Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Prinzipien zerstören die Disziplin. Das mag gut sein für eine Armee wie die preußische, wo Jedermann Soldat ist — ich versteh' mich darauf nicht — aber für uns taugt es nichts — und am allerwenigsten taugt es, solche Neuerungen im Moment des Ausmarsches in einen großen Krieg anzufangen und fast am Tag vor der Schlacht in die ganze Armee die Opposition gegen ihre Offiziere zu bringen.«

      Der Graf hatte sehr erregt gesprochen.

      Niemand antwortete und es trat eine augenblickliche Stille ein.

      Der Feldmarschalllieutenant von Reischach unterbrach dieselbe, indem er rief:

      »Aber wissen Sie, meine gnädigsten Damen, schon das neueste große Ereigniß von Wien?«

      »Nein,« erwiederte die Gräfin Clam, »was ist es? — irgend ein großer Succès der Wolter oder eine neue Excentrizität der Gallmeyer?«

      »Weit besser als das,« erwiederte Herr von Reischach, — »ein sehr pikantes Duell.«

      »Ein Duell? und zwischen wem? Bekannte aus der Gesellschaft?« fragte die Gräfin Frankenstein.

      »Unser kleiner Ulanenlieutenant Stielow,« sagte Herr von Reischach, »und jener italienische Graf Rivero, dessen Sie sich wohl noch vom vorigen Jahre erinnern, den der Nuntius in die Gesellschaft einführte.« —

      »Das ist ja sehr merkwürdig,« rief Gräfin Frankenstein, — »ist denn Graf Rivero wieder hier?« »Seit gestern,« erwiederte Herr von Reischach. »Und in vierundzwanzig Stunden ein Rencontre mit Herrn von Stielow?« fragte Gräfin Clam.

      »Es scheint,« sagte Herr von Reischach, »daß eine Dame im Spiele ist. Sie haben wohl von der schönen Madame Balzer gehört, meine Gnädigsten?«

      Die junge Comtesse Frankenstein stand auf und trat in den dunkleren Theil des Salons an einen Blumentisch. Sie beugte sich über die Blumen.

      »Ich hörte den Namen dieser Dame in Verbindung mit dem Herrn von Stielow nennen,« sagte Gräfin Clam.

      »Es werden wohl ältere und neuere Rechte in Kollision gerathen sein,« bemerkte der Feldmarschalllieutenant.

      »Und ist etwas Ernstes vorgefallen?« fragte Graf Clam.

      »Das habe ich nicht erfahren können,« erwiederte Herr von Reischach, — »doch fürchte ich für unsern kleinen Stielow — der Graf Rivero war als vortrefflicher Schütze bekannt. — Wo ist aber meine kleine Comtesse geblieben?« unterbrach er sich, indem er den Kopf wendete und in die Tiefe des Salons blickte.

      Die junge Gräfin stand noch immer über die Blumen gebeugt.

      Ihre Mutter richtete einen schnellen, besorgten Blick dorthin.

      Die junge Gräfin kehrte langsam in das Licht zurück. Sie hatte eine frisch erblühte Rose in der Hand; ihre Züge waren starr, ihre Lippen aufeinander gepreßt.

      »Ich habe mir eine Rose gepflückt,« sprach sie mit einer leicht zitternden Stimme, »um meine Toilette zu vollenden.«

      Und sie steckte die Rose an ihren Busen, indem sie sich wie mechanisch wieder auf ihren alten Platz setzte.

      »Ah, ich vergaß die Soirée bei der Gräfin Wilczek,« rief die Gräfin Clam, indem sie aufstand, »Sie werden sich vorbereiten wollen, — auch ich muß noch vorher nach Hause.«

      »Ich erlaube mir, Sie zu begleiten,« sagte Herr von Reischach, und Alle verabschiedeten sich bei der Gräfin Frankenstein.

      Mutter und Tochter blieben allein.

      Es entstand eine Pause.

      »Mama,« sagte die junge Gräfin, — »ich fühle mich nicht wohl und möchte zu Hause bleiben.«

      Ein Blick voll Theilnahme und Sorge aus den Augen der Mutter traf die Tochter.

      »Mein Kind,« sagte sie, »ich bitte Dich, bedenke, was man sagen könnte und würde, wenn Du heute nicht erschienest, nachdem man Dich hier soeben gesehen!«

      Die junge Dame stützte den Kopf in die Hand; ein leises Schluchzen durchdrang die Stille des Salons und ihre schlanke Gestalt zitterte, — Thränen fielen auf die frische Rose an ihrer Brust.

      Der Lakai öffnete die Thüre.

      »Der Herr Baron von Stielow!«

      Tiefes Erstaunen malte sich auf den Zügen der Gräfin Frankenstein, während ihre Tochter sich lebhaft erhob — ein glühendes Roth zog über ihr Gesicht, dann fiel sie wieder auf ihren Sessel zurück, während die noch von Thränen schimmernden Augen sich starr nach der Thüre richteten.

      Der Lakai nahm das Schweigen der Gräfin, die ohnehin um diese Stunde jeden Besuch anzunehmen pflegte, für eine bejahende Antwort und verschwand.

      Herr von Stielow trat ein.

      Er war vollkommen frisch wie immer, keine Spur von der Abspannung des Morgens lag auf seinen Zügen, nur war jene übermüthige und leichtsinnige Heiterkeit verschwunden, welche sonst von seinem Gesicht strahlte, — ein tiefer, fast feierlicher Ernst lag in seinem Wesen und aus seinen Augen leuchtete ein milder, ruhiger Glanz, der junge Mann war in diesem Ernst schöner als sonst.

      Er näherte sich den Damen.

      Die junge Gräfin schlug die Augen nieder und spielte mit ihrem Taschentuch.

      Ihre Mutter empfing den Lieutenant mit vollkommen ruhiger Miene.

      »Wir haben Sie lange nicht gesehen, Herr von Stielow,« sagte sie, — »wo haben Sie herumgeschwärmt?«

      »Der Dienst ist jetzt strenger als sonst, Frau Gräfin,« sagte Herr von Stielow, »und läßt uns wenig freie Zeit, — der Krieg scheint beschlossen — da müssen wir uns schon ein wenig an die Strapazen gewöhnen.«

      »Soeben sprach uns Herr von Reischach von Ihnen,« sagte die Gräfin.

      »Was hat er erzählt,« rief Herr von Stielow lebhaft, — »gewiß irgend eine boshafte Geschichte?«

      Und sein Blick heftete sich auf die junge Dame, welche noch immer die Augen niedergeschlagen hielt und keine Bewegung machte.

      »Er ließ uns etwas fürchten,« sagte die Gräfin, — »was —« und sie warf einen Blick auf ihn, der seine ganze Gestalt umfaßte — »was, wie ich sehe, nicht der Fall ist.«

      Herr von Stielow lächelte, — aber er lächelte nicht, wie er sonst vielleicht nach einem glücklich überstandenen Duell gelächelt haben würde, — es war ein ernstes, glückliches Lächeln.

      »Herr von Reischach beweist mir zu viel Teilnahme,« sagte er, »und seine Besorgnisse, wenn er solche um mich gehegt, sind jedenfalls völlig unbegründet.«

      Die Gräfin Frankenstein warf einen raschen Blick auf ihre Tochter.

      »Sind Sie heut Abend bei der Gräfin Wilczek?« fragte sie.

      »Ich bin dort noch nicht eingeführt,« erwiederte Herr von Stielow in einem Ton, durch welchen ein leichtes Bedauern hindurchklang.

      »Wenigstens werden Sie uns bis dorthin begleiten, nicht wahr?« sagte die Gräfin, indem sie aufstand — »ich habe noch ein wenig an meiner Toilette zu ändern — meine Tochter ist fertig und wird Ihnen so lange Gesellschaft leisten.«

      Herr von Stielow erhob sich und sprach mit glückstrahlenden Augen:

      »Zu Ihren Befehlen, gnädigste Gräfin.«

      Die Gräfin Frankenstein verließ den Salon, ohne auf den fast entsetzten Blick zu achten, den ihre Tochter ihr zuwarf.

      Die beiden jungen Leute blieben allein. Eine kleine Pause trat ein. — Herr von Stielow näherte sich dem Sessel der jungen Dame.

      »Gräfin Klara!« sagte er mit leisem, innigem Ton.

      Die junge Gräfin schlug ihre Augen auf und blickte ihn mit dem Ausdruck der Verwunderung an, indem ein schmerzlicher Zug um ihren Mund zuckte.

      Das Licht fiel auf ihr Gesicht