»Kein General allein kann gefährlich sein, Majestät, — ihm fehlt das Material — und man wird auf seinen Rath nicht hören,« sagte Graf Bismarck zuversichtlich. — »Zugleich aber,« fuhr er fort, »ist in Frankfurt gestern der Beschluß auf Mobilmachung der Bundesarmee gegen Preußen gefaßt, damit ist der Krieg thatsächlich erklärt und es kommt nun darauf an, daß Eure Majestät schleunigst die Maßregeln befehlen, um die Gefahren zu beseitigen, die uns auf unserem eigenen Operationsgebiet drohen. Hannover und Kurhessen müssen unschädlich gemacht werden.«
»Wie ist der Beschluß in Frankfurt gefaßt?« fragte der König, — »haben Hannover und Kurhessen für Oesterreich gestimmt?«
»Sie haben die österreichischen Motive nicht angenommen,« erwiederte der Ministerpräsident, »aber die Mobilmachung mit beschlossen. — Immer das alte Schaukelspiel!« fügte er hinzu, »das uns aber hochgefährlich werden kann, wenn jene Staaten nicht schnell unschädlich gemacht werden.«
»Bis jetzt haben sie nicht gerüstet,« sagte der König.
»Nach dem Bundesbeschluß aber müssen sie rüsten, — und jedenfalls können sie auch mit ihren Armeen in Friedensstärke höchst lästig werden,« erwiederte Graf Bismarck, — »ich bitte Eure Majestät inständigst, mit der größten Energie vorgehen und den sofortigen Einmarsch in Hannover und Kurhessen befehlen zu wollen.«
Der König dachte nach.
»Sie haben in Hannover und Kassel die angebotenen Neutralitätsverträge nicht abschließen wollen,« sagte er, — »jetzt, nachdem die Bundesmobilmachung beschlossen ist, kann davon freilich nicht mehr die Rede sein. — Aber sie haben abermals eine halbe Maßregel getroffen, die vermuthen läßt, daß sie es nicht wagen, sich ernstlich und definitiv gegen uns zu erklären. Ich will sie noch einmal positiv und klar fragen und ihnen die Möglichkeit geben, auf dem gefährlichen Weg umzukehren, den sie gehen.«
»Aber, Eure Majestät!« — bemerkte Graf Bismarck, — »es wird viel Zeit verloren gehen und unsere Zeit ist kostbar —!«
»Seien Sie ganz ruhig, lieber Graf!« erwiederte der König, — »es soll keine Zeit verloren gehen, die Zeit des Zweifels und der Unruhe ist vorbei, der Augenblick des Handelns ist gekommen, — es gibt für mich keine Wahl und kein Besinnen mehr!«
Graf Bismarck athmete erleichtert auf.
»Aber pour l'acquit de ma conscience,« sagte der König, »will ich noch eine letzte und ernste Mahnung an meine Herren Vettern richten, — denn, Gott weiß es,« fügte er hinzu, — »es wird mir schwer, gegen sie vorzugehen. — Die Sommation, welche ihnen ein Bündniß auf Grund unserer Bundesreformvorschläge und unter Garantie ihres Besitzes vorschlägt, ist in den Händen der Gesandten?« fragte er.
»Zu Befehl, Majestät!« erwiederte der Ministerpräsident.
»So geben Sie sofort die telegraphische Ordre, diese Sommation zu übergeben und bis zum heutigen Abend eine Antwort zu verlangen!«
»Die Ordre soll sofort abgehen,« sagte Graf Bismarck, — »wenn aber eine ablehnende, — oder, was wahrscheinlicher ist, — eine ausweichende Antwort erfolgt?« — fragte er und blickte mit Spannung in das Gesicht des Königs.
König Wilhelm schwieg einen Augenblick, dann richtete er sein Auge mit festem, klarem Ausdruck auf den Minister und antwortete:
»Dann sollen die Gesandten den Krieg erklären.«
»Es lebe der König!« rief Graf Bismarck mit lauter Stimme und eine hohe Befriedigung erleuchtete sein Gesicht.
»Lassen Sie dasselbe in Dresden thun!« sagte der König.
»In Dresden?« rief Graf Bismarck, — »glauben Eure Majestät, daß Herr von Beust —«
»Ich habe nichts mit Herrn von Beust zu thun,« erwiederte der König mit Hoheit, »aber ich will dem König Johann auch noch einmal die Hand bieten, — ist es vergeblich, so trifft nicht mich die Schuld dessen, was folgen wird!«
»Dann aber,« sagte Graf Bismarck, »möchte ich Eure Majestät bitten, die militärischen Operationen sofort zu befehlen, welche unmittelbar nöthig sein werden, sobald die Kriegserklärung erfolgt.«
»Ich werde Moltke rufen lassen und sofort das Erforderliche anordnen,« sagte der König.
»Darf ich Eurer Majestät Aufmerksamkeit auf einen Punkt in dieser Beziehung richten?« sagte Graf Bismarck.
Der König sah ihn fragend an.
»Der General von Manteuffel kommt mit seinen Truppen von Holstein,« sagte Graf Bismarck. »Er hat die Erlaubniß von Hannover zum Durchzug nach Minden erhalten. Seine Avantgarde steht vor Harburg, die auf der Elbe stationirten Schiffe sind unter seinen Befehl gestellt. Harburg ist ohne Besatzung, — kann aber leicht von Stade aus, wohin seit Kurzem stärkere Garnison gelegt ist, besetzt werden. Es wäre, wie mir scheint, hochwichtig, — daß beim Beginn der Feindseligkeiten, falls die Kriegserklärung gegen Hannover erfolgt, — Harburg in unsern Händen ist, denn es könnte entgegengesetzten Falles viel Zeit verloren werden. Ich glaube, es wäre sehr zweckmäßig, wenn Eure Majestät sofort die Besetzung Harburgs durch den General von Manteuffel befehlen wollten. Er hat das vollkommene Recht dazu, da er sich auf einem von der hannöverischen Regierung erlaubten Durchmarsch befindet. Nimmt man in Hannover die Sommation an, — so marschirt er ruhig weiter, — verwirft man sie, so hat er den wichtigen Punkt und die Eisenbahn in Händen.«
Der König hatte aufmerksam zugehört, — lächelnd nickte er mit dem Kopf.
»Sie haben Recht!« sagte er, — »es ist doch gut, einen Minister zu haben, der auch etwas Militär ist. — Die Ordres sollen abgehen!«
»Nun aber erlauben Eure Majestät,« sprach der Ministerpräsident, »daß ich mich entferne, um eiligst die befohlenen Maßregeln zu veranlassen.«
Und er machte eine Bewegung, um sich zu entfernen.
»Was sind für Nachrichten aus Paris da?« fragte der König.
Graf Bismarck trat einen Schritt in das Kabinet zurück. Sein Gesicht nahm einen finstern Ausdruck an.
»Benedetti ist schweigsam, Majestät, — ganz gegen seine Gewohnheit,« sagte er, »dagegen berichtet Graf Goltz, daß man in Paris zur Aktion dränge, man hat ihm nicht undeutlich zu verstehen gegeben, daß der Kaiser Neigung habe, sich auf die Seite Oesterreichs zu stellen, wenn nicht bald von hier aus ein entscheidender Schritt geschehe. — Ich habe Grund zu glauben,« — fügte er hinzu, »daß da eine separate Unterhandlung wegen Venetien im Gange ist, um uns im letzten Augenblick einen bösen Streich zu spielen, — von einem zuverlässigen Agenten aus Wien wird es positiv mitgetheilt, — und auch Graf Usedom berichtet, daß er mit der Haltung Italiens nicht zufrieden sei und manchen Zweideutigkeiten begegne. — Indeß,« fuhr der Minister mit leichterem Ton fort, »bin ich über diese Intriguen nicht sehr beunruhigt, man wird in Wien nichts zugestehen, — man reitet dort noch auf zu hohem Pferde. Uebrigens habe ich nach Florenz die Instruktion geschickt, wachsam zu sein und auf energisches, mit unsern militärischen Operationen harmonirendes Handeln zu dringen.«
»Aber was will der Kaiser Napoleon?« fragte der König.
»Jedenfalls im Trüben fischen,« antwortete Graf Bismarck mit der ihm eigenen rücksichtslosen Offenheit, — »wenn er uns aber jetzt zum Handeln drängt, so scheint es mir, daß ihm der Fischzug nicht geglückt ist. — Ich habe Benedetti,« fuhr er fort, »geradezu interpellirt über die unsichtbaren Dinge, die da zwischen Paris und Wien vorgehen. Er behauptet über Nichts unterrichtet zu sein, — nun, jedenfalls kann er in Paris melden, daß wir hier nicht auf beiden Ohren taub sind.«
»Mir hat diese italienische Allianz so recht niemals gefallen wollen,« sagte der König nachdenklich, — »obgleich ich ihren großen Nutzen erkenne. — O daß es dahin hat kommen müssen — wie viel lieber würde ich, wie in meiner Jugend, mit Oesterreich zusammen nach anderer Richtung in's Feld ziehen!«
Mit