»Für den Augenblick danke ich Ihnen,« sagte der Kaiser erregt, — »später können Sie mir darüber Mitteilungen machen, die mich hoch interessiren werden! — Wie steht die römische Kurie zu Ihrer Sache?« fragte er dann.
Graf Rivero erwiederte:
»Der heilige Vater, kaiserliche Majestät, ist der oberste Priester der Kirche, — seine Waffen sind geistlicher Natur, er kann keinen unmittelbaren Antheil nehmen an dem Werke, das mit weltlichen Mitteln wirkt, aber dieß Werk kann ihm nur ein wohlgefälliges sein und sein apostolischer Segen ist Jedem gewiß, der daran arbeitet, das weltliche und geistliche Recht wiederherzustellen. — Alle treugebliebenen Priester unterstützen die Bestrebungen der Liga durch alle Mittel, welche ihr heiliges Amt ihnen anzuwenden erlaubt.«
»Und wie denkt diese Liga zu handeln, — was hofft sie zu erreichen?« fragte der Kaiser.
»Majestät,« erwiederte der Graf, — »wir erwarten den Ausbruch des großen Krieges, den Oesterreich zur Wiederherstellung seiner alten Macht und Größe zu unternehmen im Begriffe steht. — Mag im Norden der Erfolg der österreichischen Waffen ein schneller oder langsamer sein, Italien gegenüber sind wir des österreichischen Sieges sicher. — Wir können allein nichts unternehmen, denn wir stehen geordneten Heeren gegenüber, denen wir noch nicht gewachsen sind. — Sobald aber diese Heere der österreichischen Macht gegenüber engagirt und festgehalten sind, sobald der erste Schlag gefallen ist, werden wir das Signal geben und hinter der zerbröckelnden Armee Viktor Emanuel's wird Italien sich erheben, die Freischaaren des Rechts und der Kirche werden überall erstehen und das sardinische Regiment vertreiben, und die legitimen Fürsten werden in ihre Länder zurückkehren. Eurer Majestät Regimenter werden nur die Lombardei zu besetzen haben und sie wird Ihnen wieder gehören!«
»Und Napoleon?« fragte der Kaiser.
»Ich habe Grund zu glauben, daß er vielleicht es nicht ungern sehen wird, wenn das sardinische Italien durch italienische Kräfte wieder aufgelöst wird — er zittert schon vor seinem eigenen Werk — außerdem würde seine Intervention dann zu spät kommen.«
»Und Sie glauben,« fragte der Kaiser, »daß Italien selbst die Lombardei meinem Hause zurückgeben wird?«
»Ja, Majestät,« antwortete der Graf, »unter der Bedingung —«
»Ah — Bedingungen?« rief der Kaiser.
»Majestät,« sagte der Graf, — »wir Alle, die wir an dem großen Werke mitarbeiten, sind Italiener und wollen ein glückliches, starkes Italien. Wir wollen das lombardisch-venetianische Königreich im Norden unserer Halbinsel als Blut von unserem Blut und Fleisch von unserem Fleisch, wir wollen deßhalb die Lombardei Eurer kaiserlichen Majestät und dem Hause Habsburg wiedergeben — aber nicht Oesterreich.«
»Wie trennen Sie das?« fragte der Kaiser ein wenig empfindlich.
»Ich glaube,« erwiederte der Graf, »diese Trennung beweist die tiefe Verehrung, welche wir dem erhabenen Kaiserhause entgegenbringen. — Es ziemt mir nicht,« fuhr er fort, »und ich bin nicht berufen, Eurer kaiserlichen Majestät meine Ansicht über die Regierung der Länder darzulegen, welche den Kaiserstaat bilden, — ich muß aber bemerken, daß nach meiner Auffassung, welcher die Geschichte zur Seite steht, in dem großen Oesterreich nur Ein wahrhaft gemeinsames Band für Alle besteht, dieß ist: der Kaiser und die Armee.«
Der Kaiser neigte fast unwillkürlich das Haupt.
»Für Italien,« fuhr der Graf fort, »ist dieß unumstößliche Wahrheit. Niemand in der Lombardei und in Venetien, oder in meinem ganzen übrigen Vaterlande hat gegen die Herrschaft des Hauses Habsburg etwas einzuwenden. — Was das Nationalgefühl beleidigte, was auch Gutgesinnte verwirrte, war das deutsche Regiment, das man uns in Eurer Majestät Staaten fühlen ließ, — die Regierung war eine fremde und erregte im Volke das Gefühl einer fremden Okkupation. — Lassen Eure Majestät Ihre Unterthanen in Italien Italiener sein — und aller Widerwille wird verschwinden.«
Der Kaiser schwieg. Er schien nicht ganz zu verstehen.
»Erlauben mir Eure kaiserliche Majestät,« sagte der Graf, »das ganze Bild zu entwickeln, wie es vor meinem inneren Blick in leuchtender Klarheit dasteht. — Ich denke mir nach dem Sturz der dämonischen Gewalt, welche mein armes Vaterland jetzt darniederhält, dasselbe als einen großen, in einem, dem deutschen ähnlichen Bunde, geeinten Organismus. Im Süden das Königreich beider Sizilien, im Herzen das heilige Patrimonium Petri und im Norden neben dem in seine natürlichen Schranken zurückgewiesenen Sardinien und den kleineren Herzogtümern das lombardisch-venetianische Königreich. Alle diese Länder, unter ihren legitimen Fürsten italienisch regiert, bilden den großen italienischen Bund, und Eure Majestät stehen in diesem Bunde als italienischer Fürst, wie Allerhöchstdieselben in Deutschland stehen, als Herrscher deutscher Länder. — An der Spitze des Bundes, der die Institutionen für Handel und Verkehr, für die materielle Wohlfahrt und Blüte des Landes in nationalem Geiste gemeinsam entwickelte, stände der heilige Vater — das Haupt der Christenheit, — sein mächtiger weltlicher Schirmherr würden Eure kaiserliche Majestät sein, und wenn dann die Waffen Oesterreichs, wie ich vom Himmel erflehe, in Deutschland siegen, so würde der römische Kaiser von Sizilien bis zur Nordsee der geehrte und geliebte Schirmherr des Rechts und der Schiedsrichter Europas sein.«
Der Graf verneigte sich. Er hatte zuletzt lebhafter als vorher gesprochen und sein strahlender Blick schien das glänzende Bild in schimmernder Vollendung zu sehen, dessen Umrisse er dem Kaiser zeigte.
Die Augen Franz Joseph's leuchteten, während der Staatsrath Klindworth seine scharfen Blicke von dem Grafen zum Kaiser schweifen ließ und sonst ohne Zeichen inneren Antheils an dem Gespräch schweigend dastand.
»Es ist mir von hohem Interesse, was Sie mir entwickelt haben, mein lieber Graf Rivero,« sagte der Kaiser, »und ich freue mich, daß mir Ihre Eröffnungen gerade jetzt gekommen sind. Ihre Pläne entsprechen den Wünschen, die ich als Nachkomme meiner Vorfahren und als Haupt meines Hauses im Herzen tragen muß.«
»Eure Majestät billigen also,« fragte der Graf, »nehmen unsere Dienste an und wollen uns unterstützen?«
»Ich will es,« sagte der Kaiser.
Der Graf zögerte einen Augenblick, dann richtete er sein klares Auge fest auf den Kaiser.
»Und die Autonomie Allerhöchstihres italienischen Königreiches?« fragte er.
»Mein Wort dafür zum Pfande,« sagte der Kaiser.
Der Graf verneigte sich.
»Und Sie, mein lieber Graf,« fragte der Kaiser, — »welche Rolle spielen Sie in dem großen Drama?«
»Ich bleibe jetzt hier,« antwortete Graf Rivero, »um die Situation zu verfolgen und im gegebenen Moment das Signal zu geben. Ich stehe stets zu Eurer kaiserlichen Majestät Verfügung.«
»Sie haben mir durch Ihre Mittheilungen einen großen Dienst geleistet,« sagte der Kaiser,