Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Saal getreten.

      Der geistliche Herr stellte den Kandidaten dem Oberamtmann vor, der ihn mit herzlichem Händedruck begrüßte und ihn dann zu seiner Frau führte, welche ihn mit freundlichen Worten willkommen hieß,

      Helene hatte sich bald zu Fräulein von Wendenstein gesellt und half ihr, nachdem sie ihren Hut abgelegt, die letzte Hand an das Arrangement des Theetisches zu legen.

      Der Lieutenant trat zu den jungen Damen.

      »Nun, Fräulein Helene,« rief er, »jetzt wird es Ernst — jetzt bitte ich Sie ernstlich um gute Wünsche, denn vielleicht bald werde ich die nöthig haben. Nicht wahr,« sagte er mit Herzlichkeit, indem ein tiefer, warmer Blick ihr Auge traf, — »Sie werden zuweilen an mich denken, wenn wir wirklich ausrücken, und mir auch einen guten Wunsch senden?«

      Sie schlug ihr Auge eine Sekunde zu ihm auf und senkte es dann wieder, indem sie mit leicht zitternder Stimme sagte: »Gewiß werde ich an Sie denken und Gott bitten, daß er Sie behüten möge!«

      Er sah sie betroffen an. Die Worte waren so einfach und natürlich und doch klang etwas aus denselben zu seinem Herzen, das ihn heute zum ersten Mal empfinden ließ, daß er bei dem bevorstehenden Ausmarsch zum frischen, fröhlichen Krieg noch Etwas hinter sich zurücklassen müsse.

      »Ich erinnere mich noch sehr gut,« sagte er nach einem augenblicklichen Stillschweigen, »der dunkeln Wolke, die wir am Abend vor meines Vaters Geburtstag sahen, wie sie aus dem Licht des Mondes weit und weiter hinauszog. Jetzt denke ich wieder so recht daran, da ich selbst für lange Zeit, vielleicht zum letzten Mal im freundlichen Licht der Heimat stehe. — Sie sehen, Fräulein Helene,« fuhr er leicht und heiter fort, als wolle er die in ihm aufsteigenden Gefühle zurückdrängen, — »ich lerne von Ihnen, — ich bin schon so weit, Ihre schönen Gedanken zu behalten, — noch einen Schritt und ich werde vielleicht schon eigene haben.«

      Sie antwortete weder auf seine ernste noch auf seine scherzende Bemerkung, sondern sah still vor sich hin.

      »Der Thee ist fertig, liebe Mama,« sagte Fräulein von Wendenstein, nachdem sie einen letzten prüfenden Blick auf den großen runden Tisch geworfen hatte, der heute ausnahmsweise in den Salon gebracht war und ein improvisirtes Souper trug.

      Frau von Wendenstein erhob sich und näherte sich der Tafel mit dem Pastor und dem Oberamtmann, denen der Kandidat folgte.

      »Sie setzen sich zu mir, nicht wahr?« sagte der Lieutenant halb leise zu Helene, — »wie in alter Zeit.«

      Sie antwortete nicht, stellte sich aber schweigend vor das Couvert neben ihm.

      Der Kandidat warf einen prüfenden Blick zu den jungen Leuten hinüber und setzte sich neben Fräulein von Wendenstein.

      Es war nicht der Geist heute im alten Amtshause zu Blechow, der sonst am Tische des Oberamtmanns herrschte. Die Konversation war gezwungen. Niemand sprach aus, was er dachte und Niemand dachte, was er sprach. Die Scherze, welche der Oberamtmann zuweilen gewaltsam versuchte, fielen matt nieder, wie verfehlte Raketen, und auf den Teller der Frau von Wendenstein fiel mancher stille Thränentropfen.

      Der Lieutenant zog die Uhr.

      »Es wird Zeit,« sagte er, »Du erlaubst, Mama, daß ich aufstehe. — Johann, mein Pferd!«

      Alle erhoben sich.

      »Nun noch eine Bitte,« sagte der Lieutenant, »singen Sie mir noch ein Lied zum Abschied, Fräulein Helene, — Sie wissen, ich höre Sie so gern singen — und heute möchte ich eine freundliche Erinnerung an die liebe Heimat mitnehmen.«

      Ein leichtes Zittern flog durch die zarte Gestalt des jungen Mädchens. Sie machte wie unwillkürlich eine leicht abwehrende Bewegung mit der Hand.

      »Ich bitte,« sagte er mit halblauter Stimme.

      Der Oberamtmann war an den Flügel getreten und hatte ihn geöffnet, und Helene saß bald, von dem Fräulein von Wendenstein geführt, vor dem Instrument, während der Lieutenant sich an die Thüre nach dem Garten lehnte, durch welche die helle Dämmerung hereindrang, welche in den Junitagen so lange nach dem Untergang der Sonne in die Nacht hinein dauert.

      Helene hatte die Hände auf die Tasten gelegt und blickte vor sich hin.

      Dann schlug sie einige Akkorde an und ohne den Blick zu erheben begann sie, wie unwillkürlich einer inneren Bewegung folgend, nach der wunderbar schönen Mendelssohn'schen Melodie das Lied zu singen:

      »Es ist bestimmt in Gottes Rath,

       Daß man vom Liebsten, was man hat,

       Muß scheiden.«

      Ihre schöne reine Stimme hatte einen tief ergreifenden Ton und füllte den Saal wie mit magnetischem Strom. Der Lieutenant trat einen Schritt hinaus in den Schalten der Abenddämmerung, Frau von Wendenstein beugte ihr Haupt tief herab und man hörte ihr leises Weinen.

      Immer tiefer und inniger erklangen die Töne, obgleich das Gesicht der Sängerin in fast starrer Gleichgültigkeit blieb, und als sie zum Schluß kam, da zog es wie eine wunderbare Zuversicht, wie ein heiliger Glaube durch ihren Gesang:

      »Wenn Menschen auseinandergeh'n,

       So sagen sie: auf Wiederseh'n!«

      Alle schwiegen unter dem mächtigen Eindruck, den das Lied und sein Vortrag gemacht hatte.

      Der Lieutenant trat von der Terrasse herein. Sein Gesicht war tief ernst, — einen langen innigen Blick richtete er auf das junge Mädchen, welches aufgestanden war und, die Augen gesenkt, mit demselben ruhigen, fast starren Gesicht neben dem Flügel stand; dann ging er zu seiner Mutter und küßte ihr die Hand.

      Die alte Dame stand auf, nahm seinen Kopf in ihre Hände und drückte einen heißen Kuß auf seine Stirn. Dann sagte sie leise: »Gott schütze Dich, mein Sohn!« und drängte ihn sanft von sich, als wolle sie der Bewegung des Abschieds ein Ende machen.

      Der Oberamtmann drückte seinem Sohne die Hand und sprach:

      »Geh' mit Gott und wenn es sein muß, so handle Deines Standes und Deines Namens würdig! — Doch nun kein Abschiednehmen weiter,« rief der alte Herr, indem er einen besorgten Blick auf seine Gattin warf, welche in das Sopha zurückgesunken war und das Gesicht mit ihrem Tuche bedeckte. — »Zu Pferde! wir begleiten Dich hinaus.«

      Und er schritt durch die Thür der Vorhalle, welche der Diener geöffnet hatte.

      Der Pfarrer und der Kandidat folgten ihm.

      Der Lieutenant wendete sich noch einmal, umarmte seine Schwester und trat dann zu Helene.

      »Ich danke von Herzen für das Lied,« sagte er, ihre Hand ergreifend und, halb als ob das Abschiedslied in ihm nachklänge, halb als spräche er zu ihr, fügte er hinzu:

      »Wenn Menschen auseinandergeh'n,

       So sagen sie: auf Wiederseh'n!«

      »Auf Wiedersehen!« wiederholte er, hob ihre Hand an seine Lippen und drückte einen Kuß darauf.

      Dann eilte er seinem Vater nach.

      Eine helle Röthe schlug in dem Gesicht des jungen Mädchens auf, ihre Züge belebten sich und ihr Auge folgte ihm mit einem wunderbar schimmernden Blick. Dann sank sie aus den Stuhl vor dem Flügel nieder und eine heiße Thräne fiel in ihren Schooß, unbemerkt von Frau von Wendenstein, welche noch immer das Gesicht mit dem Taschentuch bedeckt hielt, unbeachtet von ihrer Tochter, welche die Mutter sanft umschlungen hielt und mit der Hand leicht ihr graues Haar streichelte.

      Draußen aber stand Fritz Deyke, der es sich nicht hatte nehmen lassen, das Pferd des Lieutenants vorzuführen, und ungeduldig scharrte Roland mit den Hufen im Sande.

      Der Lieutenant umarmte seinen Vater und den Pastor und reichte dem Kandidaten die Hand, welche dieser mit einer Verbeugung ergriff, wobei man, wenn die Dämmerung weniger vorgeschritten gewesen wäre, einen stechenden, feindlichen Blick hätte bemerken können, den er auf den Offizier warf.

      Dieser sprang leicht und gewandt in den Sattel. — »Gott befohlen, Herr Lieutenant,