Der Kaiser schwieg und biß die Lippen aufeinander.
»Kaufen,« rief er endlich lebhaft, — »kaufen sollte ich die Stellung meines Hauses in Deutschland, kaufen das Recht meiner Väter, und von wem kaufen? — Von diesem Königreich Italien, das die Fürsten meines Hauses vertrieben, das die Kirche bedroht und selbst des heiligen Stuhles Patrimonium anzutasten bereit ist —! Nein! nein! Denken Sie sich an meine Stelle, Graf Mensdorff, — Sie werden begreifen, daß ich das nicht kann!«
»Majestät halten zu Gnaden,« sagte der Graf, — »kaufen muß man Alles, jede Allianz ist ein Kauf, und je weniger werthvoll das Objekt ist, welches man hingibt, um so besser ist das Geschäft. Oesterreichs italienische Stellung und frühere italienische Politik — deren Richtigkeit noch sehr zu erörtern wäre — ist mit der Lombardei aufgegeben, Venetien kann nicht viel nützen — und nur ein Hinderniß für eine mögliche Allianz mit Italien bilden.«
»Sie denken an eine Allianz mit Italien als möglich?« rief der Kaiser mit Erstaunen.
»Warum nicht?« sagte Graf Mensdorff, — »wenn Italien Alles hat, was italienisch ist, so hat es kein Oesterreich feindliches Interesse mehr und kann sich weit eher mit dem Kaiserstaat verbinden, als mit Frankreich, mit welchem es früher oder später um die erste Stelle unter den Nationen romanischer Rasse in Streit kommen muß.«
»— Und die vertriebenen Erzherzoge und die Heiligkeit des Oberhaupts der Kirche?« fragte der Kaiser. — »Ich kann es nicht,« fuhr er fort, indem er vor sich hin blickte, — »was würde mein Oheim sagen, der sich anschickt, den Italienern die Schärfe des österreichischen Schwertes fühlen zu lassen, — was würde mein ganzes Haus, die Geschichte, — was würde man in Rom sagen! — Wenn Italien geschlagen ist,« — sagte er nach einem Augenblick nachdenkend, — »wenn wir in Deutschland wieder auf der alten Höhe stehen, dann kann man über Venetien unterhandeln, — wenn dann durch dieß Opfer die Sicherheit des heiligen Vaters und des Patrimoniums Petri garantirt werden kann —«
»Wenn Eure Majestät in Deutschland Sieger sein sollten,« erwiederte Graf Mensdorff, — »dann bedürfen wir keiner Unterhandlungen mit Italien mehr. Aber —«
Ein Schlag an die Thür ertönte.
Der dienstthuende Flügeladjutant Fürst Liechtenstein trat ein.
»Eine Depesche für Kaiserliche Majestät vom Feldzeugmeister.«
Und er zog sich wieder zurück.
Die Augen des Kaisers leuchteten, als er eilig mit fast zitternder Hand den Umschlag des Telegramms zerriß.
»Vielleicht ein Zusammenstoß,« murmelte er.
Sein Auge flog mit hastiger Spannung über die Zeilen.
Er wurde todtenblaß, und den Blick starr auf das Papier gerichtet, welches er unbeweglich vor sich hielt, sank er auf den einfachen hölzernen Sessel vor seinem Schreibtisch.
Eine kurze Pause trat ein, während welcher die Brust des Kaisers keuchend arbeitete.
Graf Mensdorff blickte mit äußerster Spannung auf seinen kaiserlichen Herrn, wagte jedoch nicht, das unverkennbar peinliche Nachdenken zu unterbrechen, in welches die empfangene Nachricht ihn versetzt hatte.
Endlich richtete sich der Kaiser wieder auf.
»Eine Depesche von Benedek!« rief er.
»Und was meldet der Feldzeugmeister?« fragte Graf Mensdorff.
Der Kaiser schlug mit der Hand vor die Stirn.
»Er bittet mich, Frieden zu machen um jeden Preis, die Armee sei nicht schlagfertig, wie er näher auseinandersetzen will.«
»Eure Majestät werden nicht glauben,« sagte Graf Mensdorff traurig lächelnd, »daß der Feldzeugmeister mit mir konspirirt. — Wenn er die Armee dem Kampfe, der uns bevorsteht, nicht gewachsen findet — er, der Vertrauensmann der öffentlichen Meinung,« — Graf Mensdorff sagte dieß mit einem feinen, fast unmerklichen Lächeln, — »dann muß wohl meinen Bedenken ein ernstes Motiv zum Grunde liegen.«
Der Kaiser sprang auf und rührte heftig die goldene Glocke, welche auf seinem Schreibtisch stand.
Der Kammerdiener trat ein.
»Fürst Liechtenstein!« rief der Kaiser.
Eine Sekunde darauf stand der dienstthuende Flügeladjutant vor ihm.
»Ich lasse den Grafen Crenneville bitten, sogleich zu kommen. — Wer ist im Vorzimmer?«
»Feldmarschalllieutenant Baron Gablenz mit seinem Generalstabschef und Adjutanten!« meldete Fürst Liechtenstein in dienstlicher Haltung.
»Sehr gut,« rief der Kaiser, »lassen Sie ihn sogleich ein treten.«
Einen Augenblick später führte der Fürst den General und seine Begleiter ein.
Baron Gablenz trat an den Kaiser heran und sprach:
»Ich bitte Eure Majestät, vor meinem Abgang zur Armee mich abmelden und Allerhöchstdenselben meinen unterthänigsten Dank für das durch die Übertragung des Kommandos über das zehnte Korps bewiesene allergnädigste Vertrauen ausdrücken zu dürfen.«
Der Kaiser erwiederte gnädig:
»Dieß Vertrauen, mein lieber Feldmarschalllieutenant, ist verdient und keine Gnade, — Sie werden es rechtfertigen durch neue Lorbeeren, welche Sie an die österreichischen Fahnen knüpfen.«
Baron Gablenz stellte den Oberst Bourguignon, seine Adjutanten und Herrn von Stielow vor.
Der Kaiser richtete an Jeden einige verbindliche Worte mit der ihm eigentümlichen liebenswürdigen und verbindlichen Manier.
Herrn von Stielow fragte er:
»Sie sind Mecklenburger?«
»Zu Befehl, Majestät.«
»Ihr Herz wird vielleicht getheilt sein, denn ich fürchte, Ihr Vaterland wird zu unsern Gegnern stehen, — gezwungen durch seine Lage.«
»Majestät,« erwiederte der junge Offizier mit innigem Ton, — »so lange ich diese Uniform trage, ist mein Vaterland da, wo Eurer Majestät Fahnen wehen. Mein Herz gehört Oesterreich.«
Und er legte die Hand auf die Brust, wo unter der Uniform die Rose an seinem Herzen ruhte, welche er am Abend vorher erhalten.
Der Kaiser lächelte freundlich und legte seine Hand auf die Schulter des jungen Mannes.
»Ich freue mich, daß der Feldmarschalllieutenant Sie gewählt hat, und hoffe von Ihnen zu hören!«
Fürst Liechtenstein öffnete die Thüre mit den Worten:
»Feldmarschalllieutenant Graf Crenneville!«
Der Generaladjutant des Kaisers trat ein. Er trug die Uniform seiner Charge vom kleinen Dienst. Sein feines Gesicht von französischem Typus, mit dem schwarzen kleinen Bart auf der Oberlippe und den klugen, dunklen Augen, ließ in seinem lebhaften Mienenspiel die fünfzig Jahre nicht erkennen, welche der General bereits durchlebt hatte.
»Kaiserliche Majestät haben befohlen?« sprach er.
»Ich danke, meine Herren!« sagte der Kaiser zu den Begleitern des Baron Gablenz gewendet, — »ich hoffe, daß der Feldzug Ihnen Gelegenheit geben werde, mir und dem Vaterlande neue Dienste zu leisten. — Ich bitte Sie zu bleiben, Baron Gablenz!«
Herr von Bourguignon, die Adjutanten und Herr von Stielow traten ab.
Der