Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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      »Nach dem Mausoleum,« antwortete der König.

      Und am Arm seines Bruders schritt er festen und schnellen Schrittes durch den Schloßhof.

      Devrient trat auf den Grafen Wedel zu, nachdem er dem König einen Augenblick nachgesehen.

      »Wenn ich den Herrn so dahin schreiten sehe und an die Zeiten denke, in denen wir leben, so möchte ich fortwährend alle guten Geister des Himmels beschwören, daß sie gnädig über seinem theuren Haupte wachen. — Es gefällt mir nicht,« fuhr er finster fort, »den Herrn da jetzt am Arm eines österreichischen Generals zu sehen. Gott verhüte, daß das eine böse Vorbedeutung ist!«

      »Sie sind unverbesserlich,« rief Graf Wedel — »wollen Sie schon wieder die Politik aufrühren und Ihrem Haß gegen Oesterreich Luft machen? Ganz Deutschland stellt sich auf die Seite des Kaisers — soll denn der König sich für Preußen opfern?«

      »Diese österreichische Uniform gefällt mir nicht,« sagte Devrient düster.

      »Ich wollte, wir hätten dreißigtausend davon hier,« rief Graf Wedel. »Ich werde Sie an den heutigen Tag erinnern, Devrient, wenn der große Sieg erfochten sein wird und wenn das dankbare Oesterreich —«

      »Dank vom Haus Oesterreich!?« rief Devrient mit dem Tone und dem Gestus der Bühne, setzte seinen Hut auf und schritt, ohne weiter ein Wort zu sprechen, durch das Ausgangsportal der großen Allee zu, welche vom Schlosse Herrenhausen nach der Stadt führt.

      Graf Wedel ging lächelnd und kopfschüttelnd in die innern Räume des Schlosses. —

      Im Garten von Herrenhausen in tiefer Waldesstille liegt das Grabmal des Königs Ernst August und der Königin Friederike, ganz ähnlich dem Mausoleum in Charlottenburg, in welchem der König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und die Königin Louise ruhen.

      Der König und die Königin liegen in Marmor, von der Meisterhand Rauch's gemeißelt, auf ihren Sarkophagen in dem tempelartigen Bau, welcher von oben her ein Licht von wunderbarem Effekt auf die herrlichen, lebenswahren Gestalten fallen läßt. Der Bau in seiner tiefen Stille, seiner heiligen Einfachheit und seiner unübertrefflich meisterhaften Kunstbildung umfängt den Eintretenden mit der ganzen Majestät des Todes, mit den ergreifenden Schauern, aber auch mit dem tiefen Frieden der ewigen Ruhe.

      Ein einziger Posten stand vor dem Eingang.

      Vier Personen verließen das Mausoleum schweigend und augenscheinlich ergriffen, von dem Eindruck dieses königlichen Grabmals. Der Kastellan folgte ihnen.

      Drei von diesen Personen sind Bekannte aus dem alten Amtshause von Blechow, — der Pastor Berger, seine Tochter Helene und der Regierungsassessor von Wendenstein. In ihrer Begleitung befand sich ein junger Mann von sieben- bis achtundzwanzig Jahren, in einfacher schwarzer Tracht und weißer Binde, welcher ohne irgend ein bestimmtes Zeichen doch den Geistlichen vermuthen ließ. Sein glatt gescheiteltes, blondes Haar fiel gerade an den Schläfen herunter und umrahmte ein rundes, glattes Gesicht ohne bedeutende und bemerkbare Züge. Sein graues, kleines Auge blickte scharf und oft hart unter den gesenkten Lidern hervor, und um die fest geschlossenen dünnen Lippen lag ein Zug von Selbstzufriedenheit und ascetischer Würde, welcher den vollständigsten Kontrast bildete zu dem lebensfrischen, ruhig heitern Ausdruck des alten Pastors Berger, welcher auch hier seine gewöhnliche Tracht, den zugeknöpften schwarzen Rock und das viereckige Baret der lutherischen Geistlichen, trug.

      Die vier Personen schritten langsam die große Allee hinab, welche von dem Mausoleum nach dem inneren Schloßpark führt.

      Sie waren nur wenige Schritte vom Mausoleum entfernt, als der Posten mit hörbarem Schlag das Gewehr präsentirte und der ihnen folgende Kastellan halblaut rief:

      »Seine Majestät der König.«

      Aus einer Seitenallee trat Georg V. am Arm des Prinzen Solms.

      Die drei Herren entblößten das Haupt und Alle blieben ehrfurchtsvoll stehen.

      »Man grüßt Dich,« sagte der Prinz leise.

      Der König legte die Hand an die Mütze.

      »Wer ist es?« fragte er.

      »Ein lutherischer Geistlicher, nach der Tracht,« antwortete der Prinz.

      Der König blieb stehen und rief:

      »Herr Pastor!«

      Der Pastor Berger trat auf ihn zu und sprach mit fester und lauter Stimme:

      »Ich grüße in Ehrfurcht meinen königlichen Herrn und obersten Bischof!«

      Der König stutzte beim Klange dieser Stimme.

      »Bin ich Ihnen nicht im vorigen Jahre im Wendlande begegnet?«

      »Eure Majestät sind zu gnädig, sich dessen zu erinnern. Ich bin der Pastor Berger aus Blechow.«

      »Ganz recht, ganz recht!« rief der König erfreut. »Ich erinnere mich mit lebhaftem Vergnügen Ihrer schönen Begrüßung in Blechow und alles des Guten, was Sie mir über den Zustand Ihrer Gemeinde sagten. Wie glücklich macht es mich, Sie hier zu begegnen! Was führt Sie nach Hannover?«

      »Majestät, die Kräfte wollen nicht mehr so ganz wie früher, und ich muß darauf denken, mir etwas Hülfe zu schaffen, damit meine Gemeinde nicht unter meinem zunehmenden Alter leidet. Der Dienst darf nicht alt und nicht müde werden, — da habe ich nun den innigen Wunsch, meinen Schwestersohn, den Kandidat Behrmann, mir zum Adjunkten bestellen zu lassen, damit er dereinst auch, so Gott will, mein Nachfolger im Amte werde. Dieß beim Konsistorio zu erbitten und zu befürworten, bin ich hergekommen.«

      »Gewährt, gewährt, mein lieber Pastor!« rief der König lebhaft, »die Qualifikation Ihres Neffen ist in Ordnung, sonst würden Sie die Bitte nicht stellen. Er ist Ihr Adjunkt. Wie glücklich macht es mich gerade heute und hier, Ihren Wunsch sogleich erfüllen zu können!«

      Der Pastor sagte überrascht und gerührt nichts weiter als: »Ich danke Eurer Majestät von Herzen.«

      »Und nun, mein lieber Pastor, werde ich Sorge tragen, daß Ihnen Alles gezeigt wird, was in Hannover zu sehen ist. Geben Sie im Schloß Ihre Wohnung an. Morgen erwarte ich Sie zur Tafel, kommen Sie eine Stunde vorher. Sie sollen mir viel von meinem lieben, treuen Wendlande erzählen. — Haben Sie den Park und die Treibhäuser gesehen?«

      »Wir wollten dahin gehen, Majestät; jetzt komme ich aus dem Mausoleum und bin noch tief erfüllt von dem erhabenen Eindruck. Ich habe dort meine Seele zum Herrn erhoben und innig gebetet, daß er Eure Majestät schützen möge in dieser schweren und bewegten Zeit.«

      Der König blickte tief ernst vor sich hin.

      »Ja,« sprach er dann, »wir leben in ernsten, schweren und dunkeln Tagen und der Segen des Herrn thut noth. Ich will thun, was Sie gethan. Ich will beten am Grabe meiner Eltern um Kraft und Erleuchtung. Leben Sie wohl — auf Wiedersehen morgen!«

      Und mit militärischem Gruß wendete er sich und schritt dem Mausoleum zu.

      Tief ergriffen blickte der Pastor Berger ihm nach. Auf seinem Angesicht zuckte es in mächtiger Rührung, von einer unwillkürlichen Bewegung erfaßt erhob er die Hand und sprach mit lauter Stimme, die wunderbar ergreifend durch die Waldeseinsamkeit schallte:

      »Der Herr segne Dich und behüte Dich! Der Herr erhebe sein Angesicht auf Dich und sei Dir gnädig. Der Herr erleuchte sein Angesicht über Dir und gebe Dir seinen Frieden! Amen!«

      Bei den ersten Worten dieses Segens war Georg V. still gestanden, hatte sich zu dem Sprechenden umgewendet und seine Mütze abgenommen. Ein Ausdruck tiefer Andacht lag auf seinen Zügen.

      Als der Pastor geendet, bedeckte er sich, grüßte schweigend leicht mit der Hand und trat langsam in den einfachen, ernsten Bau, der die letzte Ruhe seiner Eltern beschirmte.

      Sechstes Kapitel.

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