Der Generaladjutant ritt an den Prinzen Hermann heran.
»Ich mache Ihnen mein Kompliment, mein Prinz,« sagte er, »Sie haben sich die schönste Feuertaufe geholt, — nur haben Sie sich unnütz exponirt; was hätte ich dem König sagen sollen, wenn Ihnen ein Unglück widerfahren wäre?«
»Was bleibt mir übrig,« sagte der Prinz lächelnd und zupfte den keimenden Flaum auf seiner Lippe, — »der König hat mich in's Hauptquartier beordert, — sollte man sagen, daß ich mich vor dem Feuer fürchte?«
»Das hätte man wohl nicht gesagt,« erwiederte der Oberst, indem sein Blick freundlich auf dem noch fast knabenhaften jungen Mann ruhte.
»Es ist besser, wenn man es gar nicht sagen kann!« rief der Prinz und sprengte mit dem Generaladjutanten davon.
Von diesem Augenblick war der Rückzug des Feindes entschieden. Langsam und geordnet, in unaufhörlichem Feuer gingen die preußischen Truppen in Quarrés geformt in der Richtung auf Gotha zurück, gedeckt von ihren Batterieen, welche den unaufhaltsam vorrückenden Hannoveranern ihr mörderisches Feuer entgegensendeten.
Längst schon hatte der kommandirende General den Befehl zur allgemeinen Offensive gegeben, — aber dieser Befehl traf nur noch die wenigsten Truppen, und wenn er sie traf, war er überflüssig, denn die Offensive war allgemein und kein Befehl hätte sie aufgehalten.
Während so im Centrum die preußische Stellung gebrochen wurde, war Graf Kielmannsegge mit seinen Dragonern an der Unstrut entlang geritten, um den besten Ort zum Uebergang über dieselbe zu finden. Aber lange konnte ein solcher nicht entdeckt werden, das Ufer fiel steil ab und war mit Gestrüpp verwachsen. Man mußte stromabwärts bis zum Dorfe Nägelstedt reiten, wo man endlich eine Brücke vorfand und so in das freie Feld am andern Ufer gelangte.
In scharfem Trabe eilten nun die Dragoner durch das Feld hin, näher und näher ertönte das Gewehrfeuer, — weit hinaus war schon der Feind zurückgedrängt und das Gefecht wogte in der Ebene südlich von Langensalza.
Eine sanft aufsteigende Anhöhe erhob sich vor den Dragonern, das Regiment ritt hinauf und sah sich der offenen Flanke des Feindes gegenüber.
Hier standen zwei preußische Quarrés im langsamen Rückzuge begriffen, fortwährend anhaltend und feuernd und auf einer Höhe den Dragonern gegenüber sah man eine preußische Batterie, welche den im Centrum anrückenden Hannoveranern ihre Kartätschen entgegensendete.
Die Dragoner waren allein, — zwischen ihnen und den hannöverischen Truppen standen die preußischen Abtheilungen.
»Jetzt endlich ist der Augenblick gekommen!« sagte der Lieutenant von Wendenstein, der mit seinem Zug neben dem Premierlieutenant von Stolzenberg hielt, — »Gott sei Dank, daß es etwas zu thun gibt. — Es ist doch in solchem Augenblick besser, verliebt zu sein,« — fügte er hinzu, indem er probirte, ob der Säbel fest in der Hand lag, — »seht Ihr, — jetzt weiß ich, woran ich denken soll, und —«
»Da war es wieder!« sagte Herr von Stolzenberg, leicht zusammenschauernd, »—lebt wohl, alter Freund, wenn wir uns nicht mehr sehen sollten —«
»Unsinn!« rief Herr von Wendenstein, — »doch paßt auf — es geht los!«
Das Kommando war gegeben, daß die vierte Schwadron die gegenüberstehende Batterie nehmen und die zweite und dritte gegen die feindlichen Quarrés vorgehen solle.
Die beiden Schwadronen rückten langsam den noch fernen Quarrés entgegen, welche sie stehenden Fußes erwarteten, während der Rittmeister von Einem an der Spitze seiner Dragoner den Abhang hinabjagte, der auf der gegenüberliegenden Aufsteigung stehenden Batterie zu.
Die Geschütze hatten ihre Mündung gegen die anstürmenden Dragoner gerichtet, — ein verheerendes Kartätschenfeuer empfing die Schwadron.
Die Reiter stürzten zahlreich, die zwei Trompeter fielen, aber unaufhaltsam jagte die Schwadron vorwärts, weit voran der Rittmeister mit hoch geschwungenem Säbel.
Immer rasender wurde der Ritt, schon war die Batterie fast erreicht, als noch einmal die Geschütze sich entluden und fast aus unmittelbarer Nähe ihre Kartätschenladungen unter die tapfern Reiter sendeten.
Wie durch ein Wunder blieb der Rittmeister unverletzt. Der Erste sprengte er zwischen die feindlichen Kanonen und schlug mit einem wuchtigen Hieb seines Säbels einen Kanonier nieder. Die Dragoner folgten ihm im dichten Feuer der die Bedeckung der Batterie bildenden Infanterie.
Eine Kugel traf das Pferd des Rittmeisters, das, zusammenstürzend, ihn fast bedeckte.
Schnell raffte er sich unter dem zuckenden Thier hervor und ließ seinen Säbel in rascher Wendung umherfliegen, um sich gegen die mit gefälltem Bajonett andringende Infanterie zu schützen, während die Dragoner im wilden Handgemenge kämpften.
»Vorwärts! Vorwärts!« rief der Rittmeister und parirte mit dem Säbel einen gegen seine Brust gerichteten Bajonettstich, — da traf ihn eine aus unmittelbarer Nähe abgeschossene Kugel, der erhobene Arm sank nieder und während er mit der linken Hand das Rad der neben ihm stehenden Kanone ergriff, um sich zu halten, senkten sich drei bis vier feindliche Bajonette tief in seine Brust.
Er brach zusammen, niedersinkend auf einen Haufen von Leichen, — seine im Todeskrampf geschlossene Hand hielt fest die Speiche der eroberten Kanone. Die Dragoner drängten über ihn hin vorwärts und bald eilten die letzten Vertheidiger der Batterie über das Feld hin.
Die Batterie war zum Schweigen gebracht, wie es befohlen war, — aber ein großer Theil der Dragoner lag da um ihren gefallenen Führer.
Bei den Schwadronen, welche langsam gegen die Quarrés vorrückten, hatte man diesen Angriff mit höchstem Interesse verfolgt, und als die Vertheidiger der Batterie in das Feld flohen, ein lautes Hurrah hinüber schallen lassen.
Als die beiden Schwadronen den Quarrés so weit nahe gekommen waren, daß der Angriff erfolgen konnte, stürmten plötzlich hinter der Anhöhe hervor, auf welcher die genommene Batterie stand, die Gardes du Corps und ihnen folgten in weiterer Entfernung die Gardekürassiere.
Die Gardes du Corps stürzten in gewaltigem Anprall auf das ihnen zunächst stehende Quarré. Zwei auf nächste Distanz abgegebene Salven hielten sie nicht auf — aber das tapfere Quarré stand ungebrochen und die Schwadronen der Gardes du Corps zogen sich seitwärts unter dem fortwährenden Feuer des Quarrés zurück, um sich zum neuen Angriff zu sammeln.
Bei dem zweiten Quarré, welches den Dragonern zunächst stand, trat der Kommandeur hervor und winkte mit einem Tuche. Der Major von Hammerstein wurde mit seinem Adjutanten und einem Trompeter ihm entgegengeschickt.
»Meine Leute sind erschöpft bis zum Umsinken!« rief der preußische Stabsoffizier, — »ich bin bereit zu kapituliren!«
»Dann bitte ich um Ihren Degen, Herr Kamerad!« erwiederte Herr von Hammerstein, — »und daß Sie die Gewehre niederlegen lassen!«
»Das Letztere soll geschehen!« sagte der preußische Offizier, »meinen Degen zu übergeben aber ist eine zu harte Bedingung! — Doch,« fügte er hinzu, »dort kommen Kürassiere!«
Und in der That kamen die Gardekürassiere, welche den Gardes du Corps gefolgt waren, an dem ersten Quarré vorbei, zum Angriff formirt, herangesprengt.
»Reiten Sie den Kürassieren entgegen und halten Sie sie auf!« rief Herr von Hammerstein seinem Adjutanten zu.
Dieser sprengte dem heranjagenden Regiment entgegen, aber in der raschen Bewegung und dem ungeheuren Lärm gelang es ihm nicht, sich verständlich zu machen. Das Kürassierregiment setzte, seinen Angriffsritt fort.