichtung, — der Kampf aber um den Preis der Herrschaft. Ich will versuchen, ob ich nicht auf Deinen stolzen Schultern mich emportragen lassen kann zu eigener Macht und Unabhängigkeit. — Unabhängigkeit!« sagte sie nach einem kurzen Stillschweigen seufzend, — »wie viel fehlt mir dazu, — — doch gehen wir langsam und vorsichtig vorwärts, — zunächst sei der Versuch gemacht, ob ich diesen Ungetreuen, an dem mein Herz hängt, nicht ohne meinen Herrn und Meister wiedergewinnen kann!«

      Sie warf sich auf ihren Sopha und blickte sinnend vor sich hin.

      »Aber mein Gott!« rief sie mit angstvoll starrem Blick, die zarte Hand an die Stirn drückend, — »ich will ihn wiedergewinnen und er ist da draußen vor dem Feinde, die große Schlacht ist geschlagen, — vielleicht liegt er schon todt auf dem blutigen Feld« — und ihre Augen blickten in das Leere, gleichsam als suchten sie das entsetzliche Bild, das in ihrem Innern sich bildete.

      Dann lehnte sie sich zurück und ein finsterer Ausdruck überzog ihr Gesicht.

      »Und wenn es wäre?« sprach sie dumpf — »vielleicht wäre mir besser und ich würde diesen brennenden Stachel los, den ich nicht aus meinem Herzen zu reißen vermag. Der Graf hat Recht, eine solche Liebe ist Schwäche, — und ich will nicht schwach sein! — Wäre er todt — vielleicht würde ich wieder stark werden — aber ihn lebend zu wissen — zu denken, daß er mir nicht mehr gehört, ihn in seiner Schönheit, seinem Reiz zu denken — wie er zu den Füßen einer Andern, — in ihren Armen —«

      Sie sprang auf — wilde Glut loderte in ihren Blicken, wogend hob sich ihr Busen, ihre schönen Züge verzerrten sich in gewaltiger Aufregung.

      »Nimmermehr, nimmermehr,« sprach sie leise mit zischender Stimme. »Wäre er todt, — ich könnte ihn vergessen — aber jenes Bild wird mich überall verfolgen, meinen Geist verdunkeln und mein Leben vergiften — vergiften,« wiederholte sie und es zuckte wie ein fahler Blitz über ihre Züge — langsam in mechanischer Bewegung ließ sie sich auf den Sopha sinken. »Wie leicht war es in vergangenen Tagen,« flüsterten ihre Lippen, — »die Feinde zu vernichten! — Heute —« und abermals starrte sie vor sich hin. — »Aber ist es denn nöthig, mit chemischen Mitteln den Körper zu zerstören, um Hindernisse zu besiegen?«

      Ein dämonisches Lächeln spielte um ihren schönen Mund, ein elektrisches Feuer leuchtete aus ihren Augen.

      Lange saß sie nachdenkend, immer schimmernder funkelten ihre Augen, immer lächelnder wölbten sich ihre Lippen — aber wer diese leuchtenden Augen und diese lächelnden Lippen hätte sehen können, den hätten sie an jene farbenglänzenden Blüten der Tropen erinnern müssen, die aus dem Schmelz ihrer sonnenschimmernden Purpurkelche in ihrem berauschenden Duft den Tod ausströmen.

      Sie erhob sich und trat an einen Schreibtisch von Rosenholz. Aus einem Fach desselben nahm sie ein Paket Briefe und begann sie aufmerksam zu lesen.

      Mehrere warf sie zurück, endlich schien sie gefunden zu haben, was sie suchte. Es war ein kurzer Brief — eine Seite nur beschrieben.

      »Dieß hat er mir während des Manövers geschrieben,« sagte sie, — »das werde ich brauchen können.«

      Sie las leise:

      »Meine süße Königin!

      »Ich muß Dir mit einigen Worten sagen, wie mein Herz sich nach Dir sehnt und wie schwer diese Trennung auf mir lastet. Die Mühen und Anstrengungen des Dienstes nehmen mich den Tag über in Anspruch, aber wenn ich Nachts im Bivouak liege, die Sterne auf mich herabschimmern und der weiche Athem der Nacht durch die Natur zieht, dann wird Dein süßes Bild in meinem Herzen lebendig, ich glaube den Hauch Deines Mundes zu fühlen, voll heißer Sehnsucht öffne ich die Arme, um Dich zu suchen und umfangen zu halten, — und wenn endlich der Schlaf auf meine Augen sinkt — dann bist Du bei mir im Traum — und schmiegst Dich an mich, so süß, so berauschend, so heiß, — o daß die unmelodischen Trompetenstöße der Reveille so himmlischen Traum zerschneiden müssen! Ich möchte immer träumen, so lange bis ich wieder bei Dir bin, bis die Wirklichkeit in Deinen Armen, süßer als jeder Traum, mich wieder umfängt. Ich küsse dieß Blatt, das Deine schönen Hände berühren werden.«

      Während sie las, war ihre Stimme weicher geworden und wie in Erinnerung versunken blickte sie aus das Blatt.

      Dann wurden ihre Züge wieder kalt und hart.

      »Das paßt vollkommen!« sagte sie, »und kein Datum — Alles vortrefflich!«

      Sie ergriff eine Feder, und indem sie vorsichtig die Schriftzüge des Briefes prüfte, setzte sie darüber: »30. Juni 1866«.

      Aufmerksam prüfte sie die Schrift. »So ist es gut,« sprach sie, »es paßt vollkommen!«

      Dann bewegte sie eine kleine silberne Glocke.

      Ihre Kammerjungfer trat ein.

      »Suche meinen Mann auf,« sagte Frau Balzer, »und sage ihm, ich wünschte ihn sogleich zu sprechen.«

      Die Kammerjungfer ging und die junge Frau trat sinnend an das Fenster, achtlos herabblickend auf das lebendige und aufgeregte Treiben dort unten, während um ihre Lippen ein leichtes Lächeln der Befriedigung spielte.

      Siebenzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Dumpfe Stille herrschte in der kaiserlichen Hofburg. Mitten in den lauten Jubel über die italienischen Siegesnachrichten war der vernichtende Donnerschlag gefahren, welcher von Böhmen her die Zertrümmerung aller Hoffnungen brachte und in einem Augenblick das blinde Vertrauen zerstörte, welches man in den Feldzeugmeister Benedek und seine Operationen gesetzt hatte. Es war wie eine plötzliche Betäubung über Alle gekommen, langsam und düster schlichen die Lakaien über die langen Korridors und kaum sprach einer zum andern die für den Dienst nothwendigen Worte. Der Kaiser hatte unmittelbar nach der Nachricht von der verlorenen Schlacht den Grafen Mensdorff nach dem Hauptquartier des Feldzeugmeisters gesendet, um sich als Militär zu überzeugen, wie die Sachlage wäre, und seitdem hatte er sich unnahbar in seine Gemächer zurückgezogen und nur der Generaladjutant ging zu ihm ein und aus.

      Tiefe Stille herrschte im kaiserlichen Vorzimmer, ruhig stand der Arcièrengardist vor der Thür der Wohnung des Kaisers, stumm lehnte der dienstthuende Flügeladjutant, Baron Fejérváry de Komlos, am Fenster und blickte auf die Gruppen herab, die dort unten sich sammelten und wieder auseinandergingen in leisem, ernsten Gespräch, — oft hinaufblickend nach den Fenstern der Burg, als sollte von dorther irgend eine neue Nachricht, irgend eine Entscheidung kommen, die die trübe Angst des Augenblicks lösen möchte.

      Man hörte den gleichmäßigen Schlag der großen alten Uhr, welche eben so ruhig diese traurigsten Augenblicke des Hauses Habsburg anzeigte, wie sie in den Zeiten seines höchsten Glanzes ruhig den Fortschritt der Alles niedermähenden Zeit verkündet hatte. Denn mit ewig gleichem Schritt geht die Zeit durch die flüchtigen Augenblicke des Glückes, wie durch die schleichenden Stunden der schwarzen Tage, nur vernimmt man im Rausche der Freude ihren ehernen Schritt nicht, während in der trüben Stille des Unglücks laut vernehmbar an unser Ohr das Memento mori dringt, das uns jede in den Schooß der ewigen, starren Vergangenheit hinabsinkende Sekunde zuruft.

      So war es auch hier. Der Gardist und der Flügeladjutant hatten gewiß schon oft und zu manchen Zeiten hier in diesem Zimmer ihren Dienst