Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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daß Italien sich konstituire, wie es der Frieden von Zürich vorgesehen habe.«

      »Ich lasse die Herren hier,« sagte Frau Balzer — »im Salon werde ich ein Frühstück serviren lassen und zu Ihrer Disposition stehen, sobald Sie Ihre Unterhaltung beendet haben.« —

      Graf Rivero küßte ihr artig die Hand, Signor Galotti verneigte sich und sie entfernte sich durch die Thür ihres Schlafzimmers.

      »Der König wird nach Neapel gehen?« fragte der Graf, als sie hinausgegangen war.

      »Auf den ersten Wink von hier aus,« erwiederte Galotti, »ein Korps von Briganten, aus ehemaligen Soldaten der neapolitanischen Garde gebildet, erwartet ihn an der Küste — die sardinischen Besatzungen sind überall schwach und beim ersten Signal wird überall das Volk aufstehen!«

      »Und in Toskana?« fragte der Graf.

      »Alles bereit — eine große Anzahl von Soldaten des Großherzogs sind des Winks gewärtig und die sardinische schwache Besatzung ist zum großen Theil gewonnen.«

      »Glauben Sie also, daß der Moment gekommen ist, um die Lunte an das sorgfältig gefüllte Pulverfaß zu legen?« fragte der Graf.

      »Ganz gewiß,« erwiederte Galotti, — »worauf sollten wir warten, die sardinische Armee ist vollständig demoralisirt nach der Schlacht von Custozza und wird vom Erzherzog Albrecht festgehalten, so daß man sie im Innern nicht verwenden kann. — Also schnelles Handeln thut Noth, — in wenigen Wochen kann Italien befreit sein von dem schweren Joche, welches das Recht zu Boden drückt, — Alles wartet mit Sehnsucht auf das Losungswort, dessen Ertheilung in Eure Hand gelegt ist.« —

      Der Graf war sinnend an das Fenster getreten.

      »So lange ist Alles vorbereitet, — so sorgsam überdacht,« sprach er, — »und doch, nun die Ausführung herantritt, nun das verhängnißvolle Wort: Werde! über die stillen Vorbereitungen das Leben der frischen That ergießen soll — nun möchte der Zweifel auftauchen, ob auch Alles wohl organisirt sei — doch gezögert kann nicht länger werden. — Wir müssen nach Rom, nach Neapel und nach Toskana das Losungswort senden,« sagte er, sich zu Galotti wendend — »hier sind die drei Adressen,« fuhr er fort und nahm aus seinem Portefeuille drei Karten, welche er aufmerksam überlas. »Der Text des Telegramms ist darunter verzeichnet — Namen wie Inhalt der Depeschen sind völlig gleichgültig; — sie werden nirgends Aufenthalt oder Beanstandung finden.«

      Und fast zögernd reichte er die Karten Herrn Galotti.

      Rasch trat Frau Balzer in das Boudoir.

      »Wissen Sie, Graf Rivero,« rief sie lebhaft, »daß die Armee in Böhmen total geschlagen ist? Die Nachricht geht wie ein Lauffeuer durch Wien, meine Kammerjungfer hat sie im Hause gehört.«

      Mit starrem Entsetzen sah der Graf sie an. Seine Augen erweiterten sich übermäßig, in nervöser Bewegung zuckten seine Lippen und in schneller Bewegung griff er nach seinem Hut.

      »Es ist unmöglich!« rief Galotti — »General Gablenz hatte siegreiche Gefechte gehabt — eine große Entscheidung war nicht erwartet.«

      »Wir müssen hören, was es gibt,« sagte der Graf fast tonlos — »es wäre entsetzlich, wenn die Nachricht wahr wäre —«

      Er wollte hinaus eilen. Ein heftiger Glockenzug ertönte und fast unmittelbar darauf trat ein junger Mann in der Tracht eines Weltpriesters in das Zimmer.

      »Gott sei gelobt, daß ich Sie finde, Graf Rivero,« rief er, — »es darf nichts geschehen, das Unglück ist ungeheuer, — Benedek ist total geschlagen, die ganze Armee in wilder Flucht und Auflösung.«

      Der Graf stand stumm. Sein dunkles Auge richtete sich mit brennendem Ausdruck nach oben, tiefer Schmerz malte sich auf seinen Zügen.

      »Wir müssen um so schneller und energischer handeln!« rief Galotti, — »wenn diese Nachricht nach Italien kommt, werden die Unsrigen erschreckt und verwirrt werden, die Feinde werden Muth bekommen und die Gleichgültigen werden Feinde werden.«

      Und er streckte die Hand nach den Karten aus, welche der Graf noch immer hielt.

      Dieser machte eine abwehrende Bewegung.

      »Woher haben Sie Ihre Nachricht, Abbé Rosti?« fragte er ruhig.

      »Sie ward soeben von der Hofburg auf die Nuntiatur gebracht,« erwiederte der Abbé, — »es ist leider kein Zweifel an ihrer völligen Richtigkeit.«

      »Dann ist die Arbeit von Jahren verloren!« — sagte Graf Rivero ernst und traurig.

      »Benützen wir den Moment!« rief Galotti, »handeln wir schnell, — mag dann in Deutschland geschehen, was da wolle, wir haben dann wenigstens Italien wiederhergestellt nach seinem alten Recht — und Oesterreich muß uns auch dankbar sein, wenn wir ihm für das verlorene Deutschland den Einfluß in Italien geben!«

      »Nein,« sagte der Graf ruhig und kalt, — »wir dürfen uns jetzt in keine Aktion einlassen, bevor nicht die Situation vollständig klar ist. — Unsere ganze schlagfertige Macht in Italien ist wohl stark genug, um überall die piemontesische Herrschaft zu brechen, wenn die reguläre Armee von den siegreich vordringenden österreichischen Truppen festgehalten und successive zertrümmert wird, aber wir sind nicht im Stande, gegen diese piemontesische Armee irgend etwas zu thun, wenn sie frei wird, wir würden alle unsere Getreuen nutzlos opfern und würden eine Organisation zerstören, die wir mit Mühe hergestellt haben, die wir für die Zukunft nothwendig bedürfen und die wir niemals wieder schaffen könnten, wenn wir sie jetzt zertrümmern ließen.

      — Und ich fürchte, daß die Armee Viktor Emanuel's frei wird — ich fürchte, daß man in Wien Italien aufgibt!«

      »Italien aufgibt nach dem Sieg von Custozza?!« rief der Abbé Rosti, — »das ist unmöglich — wofür?«

      »Für Deutschland — das man dennoch verlieren wird!«

      »Aber mein Gott!« rief Galotti, »das hatte man vor dem Feldzuge gethan, wenn man es wollte, dann wäre man in Deutschland doppelt so stark gewesen, — aber jetzt — ?«

      »Mein lieber Freund!« sagte der Graf seufzend, — »erinnern Sie sich des Wortes Napoleon's I.: ›Oesterreich kommt immer zu spät — um ein Jahr, um eine Armee und um eine Idee‹?«

      »Es will mir nicht in den Sinn,« rief Galotti lebhaft, »daß wir nun still sitzen sollen, nachdem Alles so wohl vorbereitet ist und wir den Erfolg schon fast in der Hand zu haben glaubten.«

      »Ich verlange auch nicht, daß wir unbedingt still sitzen sollen,« sagte der Graf Rivero, — »still sitzen werden wir überhaupt niemals,« fuhr er mit leuchtendem Blicke fort, »wir werden vielleicht nun eine lange und mühsame Arbeit von Neuem beginnen müssen! — für jetzt dürfen wir nur nicht vorschnell handeln, Personen und die Sache kompromittiren und die Zukunft auf das Spiel setzen, bevor wir nicht vollkommen klar sehen. — Wissen Sie,« fragte er den Abbé, »wie der Kaiser die Nachricht aufgenommen hat und was er gethan?«

      »Der Kaiser soll tief niedergeschmettert sein, — wie natürlich,« sagte der Abbé — »er hat sogleich den Grafen Mensdorff zur Armee geschickt, um sich vom Zustande derselben zu überzeugen. — Das ist Alles, was man bis jetzt wußte.«

      »Mensdorff hat Recht behalten!« sagte Graf Rivero sinnend — und sich mit energischer Bewegung erhebend fügte er hinzu: »Noch einmal, meine Herren, — wir müssen klar sehen, bevor wir handeln, — und wir dürfen den Muth nicht sinken lassen, weil wir vielleicht neue jahrelange Mühe vor uns sehen. — Ich will vor Allem mir Klarheit verschaffen über die Gegenwart, — dann wollen wir über die Zukunft sprechen.«

      Er näherte sich der Dame, welche theilnahmlos, den Blick vor sich hin gerichtet, dem Gespräch beigewohnt hatte, und sagte, indem er ihr die Hand küßte: »Auf Wiedersehen, chère amie!« — und etwas leiser fügte er hinzu — »vielleicht kommt bald der Augenblick, wo sich Ihnen ein größeres weites Feld öffnen wird für eine reiche Thätigkeit, die Sie alle kleinen Wünsche vergessen lassen wird!«