Der Major verneigte sich und fuhr fort:
»Und ich soll Eure Kaiserliche Majestät fragen, ob Allerhöchstdenselben der Besuch des Königs und sein Aufenthalt in Wien genehm sei?«
»Genehm?« rief der Kaiser lebhaft, — »ich sehne mich, den heldenmütigen Herrn zu umarmen, der uns Allen mit so hohem Beispiel fürstlicher Standhaftigkeit vorangegangen ist. — Freilich,« fuhr er seufzend fort, »findet der König hier nicht mehr den mächtigen Alliirten, — er findet eine gebrochene Kraft, die nur mit Aufbietung aller Anstrengung und alles Muthes vielleicht das Schwerste noch abwenden kann —«
»Ich glaube bestimmt im Sinne meines königlichen Herrn zu sprechen,« sagte Herr von Kohlrausch, »wenn ich Eure Kaiserliche Majestät versichere, daß der König bereit und entschlossen ist, Glück und Unglück mit seinem erhabenen Alliirten zu theilen, dessen Sache die seinige und diejenige des Rechts ist.«
Der Kaiser blickte einen Augenblick zu Boden. Dann erhob er den Blick mit leuchtendem Ausdruck und sprach, indem sein Gesicht von Muth und freudigem Stolz strahlte:
»Die Freundschaft und das Vertrauen eines so edlen und ritterlichen Herzens, wie das des Königs, muß uns Allen Muth und ebenfalls neues Vertrauen in unsere Sache geben. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich ihn mit Ungeduld erwarte und daß er mich würdig finden wird, die Sache des Rechts und Deutschlands bis zum Aeußersten zu vertheidigen. Ich werde Ihnen meine Antwort an den König so schnell als möglich zugehen lassen.«
Der Kaiser schwieg. Der Major wartete stumm auf das Zeichen der Entlassung.
Nach einigen Augenblicken sprach Franz Joseph mit bewegter Stimme:
»Der König hat ein Beispiel von Heldenmuth ohne Gleichen gegeben — es drängt mich, meine Bewunderung für seine und des Kronprinzen Haltung in diesen Tagen durch ein äußeres Zeichen auszudrücken. — Ich werde sogleich das Kapitel des Maria-Theresienordens versammeln und meine Armee wird stolz sein, wenn der König und sein Sohn das edelste und höchste Ehrenzeichen der österreichischen Soldaten auf ihrer Brust tragen wollen — warten Sie so lange, bis ich Ihnen die Insignien zusende.«
»Ich kenne meinen Herrn genug,« sagte der Major mit freudigem Ausdruck, »um zu wissen, daß eine solche Auszeichnung ihn mit hoher Freude erfüllen wird — und die ganze hannöverische Armee wird darin eine Ehre und einen Stolz empfinden.«
»Ich habe mich sehr gefreut, mein lieber Major,« sagte der Kaiser huldvoll, »Sie bei dieser Gelegenheit als den Boten des Königs empfangen zu haben, ich werde Ihnen mit den übrigen Sachen das Ritterkreuz meines Leopoldordens übersenden und bitte Sie, dasselbe zur Erinnerung an diesen Augenblick und an meine freundlichsten Gesinnungen zu tragen.«
Der Major verneigte sich tief. »Ich würde,« sagte er, »auch ohne dieß gnädige Zeichen diesen Augenblick nie vergessen!«
»Nun ruhen Sie aus,« sprach der Kaiser freundlich, — »damit Sie, wenn Alles bereit ist, Kräfte zur Rückreise gesammelt haben.«
Und er neigte grüßend das Haupt. Der Major verließ mit kurzem militärischem Gruß das Kabinet.
»Sie waren im bayerischen Hauptquartier?« fragte der Kaiser den General von Knesebeck.
»Zu Befehl, Kaiserliche Majestät!« erwiederte dieser.
»Als Eure Majestät in Folge der Depesche des Grafen Ingelheim mir befahlen, dorthin zu gehen und den Prinzen Karl auch in Allerhöchsterem Namen dringend zu bitten, daß er der hannöverischen Armee zu Hülfe eilen solle, reiste ich sogleich ab und fand das bayerische Hauptquartier, das einige Tage zuvor in Bamberg gewesen war, in Neustadt a. S. Ich stellte dem Prinzen Karl auf das Dringlichste die Noth der hannöverischen Armee vor und bat ihn im Namen Eurer Majestät und meines Königs inständigst, einen raschen Vorstoß gegen Eisenach und Gotha zu machen, um dort eine Vereinigung und damit eine günstige und wichtige Wendung des ganzen Feldzuges zu ermöglichen.«
»Und der Prinz Karl?« fragte der Kaiser gespannt.
»Der Prinz sowohl als der General von der Tann, welcher bei ihm war, erkannten die Wichtigkeit der Vereinigung der bayerischen mit der hannöverischen Armee vollkommen an und waren bereit, alles Mögliche dazu zu thun, — wie sie denn ja auch schon im Vormarsch begriffen war; indeß äußerte Seine Königliche Hoheit sowohl als der Chef des Generalstabes das höchste Befremden über die Märsche, welche die hannöverische Armee gemacht habe — von der man eigentlich gar nicht wisse, wo sie sei, und welche nach den von ihr erhaltenen Nachrichten die größten strategischen Fehler gemacht habe. — Der Prinz fragte mich, wie stark unsere Armee sei, und als ich ihm antwortete, daß sie nach meiner Schätzung und meinen Nachrichten etwa neunzehntausend Mann betrage, antwortete er mir: ›Mit neunzehntausend Mann schlägt man sich durch und marschirt nicht hin und her in einen Winkel hinein, wo man eingeschlossen werden muß!‹ Der General von der Tann nickte beistimmend.«
Der Kaiser neigte das Haupt und seufzte.
»Mit tief schmerzlichen Gefühlen,« fuhr der General fort, »hörte ich dieß an und mit noch größerem Schmerz muß ich Eurer Kaiserlichen Majestät sagen, daß ich dem Urtheil des bayerischen Hauptquartiers nicht Unrecht geben konnte. — Ich bin Generalstabsoffizier, Majestät,« sagte er seufzend, — »aber ich muß es sagen, daß die Märsche, welche unsere Armee gemacht hat, mir absolut unverständlich sind — und daß es ihr sehr viel leichter gewesen wäre, in raschem Marsch ihrerseits die Bayern zu erreichen, als in anscheinend planlosem Hin- und Herziehen das Heraufrücken der Bayern zu erwarten.«
»Der arme König!« rief der Kaiser mit schmerzlichem Ton.
»Natürlich,« fuhr Herr von Knesebeck fort, »sprach ich meine Gedanken im bayerischen Hauptquartier nicht aus, drang vielmehr auf schleunigen Vormarsch zur Entsetzung der hannöverischen Armee — das Einzige übrigens, was, wie die Dinge einmal gekommen waren, nun noch möglich zur Rettung war; der Prinz Karl war, trotz seiner Verstimmung, vollständig bereit dazu, befahl auch sofort das Vorrücken über den Thüringer Wald nach Gotha und setzte den Prinzen Alexander davon in Kenntniß, um das achte Armeekorps zu gleichmäßigem Vorgehen zu bewegen. — Aber,« fuhr er seufzend fort, »die bayerische Armee war mitten aus dem Friedensstande aufgebrochen.«
»Unglaublich!« rief der Kaiser, — »und Bayern hat doch am Bunde so lebhaft die Politik geführt, welche den Krieg herbeiführen mußte!«
Herr von Knesebeck zuckte leicht die Achseln.
»Jedenfalls,« sagte er, »war die bayerische Armee nicht im Stande, rasch und kräftig zu operiren. — Indeß sie ging vor, — der Prinz Karl verlegte sein Hauptquartier nach Meiningen und mit schwerem Herzen voll banger Unruhe begleitete ich ihn dorthin. — Am folgenden Tage sollten wir weiter Vorgehen — da traf Graf Ingelheim dort ein und — brachte die Nachricht der Katastrophe von Langensalza!«
»Welche ein trauriges Zusammentreffen verhängnißvoller Umstände!« rief der Kaiser.
»Unter diesen Umständen,« fuhr der General fort, »gab der Prinz Karl — und ganz mit Recht — sofort seinen nun gegenstandslosen Vormarsch auf und befahl, durch Flankenmärsche die Verbindung mit dem 17 Meilen von Meiningen bei Friedberg stehenden achten Korps herzustellen. — Ich aber,« sagte er düster, »kehrte mit Trauer im Herzen hieher zurück und fand hier leider die Nachricht von dem größeren, verhängnißvollen Schlage, der Eure Majestät und unsere Sache getroffen!«
»Der Schlag ist schwer!« — rief der Kaiser — »aber ich habe Muth und Hoffnung, noch Alles günstig wenden zu können. — Ich freue mich,« fuhr er fort, »daß die Botschaft Ihres Königs heute an mich herangetreten ist und daß ich Sie gesehen habe, mein lieber General — das gibt mir neue Kraft, das Aeußerste einzusetzen, um meiner Pflicht gegen Deutschland treu zu bleiben. — Glauben Sie,« fragte er nach einem augenblicklichen Besinnen, »daß von Bayern eine energische Kriegführung zu erwarten ist? — Sie haben die Verhältnisse dort gesehen und haben militärischen Scharfblick — sagen Sie mir aufrichtig Ihre Meinung!«
»Majestät,« sagte Herr von Knesebeck, »Bayern wird immerhin