»Gräfin Klara,« sagte Herr von Stielow in demselben innigen Tone wie vorhin, »ich habe Ihnen noch eine Antwort zu geben auf eine Frage — eine Andeutung,« fuhr er stockend fort, »am Schlusse unseres Gesprächs bei der Gräfin Mensdorff, — ich habe Sie seitdem nicht allein gesprochen —«
Die Comtesse unterbrach ihn:
»Ich glaube, daß jetzt nicht die Zeit zu Antworten ist — auf Fragen,« fuhr sie mit einem halb höhnischen, halb traurigen Lächeln fort, — »die ich schon vergessen habe.« —
»Ich habe sie aber nicht vergessen,« sagte er ernst, — »und ich will auf Ihre Andeutung antworten.«
Sie machte eine abwehrende Bewegung.
Ohne darauf zu achten, fragte er:
»Glauben Sie meinem Wort, wenn ich Ihnen dasselbe als Edelmann gebe?«
Sie schlug die Augen zu ihm auf und antwortete einfach:
»Ja!«
»Ich danke Ihnen für dieß Vertrauen, Gräfin Klara,« sagte er, »nun, ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich frei bin, frei wie die Luft und das Licht von jeder Fessel.«
Ein Ausdruck von freudigem Staunen flog durch ihre Züge.
»Ich verstehe Sie nicht,« sagte sie leise.
»Doch, Sie verstehen mich, Gräfin Klara,« rief er lebhaft, »aber ich habe nicht die volle Wahrheit gesagt — ich bin frei von jeder Fessel, die meiner nicht würdig ist — aber ich suche die Kette, die mich für immer an mein Glück fesseln soll — und die ich tragen darf, ohne zu erröthen.«
Sie war in unbeschreiblicher Verwirrung. Ein kurzer, flüchtiger Blick ihres schnell wieder gesenkten Auges traf ihn, — aber er mußte in diesem Blick Alles gelesen haben, wonach er fragte, denn er trat mit glücklichem Lächeln einen Schritt näher zu ihr.
»Ich verstehe das Alles nicht,« stammelte sie, — »Sie müßten mir erklären —«
»Erklären und erzählen,« unterbrach er sie, »kann ich das Alles der fremden Dame nicht, — das könnte ich nur Derjenigen, die mir das Recht gäbe, ihr mein Leben zu weihen und keine Geheimnisse vor ihr zu haben.« —
»Mein Gott, Herr von Stielow,« rief sie in höchster Verwirrung, — »ich bitte Sie wirklich — erklären Sie mir —«
»Also Sie geben mir das Recht, Ihnen zu erklären — ?«
»Das habe ich nicht gesagt,« rief sie und erhob sich.
Sie machte einen Schritt nach der Thüre, durch welche ihre Mutter hinausgegangen war.
Er trat auf sie zu und ergriff ihre Hand.
»Eine Antwort, Klara!« rief er.
Sie blieb stehen und senkte den Kopf.
»Klara,« rief er nochmals in innigem, leisem Ton — »Sie tragen eine frische Rose auf der Brust — in den Zeiten des Ritterthums gab die Dame Demjenigen, dessen Dienste, dessen Liebe und Hingebung für immer sie annahm, ein Zeichen, das als ein heiliger Talisman ihn in den Kampf und bis in den Tod begleitete. — Auch wir stehen am Vorabend blutiger Tage — Klara, wollen Sie mir die Rose geben?«
»Die Rose ist das Symbol der Reinheit und Wahrheit,« sprach sie ernst.
»Also das Symbol dessen, was für Sie in meinem Herzen lebt und ewig leben wird,« rief er — und mit bittendem Ton fügte er leiser hinzu — »Klara! — ich bin der Rose würdig.«
Sie hob langsam das Auge zu ihm empor. Ein langer, tiefer Blick traf ihn. Dann hob sie die Hand, löste langsam die Rose von ihrem Busen und hielt die Blume zögernd und tief erröthend still vor sich, indem sie ihre Augen darauf senkte.
Er trat stürmisch auf sie zu, ergriff die Rose und bedeckte die Hand, welche sie ihm überließ, mit Küssen.
»Klara,« sagte er fest und ernst, »diese Blume wird verwelken, aber das Glück, das Sie mir mit ihr geben, wird in meinem Herzen blühen, so lange es schlägt. — Dank Dir, gütiger Himmel,« rief er dann, »ich habe meinen Stern gefunden!«
Und er zog sie sanft an sich.
Ohne ein Wort zu sprechen, lehnte sie den schönen Kopf an seine Brust und brach in leises Weinen aus.
Die Gräfin Frankenstein trat ein.
Bei dem Rauschen ihrer Robe erhob sich ihre Tochter lebhaft, eilte auf sie zu und schloß sie in ihre Arme.
Herr von Stielow näherte sich der alten Dame.
»Meine gnädigste Gräfin,« sagte er, »ich kann nur wiederholen, was ich eben im Gefühl des höchsten Glückes Ihrer Tochter sagte: ich habe meinen Stern gefunden! Darf er den Himmel meines Lebens für immer erleuchten?«
Die Gräfin zeigte ein Erstaunen, in welchem sich eine gewisse Befriedigung nicht verkennen ließ.
»Ich überlasse die Antwort meiner Tochter,« sagte sie, — »und genehmige ihre Entscheidung.«
»Und was sagen Sie, Gräfin Klara?« fragte Herr von Stielow.
Die junge Dame reichte ihm die Hand.
»Nun, dann segne Sie Gott,« sprach die Gräfin, indem sie ihre Tochter sanft von sich entfernte und auch ihrerseits dem jungen Mann die Hand reichte, welche dieser ehrerbietig küßte.
»Doch nun,« rief die Gräfin, »müssen wir fort. Morgen erwarten wir Sie, Herr von Stielow — heute sollen Sie uns nur Ihren Schutz bis zur Gräfin Wilczek gewähren.«
»O Mama,« rief Comtesse Klara — »könnten wir heute nicht zu Hause bleiben?«
»Nein, mein Kind,« sagte ihre Mutter, »man würde Glossen machen und Du weißt, ich liebe Alles in der gehörigen Form. Sie ist die Grundlage alles wahren und dauernden Glückes.«
»Nun denn,« rief Herr von Stielow, »bis morgen — mein neu aufgegangener Stern wird auch bis morgen die Nacht erleuchten!«
Seine Braut sah ihn lächelnd an. Es lag wie eine halb besorgte, halb schelmische Frage in ihrem Blick.
Er erhob die Rose, welche er noch in der Hand hielt, drückte sie an seine Lippen und barg sie dann unter der Uniform an seine Brust.
Die Gräfin klingelte. Ein Lakai brachte die Mäntel der Damen.
Herr von Stielow stieg mit ihnen in den Wagen und geleitete sie nach der Wallnerstraße zum Palais der Gräfin Wilczek.
Als er sich verabschiedet hatte, ging er träumerisch durch die abendlichen Straßen der Kaiserstadt.
Aus den hellerleuchteten Fenstern des Café Daun schallten laute, fröhliche Stimmen. Die an ihrem Vereinigungsorte versammelten Offiziere aller Waffen freuten sich der Kriegsaussichten und manche jubelnde Stimme tönte hier in die Nacht hinaus, die schon nach kurzer Zeit vielleicht für immer zu verstummen bestimmt war.
Herr von Stielow zögerte einen Augenblick vor dem Eingange des Café Daun.
Aber seine Stimmung paßte nicht zu der derben Fröhlichkeit seiner Kameraden.
Er ging weiter, — nachdenkend über Alles, was er heute erlebt, innerlich glücklich über die Lösung, welche der Zwiespalt in ihm gefunden.
So schritt er in Gedanken vorwärts über den Graben, die rothe Thurmstraße, und in süße Träumereien versunken folgte er dem Ufer der Donau.
Er kam in die Nähe der Aspernbrücke.
Ein Mann in dunklem Mantel trat auf ihn zu.
»Ei grüß' Gott, Herr von Stielow,« rief er, den jungen Offizier begrüßend, »Sie gehen ja hier umher, als wären Sie Philosoph geworden und wollten den Stein der Weisen suchen!«
»Guten Abend, lieber Knaak,« erwiederte der Lieutenant und reichte dem bekannten