Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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gehen, wo alle unsere Leute sich zusammenfinden. Gehen Sie mit — und lachen Sie ein wenig mit uns.«

      Herr von Stielow besann sich einen Augenblick. Nach Hause zu gehen widerstrebte ihm — für ernste Unterhaltung war er zu erregt, — wo konnte er besser die Abendstunden verbringen, als inmitten dieses heiteren Völkchens , das in fröhlichem Leichtsinn und heiterer Natürlichkeit eine ewig junge Welt in dem ernsten Leben sich schuf?

      Er legte seinen Arm in den des Schauspielers und sagte:

      »Gut, lieber Knaak, ich begleite Sie und will sehen, wie der Humor des Karltheaters sich mit der kriegerischen Zeit abfindet.«

      »Mein lieber Herr von Stielow,« erwiederte Knaak — »unseren Humor zu zerstören, dazu würden alle Krupp'schen Kanonen und alle Zündnadelgewehre nicht ausreichen, — das heißt,« fügte er ernst hinzu, »wenn wir in corpore zusammen sind, ich für meine Person bin oft recht trübe gestimmt — denn ich bin Norddeutscher von Geburt und meine Jugenderinnerungen liegen dort oben, — und jetzt bin ich von Herzen Wiener und Oesterreicher, — der bevorstehende Krieg macht mir das Herz schwer!«

      »So wird es Vielen gehen,« antwortete Herr von Stielow — »auch meine Heimat liegt im Norden — es ist ein trauriger Krieg — wenn ich auch als Soldat mich darüber freuen muß, daß dieser Säbel, der so lange über das Straßenpflaster gerollt ist, endlich einmal eine ernste Thätigkeit finden soll.«

      Ein leichter Seufzer schien mit dieser soldatischen Freude über den Krieg nicht ganz zu harmoniren — vielleicht dachte er an den eben aufgegangenen Stern seines Lebens und wie er so schnell in blutiger Wolke verschwinden könne.

      Sie waren vor das große Hotel de l'Europe gekommen, welches mit dem Hotel zum Kronprinzen die ganze Länge der Asperngasse einnimmt.

      Durch das große Thor traten sie in die weiten Räume des Restaurants dieses Hotels, durchschritten dieselben und gelangten vor eine verschlossene Thür, aus welcher laute Stimmen und fröhliches Gelächter ihnen entgegenschallten.

      Knaak öffnete diese Thür und trat mit Herrn von Stielow in einen nicht zu großen, viereckigen Saal, mit Jagdbildern und Hirschgeweihen geschmückt, in dem eine bunte Gesellschaft um eine Tafel versammelt war, auf welcher ein kaltes Souper stand und durch die bereits in seinem Arrangement vorhandenen Lücken, von den kräftigen Angriffen zeugte, welchen es von den Anwesenden ausgesetzt gewesen.

      Auf der Tafel stand eine große Bowle mit duftendem Punsch; einzelne silberne Kühler, mit Eis gefüllt, zeigten die weißen Köpfe der darin stehenden Champagnerflaschen.

      In der Mitte der Gesellschaft, welche diese Tafel umgab, saß die launige Königin des Karltheaters, der verzogene und oft ungezogene Liebling des wiener Publikums, Fräulein Josephine Gallmeyer.

      Neben ihr saß der alte Grois, ihr besonderer Freund, der Letzte aus der Nestroy'schen Zeit, — ein ziemlich starker Mann mit groben Zügen, denen er aber die feinsten Nuancen des Ausdrucks zu geben verstand, und einer Stimme voll unendlich komischer Modulation.

      An der Seite des Tisches saß einsam und nachdenkend der junge Komiker Matras, mit seinem feinen, intelligenten Gesicht, welcher im heutigen Bühnenleben der Repräsentant des alten, echten wiener Humors ist; neben ihm befanden sich in eifrigem Gespräch Fräulein Schwöder, eine junge schwarzäugige Sängerin, und der Doktor Herzel, Redakteur und Kritiker, ein nicht großer Mann mit scharfem, klugem Gesicht.

      Der Eintritt Knaak's und des Herrn von Stielow wurde mit lautem Jubel von Seiten der Fräulein Gallmeyer begrüßt.

      Sie nahm einen in ihrer Nähe liegenden Champagnerkork, warf ihn dem Eintretenden entgegen und rief:

      »Gott sei Dank, daß ein paar vernünftige Menschen daher kommen. — Geh' her, Knaak, setz' Dich zu mir, und Sie, Herr von Stielow, da gegenüber, daß ich Ihre Uniform sehen kann, die mir gefällt — ich konnt's halt nit mehr aushalten in dieser langweiligen Gesellschaft, der Matras da sitzt und sagt gar nichts — und die Schwöder und der Doktor, die sitzen da nebeneinander wie ein paar ineinandergezogene Handschuhe, und da hat mir denn dieser würdige Grois« — sie schlug den alten Komiker derb auf die Schulter — »eine moralische Vorlesung gehalten — Sie können sich halt denken, wie amüsant das ist.«

      Sie ergriff eine Champagnerflasche und schenkte Knaak, der sich neben sie gesetzt, ein großes Glas voll der perlenden Flüssigkeit ein.

      »Da, trink' das aus,« rief sie luftig, »damit Du in Humor kommst.«

      »Meiner Seel',« unterbrach sie sich, indem sie Herrn von Stielow ansah, der sich ihrer Aufforderung gemäß ihr gegenübergesetzt hatte, — »meiner Seel', Herr von Stielow, was sind Sie heut schön — Ihnen muß was besonders Gutes passirt sein, — Sie strahlen ja ordentlich!«

      »Nehmen Sie sich in Acht, Herr von Stielow,« sagte Knaak, »die Pepi verliebt sich in Sie und dann müssen Sie daran glauben, denn bei der heißt's:

      »Wenn mir ein Kavalier gefällt,

       Da hilft kein Widerstreben!«

      Fräulein Gallmeyer schlug Knaak auf den Mund und rief:

      »Das hat gute Wege, solche schwärmerische Leut', wie der Stielow heut aussieht, kann ich nicht gebrauchen, — i wett', daß in seinem Herzen kein Platz mehr ist. Uebrigens,« fuhr sie mit großem Ernst fort, — »verlieb' ich mich nit mehr so leicht, ich muß erst den Taufschein seh'n von meinem Gegenstand!«

      »Warum denn das?« fragte Herr von Stielow.

      »Sie will erst wissen, ob er majorenn ist und frei über sein Geld verfügen kann,« sagte Matras.

      »Der Matras denkt nur immer an's Geld, just weil's ihm wieder fehlt,« rief sie, — »aber nein, das ist's nit. — Schaun's« fuhr sie abermals mit großem Ernst fort, »i hab' mir fest vorgenommen, daß ich und mein Schatz zusammen niemals älter als fünfzig Jahr sein dürfen — und da muß i denn, je älter ich werd', immer ein'n jüngern Schatz haben und mich vergewissern, ob er auch nicht mehr Jahre hat, als auf ihn fall'n bei der Theilung. 'S ist nun 'mal mein Grundsatz, und davon geh' i nit ab.«

      Alle lachten.

      »Dann wirst Du bald zu einem Wickelkind kommen,« bemerkte der alte Grois trocken.

      »Papa Grois,« rief die Gallmeyer, »thu' mir den Gefallen und mach nicht so schlechte Witze, i hab' genug vom Wickelkind als ›lustige Person‹.«

      »Aber wo bleibt die Grobecker?« fragte Knaak.

      »Sie zankt sich mit ihrem Herzog,« sagte Doktor Herzel.

      »Warum schon wieder?«

      »Sie behauptet, erwache der kleinen Jägerpepi den Hof — und das will sie nicht haben.«

      »Was das für eine Passion ist!« rief die Gallmeyer. — »Bald werden im Karltheater nur noch die Herzoginnen und die Fürstinnen spielen. — Nun meinetwegen, i bleib' halt die Pepi Gallmeyer.«

      Und sie sang:

      »Mei Mutter is a Wäscherin,

       A Sängerin bin i;

       Mein Schatz thu' i lieben,

       Und gewaschen bin i.«

      »Ja, das ist wahr,« sagte Grois, »zur Herzogin bist Du verdorben. Wißt ihr, was sie neulich gemacht hat?« fragte er. — »Der Herzog della Rotonda gab uns Allen ein großes Souper in seinem Hotel. Es war Alles fürstlich und die Lakaien in weißen Strümpfen servirten uns die feinsten Sachen. Die Pepi gähnte einmal über das andere — endlich fragte sie: ›Herr Herzog, wo ist hier die Schwemme? i halt's nit aus, 's ist mir zu fein hier!‹«

      »Was ist Schwemme?« fragte Herr von Stielow.

      »Das ist ein wiener Ausdruck,« sagte Knaak, »für den Restaurant zweiten Ranges, der sich in jedem Hotel hier befindet und in welchem die Domestiken der Reisenden beköstigt werden —«

      »Und wo es noch viel tausendmal amüsanter ist, als bei dem alten langweiligen Herzog mit seinen silbernen Leuchtern und seinen storchbeinigen