Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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halten können?« fragte der König.

      »Wir werden ihn immer schließen können,« sagte Graf Platen, »man wird in Berlin immer sehr zufrieden sein, uns nicht gegen sich zu haben.«

      »Sie würden also? —« fragte der König.

      »Zeit gewinnen, Majestät, — Zeit gewinnen,« sagte Graf Platen, »wir sind jetzt gesucht auf beiden Seiten und würden unsere günstige Position verlieren, wenn wir uns definitiv auf die eine Seite stellten. Je länger wir warten, um so vortheilhafter können wir unsere Lage gestalten.«

      Der König bedeckte Stirn und Augen mit der Hand und schwieg einen Augenblick. Dann wendete er sich nach der anderen Seite und sprach:

      »Und was meinen Sie, Minister Bacmeister?«

      Der Angeredete erwiederte mit einer leisen Stimme, welche aber dennoch die Hörer in eigentümlicher Weise zur Aufmerksamkeit zwang:

      »Es ist mein Grundsatz, Majestät, mir in jedem Falle die weiteren Konsequenzen der augenblicklichen Handlung klar zu machen. — Die Haltung, welche Eure Majestät jetzt einzunehmen beschließen werden, hat aber sehr weittragende Konsequenzen. — Eure Majestät können zunächst entweder mit Oesterreich oder mit Preußen gehen. — Gehen Allerhöchstdieselben mit Oesterreich, so können Sie, wenn Preußen so besiegt wird, wie man es in Wien hofft — und wie ich es nicht glaube, vielleicht eine bedeutendere Macht und größeren Einfluß in Deutschland gewinnen, — aber Sie spielen im entgegengesetzten Fall um Ihre Krone. — Eine solche Politik kann kühn und groß sein, aber sie setzt Alles auf's Spiel. — Wollen Eure Majestät sie machen, so können Sie das nur selbst beschließen, ein Minister kann dazu nicht rathen, da es ihm nicht zusteht, die Krone seines Herrn als Einsatz für ein gefährliches Spiel zu benutzen. — Gehen Eure Majestät mit Preußen, so folgen Sie der natürlichen Lage Hannovers und werden im Falle des Sieges zwar nicht eine so glänzende Stellung einnehmen, aber Sie werden auch im Falle des Unterliegens keine Gefahr laufen, da Oesterreich als Sieger Hannover nicht schwächen kann. — Nun bietet sich aber Eurer Majestät die glückliche Chance, durch eine neutrale Haltung, welche man in Berlin jetzt noch acceptirt und stipuliren will, die Sicherheit des Landes und der Krone zu bewahren und vielleicht ohne Kampf und Opfer an den Vortheilen des Sieges Theil zu nehmen. — Nach meiner Ansicht kann da der Entschluß nicht zweifelhaft sein und ich muß mich daher entschieden für die unbedingte Neutralität aussprechen. — Dann aber, Majestät,« fuhr der Minister lebhafter fort, »muß diese Neutralität so rasch wie möglich durch den bündigsten Vertrag besiegelt werden. Je mehr die Ereignisse fortschreiten, um so mehr sehe ich mit Besorgniß den Augenblick kommen, in welchem Preußen sich nicht mehr mit der Neutralität begnügen kann, und an Eure Majestät Forderungen stellen wird, die Sie nicht werden annehmen wollen und können. — Durch Zögern und Hinhalten kann nichts erreicht werden, als Mißtrauen auf beiden Seiten — und die endliche, vollkommene Isolirung Hannovers in einem Kampfe, in welchem allein und ungedeckt zu stehen wir nicht stark genug sind. — Ich stimme deßhalb für den schleunigsten Abschluß eines bündigen Neutralitätsvertrages.«

      »General von Brandis,« sagte der König.

      Der General antwortete, ohne daß der freundliche, lächelnde Ausdruck seines Gesichts verschwand:

      »Eure Majestät wissen, daß ich die Preußen hasse. Ich habe als Kind unter den Eindrücken der Okkupation von 1803 gelebt und werde diese Eindrücke nie vergessen. Ich sage Eurer Majestät ganz offen, daß ich am liebsten meinem persönlichen Gefühl nach an der Seite Oesterreichs gegen Preußen noch einmal meinen alten Degen zöge. Aber ich erkenne alle Gründe des Herrn Ministers des Innern als richtig und schließe mich deßhalb vollständig seiner Ansicht an.«

      »Und Sie, Generallieutenant von Tschirschnitz?« fragte der König weiter.

      »Majestät,« erwiederte der Generaladjutant mit seiner barschen militärischen Stimme, »ich muß zunächst auch heute nochmals dagegen protestiren, daß die königliche Armee nicht im Stande sein solle, aktiv in die Entscheidung der Dinge einzugreifen. Nach meiner Ueberzeugung ist die Armee dazu im Stande und wird überall, wo sie dazu berufen wird, dem hannöverischen Namen und ihrer Geschichte Ehre machen. Ich spreche dieß mit der vollsten Zuversicht aus und werde meine Ansicht niemals ändern. — Die Rücksicht auf mangelnde Schlagfertigkeit der Armee darf also Eurer Majestät Entschlüsse nicht bestimmen. — Was die politischen Rücksichten und Gründe betrifft, so wollte ich lieber, Eure Majestät fragten mich nicht. — Ich muß die Gründe des Herrn Ministers des Innern als richtig anerkennen — als Soldat beklage ich die Neutralität und würde wahrlich lieber wünschen, an der Seite Eurer Majestät und mit der braven hannöverischen Armee in den Kampf zu ziehen. — Wenn Eure Majestät sich aber für die Neutralität entscheiden, so möchte ich auch wünschen, daß sie sobald als möglich fest und unabänderlich abgemacht wird, denn ich verabscheue die halben Maßregeln und die unklaren Situationen und habe noch nie gesehen, daß sie zu etwas Gutem geführt hätten.«

      Der König richtete sich aus der zuhörenden Stellung, die er eingenommen hatte, empor.

      »Ich höre also,« sprach er, »daß Sie Alle, meine Herren, die Neutralität Hannovers in dem leider immer unvermeidlicher sich nahenden, tief beklagenswerthen Kampfe zwischen Oesterreich und Preußen für geboten erachten. — Nur meint Graf Platen, daß man den festen Abschluß eines Vertrages hinziehen und Zeit gewinnen solle, während Minister Bacmeister und die Herren Generale den sofortigen Vertragsabschluß für nöthig halten, um den noch günstigen Augenblick nicht zu verlieren. — Ich meinerseits schließe mich der Ansicht des Ministers des Innern aus den von ihm vorgetragenen Gründen an. — Ich bitte Sie, mein lieber Graf,« fuhr er gegen den Grafen Platen gewendet fort, »in diesem Sinne zu handeln und sogleich die erforderlichen Besprechungen mit dem Prinzen Ysenburg zu beginnen.«

      Graf Platen war augenscheinlich unangenehm berührt. —

      »Zu Befehl, Euer Majestät,« sagte er sich verneigend, »indeß werden Allerhöchstdieselben gewiß einverstanden sein, daß wir wenigstens noch einige Tage warten, bis sich die Situation noch etwas mehr geklärt hat und bis wir wenigstens ganz genau wissen, was in Oesterreich geschieht und was man dort will. — Graf Ingelheim hat mir heute Morgen mitgetheilt, daß der Prinz Karl Solms in besonderem Auftrag des Kaisers an Eure Majestät unterwegs ist.«

      Der König erhob das Haupt mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens.

      »Mein Bruder Karl?« rief er aus, »was bringt er?«

      »Ich weiß es nicht, Majestät,« sagte Graf Platen, »und Graf Ingelheim wußte es auch nicht — oder wollte nicht vorgreifen, — jedenfalls müßte doch diese Mission abgewartet werden, bevor nach Preußen hin definitive Schritte geschehen.«

      Der König dachte nach.

      Bacmeister schüttelte schweigend den Kopf.

      Ein Schlag ertönte gegen die äußere Thür.

      Der Kammerdiener meldete den Geheimen Kabinetsrath. —

      Dieser trat in das Kabinet und sprach:

      »Seine Durchlaucht der Prinz Karl Solms ist soeben angekommen und bittet Eure Majestät um Audienz.«

      Der König stand auf.

      »Wo ist der Prinz?«

      »Er ist bei Ihrer Majestät der Königin und erwartet dort die Befehle Eurer Majestät.«

      Der König klingelte.

      »Ich lasse den Prinzen Karl bitten, zu kommen,« sagte er dem eintretenden Kammerdiener. — »Sie, meine Herren Minister, wollen so freundlich sein, hier in Herrenhausen zu bleiben, — ich bitte Sie, zu frühstücken, der Geheime Kabinetsrath wird die Honneurs machen. — Mein lieber Generaladjutant, ich danke Ihnen und will Sie nicht länger aufhalten. Aus unserer regelmäßigen Arbeit wird heute nichts werden. Ich bitte Sie, morgen wiederzukommen.«

      Die vier Herren entfernten sich.

      Der Geheime Kabinetsrath trat an den Tisch des Königs.

      »Der Brief an den Kurfürsten, Eure Majestät — eine kurze Erklärung,