Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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ihre beiden Augen.

      Sie drückte in rascher Bewegung die Lippen auf seine Hand.

      »Daß ich empfangen und immer empfangen muß!« rief sie. — »O daß ich eine Königin wäre und Du ein armer Junker, daß ich die Strahlen des Glanzes und des Glückes über Dich leuchten lassen könnte, Dich hervorheben unter Tausenden und zu mir Heraufziehen an die goldenen Stufen meines Thrones!«

      Sie hatte sich aufgerichtet und saß in wahrhaft königlicher Haltung da. Ihr Auge strahlte in dunklem Feuer und als sie leicht die Hand gegen ihn erhob, da hätte man glauben sollen, daß auf den Wink dieser schönen Hand Armeen marschiren und Tausende von Höflingen sich in den Staub bücken müßten.

      Dann verschleierte sich ihr Auge leicht und mit sanftem, schmelzendem Ton sagte sie:

      »So aber habe ich Nichts zu geben, als meine Liebe!«

      »Und mehr verlange ich nicht von meiner Königin!« rief er, indem er von dem Tabouret herab auf die Kniee sank und sie mit glühenden Blicken ansah.

      Sie nahm seinen Kopf in ihre beiden Hände und drückte einen langen Kuß auf seine Stirn.

      Ein heller Glockenton durchzitterte das Gemach.

      Ein Geräusch entstand im Vorzimmer.

      Die Kammerjungfer trat eiligst ein und rief mehr im Tone des Schreckens, als in dem der Anmeldung:

      »Der Graf von Rivero!«

      Die junge Frau fuhr empor.

      Mit einer fast rauhen, heftigen Bewegung stieß sie Herrn von Stielow auf das Tabouret zurück und warf sich in die andere Ecke ihres Sophas.

      Tiefe Blässe überzog ihr Gesicht.

      Herr von Stielow sah sie erstaunt an.

      »Weise doch diesen störenden Besuch ab!« flüsterte er.

      »Es ist ein alter Bekannter, den ich lange nicht gesehen,« — sagte sie mit gepreßter Stimme, »es ist —«

      Ehe sie vollenden konnte, öffnete sich die Portière des Vorzimmers, und mit vornehmer, eleganter Sicherheit trat ein großer, schlanker Mann von etwa fünfunddreißig Jahren ein; er war in dunkle Farben gekleidet, sein Gesicht mit edlen, scharfgeschnittenen Zügen trug den mattblassen Teint der Südländer, die großen, dunklen Augen wurden nur durch das tiefe Schwarz der kurzgeschnittenen Haare und des kleinen Schnurrbartes überboten.

      Der als Graf Rivero Angemeldete näherte sich mit der ruhigen Bewegung des vollkommenen Weltmannes der jungen Frau, während indeß sein dunkles Auge mit tiefer Glut ihr entgegenstrahlte.

      Sie reichte ihm die Hand, auf welche er seine Lippen drückte und länger ruhen ließ, als es die einfache Höflichkeit verlangte.

      Herrn von Stielow entging dieß nicht, und in das Erstaunen, welches seine Mienen bei dem ersten Anblick des so plötzlich und mit solcher Sicherheit hier Eintretenden ausgedrückt hatten, begann sich ein entschiedenes Mißvergnügen zu mischen.

      »Ich bin durch eine plötzliche Wendung in meinen Geschäften veranlaßt, ganz unvermuthet und so viel schneller, als ich erwartete, zurückzukehren, und freue mich, meine wiener Freunde wieder begrüßen zu können. Mein erster Gruß gehört natürlich der schönen und liebenswürdigen Frau, welche die schönste Blume in dem Kranze meiner Erinnerungen an Wien bildet.«

      Er drückte abermals seine Lippen auf die zarte Hand, welche er bis dahin in der seinen gehalten, und setzte sich dann auf einen Fauteuil, indem er mit leichter Verneigung gegen den Herrn von Stielow einen fragenden Blick auf die Dame richtete.

      Diese hatte sich von der Unruhe und peinlichen Bestürzung, welche ihre Züge beim Eintritt des Grafen gezeigt hatten, vollständig wieder erholt. Ihr Auge war ruhig, ihre Lippen lächelten und ein sanfter Rosenhauch lag auf ihren Wangen.

      Mit leichtem, anmuthigem Ton sagte sie:

      »Die Herren kennen sich nicht — Herr von Stielow — das Nähere sagt seine Uniform, im Uebrigen ein thätiges Mitglied unserer jeunesse dorée — war im Begriff, mir das Neueste aus der Tageschronik unserer eleganten Welt zu erzählen, — Graf Rivero — Reisender, Gelehrter, Diplomat — je nach Laune, kommt von Rom und wird mir viel von dem Karneval erzählen — oder vielleicht von den Katakomben, je nachdem ihn sein Herz zu dem einen oder den andern gezogen hat.«

      Die Herren verneigten sich gegen einander — Graf Rivero mit der kalten, aber verbindlichen Artigkeit des Weltmannes, Herr von Stielow mit ziemlich schlecht verhehltem Widerwillen.

      »Mein Herz,« sagte der Graf dann, sich lächelnd gegen die junge Frau wendend, »hat weder die übermüthige Jugendlust des Karnevals, noch ist es bereits reif für die Katakomben, aber meine schöne Freundin liebt es, mir die Laune für die Extreme zuzuschreiben.«

      »Sie waren lange nicht in Wien, Herr Graf?« fragte Herr von Stielow mit kaltem Tone.

      »Seit einem Jahre haben mich Geschäfte in Rom zurückgehalten,« erwiederte der Graf, »und ich dachte noch längere Zeit dort zu bleiben, aber nothwendige Geschäfte haben mich zurückgerufen. — Und ich bin dieser Notwendigkeit dankbar,« fügte er zu der Dame gewendet hinzu, »denn sie führt mich zurück zu meinen Freunden in dem schönen, fröhlichen Wien.«

      Die junge Frau warf einen schnellen Blick auf Herrn von Stielow, der seinen Schnurrbart mit den Lippen zerbiß, und ihre Lippen zitterten leicht.

      Lächelnd sprach sie dann:

      »Und wovon werden Sie mir erzählen, Herr Graf, da weder der Karneval noch die Katakomben Sie interessirt haben?«

      »Von den schönen Antiken,« erwiederte er, »jenen tausendjährigen Marmorbildern, welche hier durch die lebendige Jugend überboten werden.«

      »In Wien werden Sie keinen Geschmack für Antiken finden,« sagte Herr von Stielow in einem Tone, der den Grafen verwundert aufblicken ließ, — »man liebt hier die Vergangenheit nicht und hält sich an die Gegenwart.«

      »Man hat Unrecht,« sagte der Graf kalt, indem er den Kopf erhob und ein stolzes Lächeln seinen Mund umspielte, »die Vergangenheit ist die Tiefe — die Gegenwart die Oberfläche.«

      Herrn von Stielow's Stirn zog sich in Falten.

      Die junge Frau warf ihm einen bittenden Blick zu, den er nicht bemerkte.

      »Die Vergangenheit ist oft langweilig,« sagte der Offizier in kurzem Ton.

      Jetzt schien auch der Graf durch diesen Ton unangenehm berührt.

      Er erwiederte kurz und kalt:

      »Und die Gegenwart oft sehr fade.«

      Herrn von Stielow's Augen blitzten.

      Der Graf stand auf.

      »Meine schöne Freundin,« sprach er, »ich bin erfreut, Sie so blühend und unverändert wiedergefunden zu haben. Ich werde Sie wiedersehen und hoffe eine Zeit zu finden, wo wir ungestört plaudern und ich Ihnen von Rom und der Vergangenheit erzählen kann, ohne fürchten zu müssen, Jemand zu langweilen.«

      Er küßte ihre Hand, verneigte sich leicht und fast unmerklich gegen Herrn von Stielow und verließ das Zimmer.

      Herr von Stielow sprang auf, nahm seine Mütze und wollte ihm nacheilen.

      Die junge Frau ergriff seine Hand und rief:

      »Karl, ich bitte Dich, höre mich an!«

      Er riß sich mit ungestümer Bewegung los und folgte dem Grafen.

      Die junge Frau blickte ihm mit weit offenen Augen und ausgestreckten Händen nach.

      Sie schien ihm folgen zu wollen — aber sie blieb stehen, ihre Hände sanken langsam nieder und ihr Kopf fiel auf die Brust herab.

      So stand sie einen Augenblick da und man hörte nur die lauten Athemzüge ihres wogenden Busens.

      »So ist diese Entscheidung doch gekommen, die ich zu vermeiden hoffte,«