Sie trug ein perlgraues Morgenkostüm mit leichten hellrosa Schleifen, ein weißes Spitzentuch umgab das feine Oval ihres Gesichts und bedeckte fast ganz das glänzende, glatt anliegende Haar.
Die Morgensonne warf einzelne Strahlen durch die zusammengezogenen Vorhänge des mit reizender Eleganz ausgestatteten Raums. Diese spielenden Reflexe, welche bei jeder Bewegung der jungen Frau über ihr Gesicht liefen, gaben ihrer Schönheit einen eigentümlichen Reiz, und es schien, daß sie sich dessen wohl bewußt war, denn sie warf von Zeit zu Zeit einen Blick in einen runden Spiegel, der an der entgegengesetzten Wand so aufgehängt war, daß er fast ihre ganze Gestalt erblicken ließ, und hatte Sorge, daß ihr leicht an ein großes dunkelrothes Kissen gelehntes Haupt sich nicht aus dem Bereich der leicht herüberspielenden Sonnenstrahlen entfernte.
Ihre Züge trugen aber heut nicht jenen hingebenden, bezaubernd schwärmerischen Ausdruck, mit welchem sie an jenem Abend den Lieutenant von Stielow empfangen hatte, vielmehr ruhte auf ihrem Gesicht eine eisige Kälte und ein Zug schneidenden Hohns umspielte die schönen Lippen, welche halb geöffnet die fest aufeinander gepreßten Zähne sehen ließen.
Vor ihr stand ein Mann von etwa dreißig Jahren, elegant, aber mit jener äußersten Genauigkeit der Mode gekleidet, welche man selten bei einem vornehmen Manne findet. Seine Züge waren nicht unschön, aber ziemlich gemein und trugen den Stempel der Debauche zweiten oder dritten Ranges.
Er hatte die Hände in den Taschen und wiegte sich auf den Absätzen hin und her.
Dieser Mann, dessen ganze Erscheinung so wenig zu der so äußerst vornehmen und wahrhaft eleganten Einrichtung des Boudoirs und noch weniger zu der graziösen und ätherischen Erscheinung der jungen Frau paßte, war der Gemahl derselben, der Kaufmann und Wechselagent Balzer.
Das eheliche tête à tête schien nicht der angenehmsten Natur zu sein, denn auch das Gesicht des Mannes zeigte lebhafte Aufregung und eine höhnische Ironie.
»Du kennst mich,« sagte er mit jener rauhen Stimme, welche durch den Genuß starker Spirituosen und durch fortgesetztes Nachtschwärmen erzeugt wird, und mit jener eckigen Härte der Betonung, welche man stets bei Personen ohne geistige Bildung und gute Erziehung findet, »Du kennst mich und weißt, daß ich meinen Willen durchzusetzen verstehe. — Ich muß die zwölfhundert Gulden haben und zwar bis morgen!« rief er laut, indem er mit dem Fuß auf den Boden stampfte.
Die junge Frau spielte leicht mit einer Schleife ihres Morgenrockes, deren rosige Farbe nicht zarter und duftiger war, als diejenige der feinen Fingerspitzen, die sie in Bewegung setzten, und antwortete, ohne ihre Stellung zu ändern und ohne die Augen zu ihrem Manne zu erheben, mit leiser, aber scharfer und fast zischender Stimme:
»So spiele glücklich — oder betrüge irgend einen Deiner Klienten, deren Geschäfte Du an der Börse machst.«
»Deine Beleidigungen lassen mich kalt,« — erwiderte er mit fingirter Kaltblütigkeit — »ich glaube, wir können uns die Mühe sparen, uns gegenseitig unsere Gesinnungen zu erkennen zu geben. Ich bin praktisch und vor Allem Geschäftsmann,« — fuhr er mit giftigem Lächeln fort — »Du kennst unsern Vertrag und weißt, unter welchen Bedingungen ich als Dein rechtmäßiger Herr und Gemahl über gewisse Dinge ein Auge zudrücke, die ich sehr ernst zu nehmen ein Recht hätte — wenn es mir eines Tages so gefiele.«
Sie bewegte keine Muskel, nur eine leicht auffliegende Röthe auf ihrer schönen marmorweißen Stirn zeigte eine Spur von innerer Bewegung.
Ohne den Ton ihrer Stimme im Geringsten zu modifiziren, sprach sie kalt:
»Du weißt ebenfalls, daß es mir sehr leicht ist, mich von dieser Kette, auf die Du trotzest, zu befreien, und kennst mich genügend, um überzeugt zu sein, daß der Uebertritt zum Protestantismus mir keinen Augenblick Bedenken erregen würde, um eine definitive Scheidung zu erlangen.«
»Ich glaube nicht, daß religiöse Bedenken Dir jemals zu schaffen machen können,« hohnlachte er.
»Wenn ich also,« fuhr sie ruhig und ohne aufzublicken fort, »diese lästige, aber durchaus nicht unzerreißbare Kette überhaupt dulde, so geschieht das nur, weil ich den Skandal verabscheue, und weil ich nicht will, daß ein Wesen,« — sie sprach das mit einer unendlichen Verachtung — »dessen Namen ich nun einmal nicht los werden kann, bis in die tiefsten Abgründe der Gemeinheit und des Verbrechens falle. Deßhalb dulde ich Dich und erhalte Dich — aus keinem andern Grunde. Hüte Dich also, die Kette lästiger zu machen, als sie es ohnehin schon ist. — Was übrigens Deine sogenannten Bedingungen betrifft, so werden sie pünktlich gehalten. Oder hast Du etwa nicht regelmäßig empfangen, was ich Dir ausgesetzt?«
»Es handelt sich darum nicht,« erwiederte Herr Balzer roh, »es handelt sich darum, daß ich, um unabweisbare Verpflichtungen zu decken, unaufschieblich zwölfhundert Gulden brauche und daß Du sie mir schaffen mußt, — was Dir eine Kleinigkeit ist. Dein kleiner Ulanenlieutenant ist ja eine unerschöpfliche Goldgrube,« fügte er mit gemeinem Lachen hinzu.
»Ich bedaure,« erwiederte sie kalt, »daß Du genöthigt sein wirst, eine andere Goldgrube zu suchen.«
»Du scheust den Skandal, wie Du mir eben sagst. Eh bien, ich werde Dir einen ganz hübschen Skandal arrangiren, sobald er kommt.«
»Dieser Skandal,« sagte sie leicht lächelnd, »würde darin bestehen, daß Du die Treppe hinuntergeworfen würdest und nie wieder einen Kreuzer von mir empfingst.«
Er schwieg einen Augenblick. Ihre so einfache Logik machte entschieden einen Eindruck auf ihn.
Nach einigen Sekunden aber trat er einen Schritt näher zu ihr hin, ein häßliches Lachen spielte um seinen Mund und ein Ausdruck höhnischer Freude glänzte aus seinen Augen.
»Du hast Recht,« sagte er, »ein solcher Skandal wäre zwecklos. Aber da Dein lieber Freund, der Herr von Stielow, so wenig ergiebig ist, so muß ich Sorge tragen, daß Du von dieser sterilen Verbindung losgemacht wirst und Dich wieder in Kreise begibst, die mehr goldene Früchte tragen. Ich werde dafür sorgen, daß Herr von Stielow von den süßen Ketten befreit wird, in denen Du ihn gefangen hältst. Es thut mir leid, Dir dadurch Kummer zu machen, denn es scheint, daß dieser kleine Ulan meiner schönen Gemahlin sonst so kaltes Herz etwas in Flammen gesetzt hat. — Aber — was kann's helfen — erst das Geschäft und dann das Vergnügen!«
Ein leichtes Zittern bewegte die feinen Fingerspitzen, welche die duftige Schleife stärker drückten, als deren zarte Natur vertrug, und zum ersten Mal in der ganzen Unterredung schlug sie die dunkeln Augen empor.
Ein scharfer, durchdringender Blick flog wie ein Blitz zu ihrem Manne hinüber.
Dieser fing den Blick auf und lächelte triumphirend.
Sie senkte die Lider wieder und sprach mit leicht vibrirender Stimme:
»Es steht Dir frei, zu thun was Du willst.«
»Gewiß,« erwiederte er, — »und ich werde ganz zart und ohne Skandal verfahren. Es wird dem Herrn von Stielow gewiß sehr interessant sein, die Stylübungen, welche die Dame seines Herzens ohne Zweifel an ihn richtet, mit denjenigen zu vergleichen, welche sie zu gleicher Zeit früheren und abwesenden Freunden zusendet.«
»Was willst Du damit sagen?« fragte sie lebhaft.
Ihr Haupt richtete sich von dem purpurnen Kissen empor und der volle Blick ihres Auges traf ihn mit durchdringender Schärfe.
»Ich will damit sagen,« erwiederte er brutal, »daß ich dem Herrn von Stielow einen Brief des Grafen Rivero an Dich und Deine Antwort darauf zusenden werde. Wenn die Ehemänner zuweilen gleichgültig gegen gewisse Stirnverzierungen sind, so pflegen die Liebhaber sehr empfindlich in diesem Punkt zu sein.«
Und er begann wieder, sich auf den Absätzen hin und her zu wiegen.
Sie preßte die rosigen Nägel in die zarten Hände und blickte einen Augenblick nachdenkend vor sich hin.
»Wo hast Du die Briefe, von denen