Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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von Garcia Hernandez, von Waterloo abgeben und diese Armee würde dann gegen die mit Oesterreich verbündeten deutschen Truppen marschiren müssen. — Ich frage Sie nun, meine Herren Minister, vor Gott, Ihrem Gewissen und auf den mir und dem Lande geleisteten Eid: Kann ich diese Proposition annehmen? Kann ich es als Vertreter der königlichen Rechte meines Hauses? Kann ich es als Vertreter meines Landes? Kann ich es nach der Verfassung des Königreichs? — Antworten Sie zuerst, Graf Platen, als Minister der auswärtigen Angelegenheiten!«

      Graf Platen rieb sich leicht die Hände, neigte sich ein wenig vor und zurück — und antwortete: »Nein, Majestät, — es wäre vielleicht —«

      Der König unterbrach ihn:

      »Und Sie, Herr von Malortie? als Minister meines Hauses?«

      Der Oberhofmarschall, welcher noch tiefer als gewöhnlich in seine schwarze Binde und seinen zugeknöpften Frack zusammengezogen dasaß, sagte mit leiser Stimme: »Nein, Majestät.«

      »Und Sie, mein Justizminister?«

      Der Justizminister Leonhardt antwortete kurz und fest mit klarer Stimme: »Nein!«

      »Herr Minister des Innern?«

      »Nein, — niemals!« antwortete der Minister Bacmeister.

      Die gleiche Antwort gaben die Minister des Kriegs, des Kultus und der Finanzen.

      Der König erhob sich. Sämmtliche Minister mit ihm.

      »Es ist mir eine große Freude, meine Herren Minister,« sprach Georg V., »zu vernehmen, daß Sie alle auf die preußischen Propositionen nur eine und dieselbe Antwort haben, welche ich nach meiner Auffassung der Rechte meiner Krone und meines Landes sogleich dem Grafen Platen gegeben habe, als er mir die Sommation vorlas. Es ist mir eine große Beruhigung, mich bei diesem wichtigen Entschluß eins zu wissen mit meinem Gesammtministerium, — nicht, meine Herren, daß ich die Verantwortung scheute oder auf Ihre Schulten: zu laden wünschte,« — der König erhob stolz den Kopf, — »aber es ist mir diese übereinstimmende Antwort von Ihnen Allen eine Bürgschaft, daß die Leiden, welchen mein Land in Folge der Ablehnung der preußischen Proposition vielleicht ausgesetzt sein wird, eine unabänderliche und unvermeidliche Schickung Gottes sind. — Wenn Sie aber,« fuhr er fort, »Alle mit mir darüber einig sind, daß ich das mir angetragene Bündniß auf dieser Basis nicht annehmen kann, — so müssen sogleich und ohne Zögern diejenigen Maßregeln getroffen werden, welche die nunmehr sehr ernste Lage erheischt. Ich will die Armee nach Süddeutschland führen und sie zu diesem Zweck sofort im Süden des Königreichs konzentriren. Das Nähere werde ich sogleich mit meinen Generalen festsetzen. Die Königin und die Prinzessinnen bleiben hier und werden das Schicksal des Landes theilen!«

      Ein Flüstern der Zustimmung machte sich hörbar.

      »Majestät,« sagte der Minister Bacmeister, »darf ich sogleich eine hieher gehörende Entscheidung erbitten?«

      »Was ist's?« fragte der König.

      »Der General von Manteuffel steht in Harburg,« sagte der Minister, »und verlangt Eisenbahnwaggons, um die preußischen Truppen der ertheilten Erlaubniß zufolge nach Minden transportiren zu können. Die Eisenbahndirektion fragt an, was sie thun soll?«

      Der König biß die Zähne zusammen.

      »Er will bei der Kriegserklärung mitten im Lande sein!« rief er. »Geben Sie Ordre, daß alle Wagen sofort hieher gesendet werden. Wir werden sie für den Truppentransport gebrauchen.«

      »Auch müßten,« sprach der Minister weiter, »unter diesen Umständen die noch versammelten Stände des Königreichs aufgelöst werden, — ich habe, als Graf Platen mir die Lage mittheilte, die Ordre aufgesetzt.« —

      »Geben Sie!« rief der König.

      Und der Minister legte die Ordre auf den Tisch.

      »Der Generalsekretär ist draußen,« sagte er.

      »Lassen Sie ihn kommen!«

      Der Minister eilte hinaus und kehrte sofort mit dem Generalsekretär des Gesammtministeriums zurück, in dessen Gegenwart der König das Auflösungsdekret vollzog.

      »Und nun, meine Herren,« rief er, »jetzt gehen Sie Jeder an's Werk in Ihrem Ressort, den schweren Zeiten entgegenzutreten, und der dreieinige, allmächtige und gerechte Gott gebe, daß ich Sie Alle hier glücklich wieder um mich versammeln könne. Graf Platen und General Brandis bitte ich noch zu bleiben!«

      Die übrigen Minister verneigten sich ernst und schweigend und verließen das Kabinet.

      »Wollen Sie nun, Graf Platen,« sagte der König, »dem Prinzen Ysenburg die Antwort geben — klar und bestimmt — wie Sie Alle sich ausgesprochen haben!«

      »Zu Befehl, Majestät!« sagte Graf Platen, — »Eure Majestät befehlen aber doch, daß die Form verbindlich sei, damit die Möglichkeit von weiteren Verhandlungen nicht ausgeschlossen bleibe —«

      »Sie glauben noch an Verhandlungen?!« rief der König, — »artig und höflich soll die Antwort sein,« fuhr er dann fort, — »auch meine Bereitwilligkeit zur Neutralität soll nochmals auf das Bestimmteste ausgesprochen werden, — aber über den Punkt der Reformbedingungen darf kein Zweifel bestehen!«

      »Wenn Eure Majestät einverstanden sind,« sagte Graf Platen, »so könnte der Regierungsrath Meding die Antwort abfassen, er wird gewiß keine schroffe Form wählen und bei seiner Gewandtheit in der Wahl der Ausdrücke —«

      »Gewiß soll der Regierungsrath Meding die Antwort machen, und ich zweifle nicht, daß er die besten Ausdrücke wählen wird, — wohl aber zweifle ich, daß hier auch die besten Worte einen Erfolg haben können. Senden Sie mir Meding mit der Antwort, sobald sie fertig ist!«

      »Zu Befehl, Majestät!« sagte Graf Platen und entfernte sich eilig.

      »Sie, mein lieber General,« sprach der König zum Kriegsminister gewendet, »bleiben hier, um mit dem Generaladjutauten und dem Chef des Generalstabes mir die Maßregeln zur Konzentration der Armee vorzuschlagen.«

      »Herr Geheimer Kabinetsrath, — sind die Herren Generale da?«

      »Sie stehen zu Eurer Majestät Befehl!« erwiederte der Geheime Kabinetsrath.

      »Lassen Sie sie eintreten!«

      »Ich werde noch einmal wieder jung, Majestät,« sagte der General von Brandis, während der Geheime Kabinetsrath hinausging, »bei dem Gedanken, daß ich mit Eurer Majestät und der Armee in's Feld ziehen soll. Mein Herz schlägt wieder wie zur Zeit des großen Wellington!«

      »Damals war Deutschland einig!« sagte der König tief seufzend. —

      Während die Generale in Herrenhausen saßen, die Adjutanten in der großen Allee nach der Stadt hin und her flogen und der Telegraph die Ordres an alle Truppenkommandanten im Königreiche trug, war die Stadt Hannover in fieberhafter Aufregung. Auf den sonst so ruhigen Straßen sammelten sich Gruppen von Neugierigen, und lebhaft wurde die Lage der Dinge diskutirt. Tiefe Bestürzung malte sich auf den Gesichtern, wenn irgend ein Eingeweihter die große Nachricht mittheilte: Die Armee marschirt nach Süddeutschland, der König geht fort. — Seit lange war die Stimmung im höchsten Grade antipreußisch gewesen, man hatte es laut getadelt, daß der König die Brigade Kalik und den General von Gablenz fortgehen ließ, man hatte den österreichischen Truppen alle möglichen Ovationen gebracht — und nun, — als man mit einem Male so vor dem wirklichen Kriege stand, als der gewaltige Ernst der Lage an Jeden herantrat, da überkam Unruhe und Besorgniß die Bevölkerung. Und daß der König fortgehen wollte, das machte die guten Hannoveraner vollständig bestürzt.

      Sie hatten stets Opposition gemacht, sie hatten stets zu tadeln und zu kritisiren gehabt an Allem, was gethan und nicht gethan war, — aber die »Residenz« ohne den König — das vermochten sie nicht zu fassen, das war etwas Unglaubliches, und schon begannen sich Stimmen zu erheben, welche abermals zu tadeln anfingen: »Der König flieht und läßt uns allein,« — hörte man sagen, »der Feind wird dann gar keine Rücksichten nehmen, man wird uns brandschatzen!«