Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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zu führen. Der kommandirende General und der Chef des Generalstabes aber erklärten, daß die Armee in einem solchen Zustande der Erschöpfung sei, daß sie nicht marschiren könne. Vergebens machte General Brandis geltend, daß auch für die ermüdete Armee der kurze Marsch nach Gotha, wo sie vortreffliche Quartiere und reichliche Verpflegung finden würde, besser sei als das Bivouakiren im Felde ohne Lebensmittel, — der Generalstabschef erklärte einen Marsch für absolut unmöglich und der kommandirende General lehnte jede Verantwortlichkeit für einen solchen ab. Beide Herren baten dringend, den Kriegsrath verlassen zu dürfen, da ihre Anwesenheit bei den Truppen unumgänglich nöthig sei.

      Ohne Resultat ging der Kriegsrath auseinander — und der König zog sich zurück, um nach der schweren Anstrengung des Tages zu ruhen.

      Rings um die Stadt her aber leuchteten die Bivouakfeuer der Truppen und so lauter Gesang, so fröhliche Stimmen drangen von allen Seiten herüber, daß es schwer war, an die tiefe Erschöpfung dieser Soldaten zu glauben, welche zu schwach sein sollten, um zwei Stunden nach Gotha zu marschiren, wo sie Ruhe und Stärkung hätten finden können.

      Fritz Deyke war inzwischen mit dem Lieutenant von Wendenstein vor sich in die Stadt hineingeritten, ohne zu wissen, ob der junge Mann noch lebte oder todt war. Schwer lag der Körper in seinen Armen, schlaff hingen die Glieder herab und von dem scharfen Ritt hatte die Brustwunde wieder zu bluten angefangen.

      Der junge Bauer ritt in die Stadt hinein, in deren Straßen man gefochten hatte und welche von den Einwohnern verlassen schien, die sich sämmtlich in die hintern Räume der Häuser geflüchtet hatten.

      »Wo finde ich nun das beste Quartier?« sagte er zu sich selbst — »im Gasthof wird es wohl noch die beste Pflege geben,« — meinte er nach augenblicklichem Besinnen und ritt weiter in die Stadt hinein, um irgend einen Gasthof zu suchen. An einer Wendung der Straße lag hinter einem hübschen, sauber gepflegten Vorgarten ein großes weißes Haus mit ausgedehnten Nebengebäuden. Grüne verschlossene Jalousieen bedeckten die Fenster.

      Als der Kürassier mit dem leblosen Körper im Arm vorbeiritt, rief aus dem ersten Stock eine frische jugendliche Stimme, mit dem Ausdruck halb des Schreckens, halb des Mitleids:

      »Ach, der arme junge Offizier!«

      Fritz Deyke wurde sympathisch berührt durch den Klang der Stimme sowohl als durch den Ausdruck des Mitgefühls für seinen Lieutenant und blickte an dem Hause empor.

      Ein frischer blonder Mädchenkopf hatte sich hinter einer halb geöffneten Jalousie vorgestreckt und zog sich, als der Soldat heraufblickte, schüchtern zurück, ohne indeß die Jalousie ganz zu schließen.

      War es der Ausdruck der Stimme, war es der theilnahmsvolle Blick der hellen blauen Augen, welche noch immer durch die geöffnete Spalte auf das sonderbare und traurige Bild da unten herabsahen, die in dem jungen Menschen den plötzlichen Gedanken aufsteigen ließen, in diesem behaglich und wohlhabend aussehenden Hause Quartier für seinen Offizier zu suchen, — genug, er hielt sein Pferd an und rief hinauf:

      »Ja, der arme junge Offizier bedarf Ruhe und Pflege — und ich belege hier im Hause Quartier für ihn!«

      Die Worte waren befehlend und kategorisch — gehörte er doch der Armee an, welche siegreich in die Stadt einzog, — aber der Ton war sanft und bittend und es war wohl dieser Ton, welcher das junge Mädchen bewog, das Fenster wieder ganz zu öffnen und den Kopf herauszustrecken. Zugleich erschien hinter ihr ein alter wohlbeleibter Mann mit rothem vollen Gesicht und kurzem grauen Haar, welcher finster auf den hannöverischen Soldaten herabsah.

      »Quartier ist im Hause vorhanden, wenn's sein muß,« sagte er kurz und ziemlich unfreundlich, — »aber mit der Pflege wird es schlimm aussehen und zu essen haben wir selbst kaum!«

      »Dafür werde ich sorgen!« rief Fritz Deyke — »kommt nur herab und helft mir meinen Lieutenant herauftragen!«

      Der Alte zog sich mürrisch vom Fenster zurück, während das junge Mädchen freundlich herabrief: »Ein Bett für den armen Verwundeten werde ich gleich besorgen, — dann werden wir sehen, was weiter zu thun ist.«

      Und sie verschwand ebenfalls vom Fenster.

      Der alte Mann hatte inzwischen die Hausthüre geöffnet und war an den Reiter herangetreten.

      »Ich kann Euch nicht willkommen heißen in meinem Hause,« sagte er finster und derb, »denn Ihr gehört zu den Feinden meines Königs und meines Landes, — aber Quartier geben muß ich Euch freilich — und,« fügte er hinzu, indem er einen mitleidigen Blick auf den bleichen Offizier warf, — »ich gebe es auch noch lieber den Verwundeten als den Gesunden.«

      »Hier ist von Freund und Feind nicht die Rede,« antwortete Fritz Deyke in ruhigem und freundlichem Ton — »hier handelt sich's um Christenpflicht gegen einen armen Verwundeten.«

      »So kommt!« sagte der Alte einfach und näherte sich dem Pferde.

      Fritz Deyke ließ den Körper des Lieutenants sanft in die Arme des alten Mannes gleiten, stieg ab, band sein Pferd an den niedrigen Zaun des kleinen Vorgartens und Beide trugen den leblosen Offizier in das Haus.

      »Hier hinauf!« sagte der Alte und deutete auf die Treppe, welche aus dem reinlichen Flur in das obere Stockwerk führte. Fritz Deyke stieg, sanft den Kopf des Verwundeten tragend, die Stufen hinan, während der Alte den Körper stützend folgte.

      Oben dehnte sich ein langer Korridor aus, zu dessen beiden Seiten die Zimmerthüren lagen.

      Das junge Mädchen stand hier erwartend, eilte dann voran und öffnete die Thür eines großen zweifenstrigen Zimmers nach dem Hofe, welches einfach, aber mit einer gewissen Eleganz möblirt war und in welchem ein schneeweiß überzogenes Bett den Verwundeten erwartete.

      Fritz Deyke legte mit Hilfe des alten Mannes den verwundeten Offizier sanft darauf nieder.

      »Nun, junger Mensch!« sagte der Alte, indem er mit ernstem Blick vor den Kürassier hintrat, »jetzt ist Euer Offizier in Sicherheit und es soll ihm nichts zu seiner Pflege mangeln, was mein Haus bieten kann, — das Haus des Bierbrauers Lohmeier« — fügte er mit einem Ausdruck von würdevollem Selbstbewußtsein hinzu, — »damit Ihr wißt, bei wem Ihr Unterkommen gefunden, — nun kommt, daß wir Euer Pferd in den Stall bringen — und,« sagte er mit etwas vertraulicherem Ausdruck, — »wenn Ihr könnt, so haltet mir andere Einquartierung vom Halse.«

      Beide stiegen die Treppe hinab, während das junge Mädchen im Zimmer bei dem Verwundeten blieb — die Kissen glättend und mit wehmüthiger Theilnahme das schöne bleiche, todtenähnliche Gesicht betrachtend.

      Mehrere Infanteristen kamen die Straße herauf.

      »Wir sollen hier in der Straße Quartier nehmen,« rief einer von ihnen, — »dort ist ein gut aussehendes Haus, —. gehen wir hinein, es wird Raum für uns Alle haben!«

      In diesem Augenblick trat Fritz Deyke mit dem alten Brauer aus der Thür.

      »Ah, da sind schon Kürassiere!« riefen die Infanteristen, — »ist bei Euch noch Platz, Kamerad?«

      Fritz Deyke legte den Finger auf den Mund.

      »Schwerverwundete Offiziere im Hause!« sagte er, »hier darf nicht laut gesprochen und nicht hart aufgetreten werden!«

      »Dann müssen wir weiter gehen,« sagten die Infanteristen, — warfen theilnehmende Blicke nach den Fenstern hinauf und zogen vorbei.

      »Ich danke Euch!« sagte der alte Braver freundlich.

      Fritz Deyke führte sein Pferd durch die Hofthüre in den Stall, wo es bei den vier Pferden des Brauers seinen Platz fand.

      Dann bat er sich ein Stück Kreide aus, ging an die Hausthür und schrieb mit großen Buchstaben darauf: »Schwerverwundete Offiziere!«

      »Und nun,« rief er, »muß ich fort, um einen Arzt zu finden, — achtet gut auf meinen Lieutenant und rührt ihn nicht an!« Er wollte davon eilen.

      »Wartet,« sagte der Alte, — »Eure Aerzte werden auf den Verbandplätzen beschäftigt sein,