»Die Ouverture beginnt!« rief Herr von Stolzenberg und in raschem Trabe ritt er mit seiner Wache dem Dorfe zu.
Dieß waren die Schüsse, welche man im königlichen Hauptquartier zu Thamsbrück gehört hatte.
Das Regiment zog sich — immer mit Plänklern am Feinde — langsam auf Langensalza zurück.
Die Stadt war inzwischen geräumt, — die allgemeine Ordre des kommandirenden Generals lautete, daß die Armee sich fechtend zurückziehen solle.
Bei Langensalza trafen die Dragoner die Infanterie der Brigade Knesebeck, welche sich auf erhaltenen Befehl hinter die Unstrut zurückzog. Knirschend vollzogen die Truppen diesen Befehl und gaben Position um Position auf, welche sofort vom Feinde besetzt wurden, dessen Tirailleure auf dem Fuße folgten und dessen Artillerie von allen Hügeln ein immer näheres und immer mörderischeres Feuer unterhielt.
Die Dragoner hatten die Brücke über die Unstrut überschritten und standen vor dem Dorfe Merxleben, am Abhange des Kirchberges, von dessen Höhe aus die hannöverischen Batterieen ein Feuer unterhielten, das zwar langsamer war als das preußische, dessen wohlgezielte Schüsse aber jedesmal große sichtbare Verheerungen in den preußischen Reihen anrichteten.
Rechts von den Dragonern zog sich die Brigade des Generals von Knesebeck dem erhaltenen Befehl gemäß zurück. Jenseits der Unstrut lag eine Mühle an dem kleinen Salzabach, welche sofort nach dem Rückzug der Hannoveraner von den Preußen besetzt wurde und aus welcher ein dichtes Feuer unterhalten wurde.
An den Dragonern vorbei marschirten zwei Bataillone des Garderegiments zu Fuß. An der Spitze . des ersten ritt der Oberstlieutenant von Landesberg, — der Oberstlieutenant von Alten führte das zweite.
Die Bataillone marschirten an der Unstrut her und sollten sich der Ordre gemäß auf die Höhen zu der übrigen Brigade zurückziehen.
Gedankenvoll ritt der Oberstlieutenant von Landesberg vor seinem Bataillon her, in dumpfem Schweigen folgten die Grenadiere.
Das Bataillon hatte links die Unstrut und war an dem Punkte angekommen, an welchem es sich rechts wenden mußte, um die ihm vorgeschriebenen Stellungen einzunehmen.
Die Unstrut hatte an dieser Stelle sehr niedrige Ufer und war augenscheinlich leicht zu überschreiten. Ein ebenes Terrain umgab den Hügel, auf welchem das Dorf Merxleben liegt, langsam zur Höhe aufsteigend. Die vordersten Tirailleurketten des Feindes nahten sich dem jenseitigen Ufer.
Der Oberstlieutenant von Landesberg überblickte prüfend die Umgebung.
»Wenn diese Stelle unvertheidigt bleibt,« sagte er zu seinem Adjutanten, »so dringt der Feind mitten in unsere Position und trennt unsere Kräfte.«
»Das scheint mir auch, Herr Oberstlieutenant!« erwiederte der Adjutant, »und ich begreife nicht, daß sie aufgegeben wird, — indeß der Generalstab —«
Der Oberstlieutenant biß in seinen Schnurrbart.
»Es ist unmöglich, diesen Platz und diesen Uebergang dem Feinde zu überlassen!« sprach er halblaut.
Ein Blitz sprühte aus seinem Auge. Mit plötzlichem Ruck hielt er sein Pferd an.
»Bataillon halt!« rief er mit schallender Stimme.
Das Kommando wiederholte sich durch die Reihen. Das Bataillon stand. Mit erregten Gesichtern voll gespannter Erwartung blickten die Grenadiere der vordersten Glieder auf ihren Führer.
»Front gegen den Feind!« rief dieser.
Ein donnerndes, jubelndes Hurrah wie aus einem Munde ertönte aus den Reihen und im Nu standen die Grenadiere in der befohlenen Stellung.
Die feindlichen Tirailleurs erschienen am gegenüberliegenden Ufer des Flusses.
»Tirailleurs vor!« rief Herr von Landesberg.
Die Linien entwickelten sich mit unerhörter Präzision und in kurzer Zeit standen die hannöverischen Tirailleurs am Flusse, empfangen vom feindlichen Feuer.
Mehrere Grenadiere stürzten, — aber das Feuer der hannöverischen Linien erfolgte so sicher und regelmäßig, daß die vordersten feindlichen Tirailleurs bald Deckung suchten und nur schwächer antworteten.
Das zweite Bataillon des Garderegiments war inzwischen herangekommen. Der Oberstlieutenant von Alten sprengte an den Herrn von Landesberg heran, welcher fast bis zum Ufer des Flusses vorgeritten war und sich in seinen Tirailleurlinien befand.
»Was gibt es hier?« fragte Herr von Alten, »ist die Disposition geändert?«
»Sehen Sie diese Stelle an,« erwiederte Herr von Landesberg, — »sie darf nicht genommen werden und ich will sie halten!«
»Haben Sie Befehl dazu?« fragte Herr von Alten.
»Ich bedarf keinen Befehl, wenn ich sehe, daß das Schicksal des Tages und der Armee auf dem Spiele steht!« rief Herr von Landesberg. — »Feuer!«
Und das Gewehrfeuer rollte die Tirailleurlinie hinab.
Der Oberstlieutenant von Alten warf einen kurzen, prüfenden Blick um sich her.
Dann sprengte er zu seinem Bataillon zurück, welches etwa hundert Schritt zurückstand.
»Front gegen den Feind!« rief er.
Das Bataillon antwortete wie das erste mit schallendem Hurrah.
In wenig Augenblicken entwickelten sich seine Tirailleurlinien bis an das Ufer der Unstrut und der vordringende Feind sah sich plötzlich einem verheerenden Feuer gegenüber.
Wohl fielen die hannöverischen Grenadiere, aber die Linien ergänzten sich lautlos und regelmäßig und wichen nicht einen Zoll breit vom Ufer des Flusses, — in der vordersten Reihe hielt der Oberstlieutenant von Landesberg ruhig und kalt wie auf dem Exerzirplatz.
Die feindlichen Bataillone, welche gegen den Fluß vorrückten, hielten an. Eine unruhige Bewegung wurde drüben sichtbar.
Ein Adjutant sprengte heran.
»Herr Oberstlieutenant!« rief er, »der General erwartet Sie in der vorgeschriebenen Stellung!«
»Melden Sie, ich sei engagirt!« sagte Herr von Landesberg kurz.
Der Adjutant warf einen Blick auf die Situation, salutirte, warf sein Pferd herum und sprengte zurück, ohne ein Wort zu sagen.
Das Feuer des Feindes wurde schwächer. Nach kurzer Zeit hörte man Signalhörner von drüben und die feindlichen Tirailleurlinien wurden außer Schußweite zurückgezogen.
Der Oberstlieutenant steckte den Degen ein.
»So,« sagte er, — »das Erste ist gethan. Glauben Sie, daß der Fluß passirbar ist?«
»Ohne Zweifel,« sagte der Adjutant, dicht an das Ufer vorreitend, »man kann fast überall den Grund erkennen.«
»Nötigenfalls können die Leute schwimmen,« sagte Herr von Landesberg ruhig. »Sie sollen zehn Minuten ruhen, dann gehe ich vor.«
In einiger Entfernung im Dorfe Merxleben stand die Brigade des Obersten de Vaux. Das Regiment Cambridge-Dragoner hielt in der Nähe des Ufers der Unstrut. Gespannt blickten die Offiziere auf die Bewegungen der Truppen, welche sich auf beiden Flügeln zurückzogen, während im Centrum ein lebhafter Artilleriekampf fortdauerte.
»Wir stehen schon überall hinter der Unstrut!« rief Herr von Wendenstein, »es ist ein wahrer Skandal, wo soll denn dieser Rückzug enden? Wir werden so lange rückwärts gehen, bis wir auch dort auf den Feind stoßen, der doch irgendwo vom Norden kommen muß und dann —«
»Dann können wir endlich kapituliren!« rief Herr von Stolzenberg bitter und ließ sein Pferd einen Satz machen, — »denn darauf muß doch diese Art Kriegführung endlich hinauslaufen.«
Der Oberstlieutenant Graf von Kielmannsegge