Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Rede. Die Unterhaltung Deines Vaters in ihrer Einfachheit und doch so reichen Mannigfaltigkeit bietet ja mehr als so viele Kreise der großen Welt — und Deine Gesellschaft, liebe Helene —« setzte er mit Wärme hinzu. —

      Sie sah ihn groß und erstaunt an. »Nun, meine Gesellschaft,« sagte sie lächelnd, »kann wohl keinen Ersatz für die Kreise in der Stadt bieten, — meine Gelehrsamkeit — «

      »Gelehrsamkeit!« unterbrach er sie lebhaft, — »ist es denn die Gelehrsamkeit, welche die Gesellschaft der Frauen anziehend macht?«

      »Bei so gelehrten Herren,« sagte sie halb scherzend, »gehört doch etwas davon dazu!«

      »Für mich gewiß nicht,« rief er, — »gerade die natürliche Einfachheit des Verstandes und des Herzens ist für uns ein Reiz, — der Mann muß die Frau bilden, — erziehen, — nicht sie fertig vorfinden!« rief er, unwillkürlich Ton und Ausdruck belebend.

      Ihr Blick hob sich schnell zu ihm empor und senkte sich wieder.

      Schweigend gingen sie eine Strecke nebeneinander.

      »Helene,« sagte er dann, »es ist die Wahrheit, daß ich mich mit dem Gedanken einer stillen und einfachen Wirksamkeit auf dem Lande mehr und mehr befreundet habe, und es ist auch die Wahrheit, daß Deine Gesellschaft viel dazu beigetragen hat.«

      Sie ging schweigend weiter.

      »Wenn man den geistigen Anregungen der größeren Welt entsagen soll,« fuhr er fort, — »so muß ein Ersatz dafür da sein, und diesen Ersatz kann mir die Familie, — die Häuslichkeit bieten. Wenn ich hier bleibe, Deinem Vater eine Stütze zu sein in seinem geistlichen Amt, dann würde ich mit doppelter Freudigkeit wirken und arbeiten, wenn auch das eigene Herz die beglückende Blume findet, welche die stille Thätigkeit verschönt.«

      »Helene,« fuhr er lebhaft fort, »würdest Du keine Befriedigung darin finden, mit mir gemeinschaftlich den Lebensabend Deines Vaters zu stützen und zu erheitern und mir in meinem Beruf helfend — beglückend zur Seite zu stehen, — wie Deine Mutter es einst Deinem Vater gethan?« — fügte er hinzu.

      Das junge Mädchen blickte fortwährend schweigend zu Boden. Tiefe Athemzüge hoben ihre Brust.

      »Vetter —« sagte sie.

      »Es ziemt sich nicht für mich, einem Diener der Kirche,« fuhr er fort, »zu Dir zu sprechen in jener Weise und in jenem Ton, in welchem man in der Welt die Liebe behandelt und kund gibt, rein und klar muß die Flamme sein, die in dem Herzen eines Geistlichen Platz findet, — aber eine solche Flamme bietet Dir mein Herz, Helene, — und aufrichtig und offen frage ich Dich, — willst Du annehmen, was mein Herz Dir bietet und glaubst Du darin das ruhige Glück Deines Lebens finden zu können?«

      Sie blieb stehen und sah ihm groß und frei in die Augen.

      »Deine Worte überraschen mich, Vetter, — ich hätte nicht vermuthet, sie zu hören — und so plötzlich —«

      »Das Verhältniß zwischen uns muß klar werden,« sagte er, »deßhalb habe ich Dir gesagt, was in meinem Herzen für Dich lebt, — ein Geistlicher muß anders werben, als ein Kind der Welt, — kannst Du darüber erstaunen, — die Tochter eines geistlichen Hauses?«

      »Aber Vetter,« sagte sie zögernd, — »wir kennen uns ja kaum!«

      »Hast Du kein Vertrauen zu mir?« fragte er, »daß ich Dir eine Stütze für's Leben sein könnte?«

      Sie blickte zu Boden. Ein tiefes Roth überzog ihr Gesicht.

      »Aber — dazu gehört doch auch —«

      »Was denn?« fragte er und sein stechender Blick ruhte gespannt auf ihr.

      »Die Liebe,« flüsterte sie.

      »Und die glaubst Du nicht für mich empfinden zu können?« fragte er.

      Sie sah ihn wieder groß an. Ein tiefer Seufzer hob ihre Brust und ihr Auge richtete sich einen Augenblick träumerisch in die Ferne. Dann umzog ein leichtes, fast schalkhaftes Lächeln ihre Lippen und leise sagte sie:

      »Aber mein Gott, das läßt sich doch nicht so ohne Weiteres vorher wissen!«

      »Vorher?« sagte er — und ein finsterer Ausdruck flog über seine Züge.

      »Vetter,« sprach sie mit treuherzigem Ton und reichte ihm die Hand, »Du meinst es gut mit Deinen Worten — und für mich ist es ja nur schmeichelhaft, wenn Du glaubst, daß ich Deinem Leben Etwas sein könnte, — laß mich Dir also einfach und aufrichtig sagen, — ich glaube, Du täuschest Dich — vielleicht —« setzte sie freundlich hinzu, — »und es ist ja nicht nöthig, dieß Gespräch heute fortzusetzen, das mich so sehr überrascht hat. Laß mir Zeit, ich verspreche Dir, darüber nachzudenken — und wenn wir uns mehr kennen — Dir zu sagen —«

      Er blickte stumm vor sich nieder. —

      »O,« sagte er bitter, — »Dein Herz antwortet schon, — es versteht die einfache Sprache meines Gefühles nicht, — ich verstehe freilich nicht,« fuhr er fort, »es in Aufregung und Unruhe zu versetzen, ein Geistlicher ist nicht im Stande, so feurige Gefühle zu erregen, — wie — ein junger Offizier —«

      Sie stand still, tiefe Blässe überzog ihr Gesicht und ein stolzer Blick ihres Auges traf ihn.

      Er hielt inne, wie unzufrieden mit sich selbst, und seine erregten Züge nahmen wieder ihren gewöhnlichen glatten und ruhigen Ausdruck an.

      »Vetter,« sagte sie kalt und gelassen, — »ich bitte Dich, dieß Gespräch jetzt nicht fortzusetzen, — prüfe Dich selbst und laß mir Zeit, auch mich zu prüfen. Mein Vater —«

      »Meine Wünsche sind die Deines Vaters,« sagte er. Sie senkte den Kopf — tiefe Traurigkeit zog über ihr Gesicht.

      »Mein Vater,« sagte sie dann, »kann nicht wünschen, daß ich einen Entschluß fassen soll, ohne mein Herz zu prüfen.« —

      »Und Du wirst es mir sagen, wenn diese Prüfung geschehen ist?« —

      »Ja,« sagte sie. — »Doch nun laß mich, — ich bitte Dich darum!«

      Ein tiefer Athemzug fuhr durch seine geschlossenen dünnen Lippen, er senkte das Auge zu Boden, schweigend und ernst gingen sie neben einander weiter.

      »Da kommt der Vater!« rief Helene und eilte dem Pastor entgegen, welcher auf einem Seitenwege von einigen abgebauten Häusern des Dorfes zurückkehrte.

      Der Kandidat folgte langsam.

      »Das ist schön, Kinder,« sagte der alte Herr, »daß ihr mir entgegen kommt, — es ist besser, in dieser trüben Zeit, nicht allein zu sein, — im ganzen Dorf herrscht Sorge und Bekümmerniß um die Abwesenden, — um so mehr, als eine Nachricht durch das Land zieht, die Alle in die höchste Spannung versetzt —«

      »Was für eine Nachricht denn, Papa?« rief Helene, — »doch keine traurige —«

      »Fröhlich und traurig zugleich,« sagte der Pastor, — »es sei eine große Schlacht gewesen, sagt man sich von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus, — unsere Armee habe glänzend gesiegt, — aber es sei viel, viel Blut vergossen!«

      »O, das ist entsetzlich!« rief Helene mit dem Ausdruck lebhaftester Bewegung und faltete die Hände. Das scharfe Auge des Kandidaten ruhte forschend auf ihr, aber sie bemerkte es nicht, ihr Blick sah starr in's Leere.

      »Nun wissen die Leute nicht,« sagte der Pastor ruhig fortsprechend, »welchem Gefühl sie sich hingeben sollen, der Freude über den Sieg oder der Angst um ihre Söhne und Brüder.«

      »Wie gut ist es,« sagte der Kandidat, »wenn man kein Familienglied bei der Armee hat, — man bleibt frei von der Angst und Sorge —«

      »Du bist nicht, wie ich, seit Jahren mit einer Gemeinde verwachsen,« antwortete der Pastor ernst, »die in allen ihren Gliedern meiner Seele so nah steht wie leibliche Verwandte, — ich fühle das Leid meiner geistlichen Familie so tief mit, als hätte es mich selbst getroffen.«