Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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aufstrebenden Staat, die Schöpfung Ihrer großen Ahnen, aus seinen beengenden Fesseln zu befreien, in welche die Bosheit und der Neid der europäischen Mächte unter der Führung und Leitung dieses Oesterreichs uns geschlagen haben, dieses Oesterreichs, das niemals deutsch war, das Deutschland immer nur als Fußschemel benutzte für seinen Ehrgeiz in Europa und stets bereit war, es zu verrathen, zu verhandeln, zu zerstückeln. — Nein, Eure Majestät, ich freue mich, daß wir an dem Augenblick des Handelns angekommen sind, daß der königliche Adler endlich in freier Luft seine Schwingen ausbreitet. Nec soli cedit heißt seine Devise und zur Sonne wird er fliegen, führe der Weg auch durch Wetterwolken. Ich sehe die Zukunft Preußens und Deutschlands groß und leuchtend vor mir und bin stolz und glücklich, daß es mir vergönnt ist, dem Könige zur Seite zu stehen, der der Schöpfer dieser Zukunft sein wird!«

      König Wilhelm's klares Auge ruhte nachdenklich auf dem lebhaft bewegten, von Begeisterung durchleuchteten Antlitz seines Ministers. Wohl blitzte es auf in diesem königlichen Auge bei den stolzen, freudigen Worten des kühnen Staatsmannes, der mit so siegesgewisser Zuversicht vor ihm stand, dann aber richtete er den Blick nach Oben und sprach still und einfach:

      »Wie Gott will!«

      Graf Bismarck blickte mit Rührung auf den königlichen Herrn, der in so einfacher Größe vor ihm stand, und wie ein Ausdruck des Erstaunens flog es durch seine Züge, diesem mächtigen, gewaltigen Herrscher gegenüber, der am Vorabend eines so furchtbaren, weithin für die Zukunft entscheidenden Kampfes seine ganze Hoffnung, seinen ganzen Ehrgeiz und seine ganze Unruhe in diese drei einfachen Worte niederlegte.

      »Haben Eure Majestät weitere Befehle?« fragte er mit einem leisen Nachklang der Erregung in seiner Stimme.

      »Nein!« antwortete der König, — »eilen Sie, die Depeschen abzusenden!«

      Und mit leichter freundlicher Neigung des Hauptes entließ er den Minister.

      Graf Bismarck verließ das Kabinet des Königs und das Palais und eilte schneller, als er gekommen, den Weg zurück nach seinem Hotel in der Wilhelmsstraße, und noch weniger als vorher achtete er der bösen Blicke, die ihm folgten, als er die Linden herab schritt. Stolze Befriedigung lag auf seinem Gesicht, freudige Zuversicht in seiner Haltung. — Der große Kampf, den sein Gefühl und seine Ueberzeugung ihm als unausweichlich und nothwendig zeigte, sollte beginnen, und er glaubte an den glücklichen Ausgang mit der Sicherheit und Festigkeit, welche das Bangen und Zaudern ausschließt.

      Im Erdgeschoß des Hotels des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, zu welchem der Ministerpräsident zurückeilte, saß in einem einfachen Bureauzimmer vor einem mit Papieren hoch bedeckten Schreibtisch der Legationsrath von Keudell in eifriger Unterhaltung begriffen mit einem Manne von ungefähr sechs- bis siebenunddreißig Jahren, blondem Haar und Schnurrbart, dessen offenes Gesicht von norddeutschem Typus ein lebhaftes Mienenspiel zeigte und dessen hellgraue Augen mit einer Mischung von Humor, Gutmütigkeit und Schlauheit um sich blickten. Dieser Mann, mit jener eigentümlichen Eleganz gekleidet, welche man nur in den großen Weltstädten findet, saß da in einem Fauteuil, welcher neben dem Schreibtisch des Herrn von Keudell stand, zurückgelehnt in halb burschikoser halb dandymäßiger Haltung und balancirte seinen glänzenden Hut auf den Knieen, während er ihn mit der Hand vor dem Niederfallen bewahrte.

      »Sie glauben also, lieber Beckmann,« sagte Herr von Keudell, »daß es möglich sein wird, die pariser Presse während unserer Aktion uns günstig zu erhalten — und eventuell sogar durch die Stimme der öffentlichen Meinung eine Parteinahme Frankreichs für Oesterreich zu verhindern?«

      »Nichts leichter als das,« erwiederte Herr Albert Beckmann, der gewandte und geistvolle Redakteur des Journals ›le Temps‹, welcher seit fast zwanzig Jahren in den journalistischen Kreisen von Paris lebte und die genaueste Kenntniß aller Verhältnisse auf dem Gebiete der Publizistik der großen Weltstadt sich erworben hatte, ohne darum die Eigentümlichkeit seines deutschen Vaterlandes zu verlieren. — »Nichts leichter als das — Neffzer ist ganz in Ihren Ideen, — er wird aus voller Ueberzeugung — denn anders handelt er überhaupt nicht — in Ihrem Interesse schreiben, — ›Siècle‹ ist für Sie, — alle liberalen Blätter überhaupt erblicken in Preußen den Fortschritt, in Oesterreich die Reaktion, und deßhalb werden sie jeden Erfolg Preußens mit Jubel begrüßen, — sie würden alle eine Allianz Frankreichs mit Oesterreich als die größte Thorheit verurteilen. Alle diese Blätter für Sie zu stimmen ist kaum noch nöthig, es wird nur darauf ankommen, ihnen die rechte Direktion zu geben und ihnen die Nachrichten — diplomatischer und militärischer Natur — schnell und richtig arrangirt zu geben. Was das betrifft — je m'en charge!«

      Und er strich mit der Hand über den Boden seines Hutes, drehte leicht den kleinen blonden Schnurrbart und lehnte sich mit überzeugtem Ausdruck in seinen Lehnstuhl zurück.

      »Aber die klerikalen Blätter: ›le Mondes‹ ›l'Univers‹?« fragte Herr von Keudell.

      »Ah, c'est plus difficile!« antwortete Herr Beckmann, »diese Gesellschaft ist sehr österreichisch und schwer davon abzubringen. Im ›Monde‹ schreibt die deutschen Korrespondenzen ein Vetter von mir, der Doktor Onno Klopp.«

      »Dieser Onno Klopp ist Ihr Vetter?« fragte Herr von Keudell.

      »Il a cet avantage,« sagte Herr Beckmann, »und er heißt im ›Monde‹ Hermann Schultze — aber ich muß es sagen, er schreibt recht sehr langweilig, und da er nicht französisch zu schreiben versteht und man seine Artikel erst übersetzen muß, so werden sie noch ungenießbarer für das Publikum. — Das hat wenig zu sagen, — es genügt, daß diese Blätter für irgend etwas Partei nehmen, um das ganze pariser Publikum dagegen zu stimmen.«

      »Aber haben sie nicht Einfluß in den Hofkreisen?« fragte Herr von Keudell.

      »Pas du tout, nicht den geringsten,« — erwiederte Herr Beckmann zuversichtlich, — »der Kaiser hört nur auf die unabhängigen Blätter und die ultramontanen Journale benützt er nicht einmal. Ich kann Sie versichern, daß ein Artikel im ›Siècle‹ oder im ›Temps‹ mehr Einfluß auf seine Entschlüsse hat, als eine ganze Campagne im ›Monde‹ und ›Univers‹.«

      »Glauben Sie aber nicht,« fragte Herr von Keudell weiter, »daß von österreichischer Seite ebenfalls auf die Presse gewirkt werden wird, und daß man Alles thun wird, um die öffentliche Meinung in Frankreich auf jene Seite zu bringen? Man wird die Mittel nicht scheuen, — der Fürst Metternich —«

      »Ah bah,« — rief Herr Beckmann, — »der Fürst Metternich macht gar nichts, er ist trop grand seigneur, um auf die Presse zu wirken, — er hat da den Chevalier Debraux de Saldapenha zur Seite, und der wird ihm einige Artikel in seinem Mémorial diplomatique schreiben, — die sehr schön, sehr diplomatisch und sehr vornehm sein werden, — und — die Niemand lesen wird. — Enfin,« fuhr er fort, »die wirkliche öffentliche Meinung wird für Sie sein, — auch Ollivier— Emile Ollivier, der römische Bürger mit der Sehnsucht nach dem Portefeuille im Herzen —« — fügte er lachend hinzu — »ist ganz preußisch und wird in seinen Konversationen ebensoviel wirken, wie irgend ein großes Journal.«

      »Sie glauben, daß Emile Ollivier durch ein Portefeuille zu ködern wäre?« fragte Herr von Keudell erstaunt.

      »Er wird eines Tages Minister sein,« — erwiederte Herr Beckmann zuversichtlich, — »on fera cette bêtise — vorläufig aber ist er noch der Mann der Opposition und seine Stimme hat Gewicht. Er ist ganz und gar Partisan der preußischen Hegemonie in Deutschland — das genügt. — Es bleiben noch,« fuhr er fort, »die Revues hebdomadaires, welche fast ebensoviel Einfluß ausüben als die Tagesblätter, weil sie in Ruhe gelesen und digerirt werden. Aber auch in dieser Beziehung ist das Terrain günstig, ich kenne die Redakteure alle — und ich glaube, daß ich bei allen leicht für Ihre Interessen wirken kann. Sie erinnern sich, wie günstig überall meine Broschüre »le traité de Gastein« aufgenommen wurde, die ich damals schrieb, als ich die Ehre gehabt hatte, den Ministerpräsidenten in Wiesbaden zu sprechen.«

      »Ja wohl,« sagte Herr von Keudell, »ich war erstaunt über die Unterstützung, welche wir damals überall in der französischen Presse fanden, — und wir sind Ihnen noch sehr dankbar