Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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Du allmächtiger, dreieiniger Gott,« sprach er mit leiser Stimme, deren inbrünstiger Ton das Gemach durchdrang, »Du siehst mein Herz, Du weißt, wie ich im Gebet zu Dir gerungen habe in schweren Stunden meines Lebens, Du hast mir Kraft in die Seele gegossen, die schwere Schickung zu ertragen, daß ich das Angesicht meines Weibes und meiner Kinder nicht schauen kann, Du hast mir Licht und Stärke gegeben, als ich in verhängnißvoller Zeit die Regierung dieses Landes übernahm — segne mich auch jetzt — laß mich das Rechte treffen in diesem ernsten Augenblick, erleuchte meinen Geist, zu erkennen, was meinem Lande und meinem Hause zum Heil gereicht, und führe mich gnädig durch die Stürme dieser Tage! — Doch nicht mein, sondern Dein Wille geschehe — und ist es mir beschieden, daß Leid und Trübsal mich treffe, so gib mir Kraft zum Tragen, Muth zum Ausharren!« —

      Die betenden Worte des Königs verklangen, — tiefe Stille herrschte im Gemach. Da bewegte ein Luftzug klirrend den geöffneten Flügel des Fensters, etwas Schweres fiel zu Boden, man hörte das Geräusch zerbrechender Scherben.

      Der kleine King Charles schlug an.

      Der König schrak zusammen, erhob sich rasch und stellte sich vor seinen Lehnstuhl. Dann drückte er an den Knopf der elektrischen Glocke seines Schreibtisches.

      Der Kammerdiener trat ein.

      »Was fiel dort am Fenster zu Boden?« fragte der König lebhaft.

      Der Kammerdiener eilte dem Fenster zu.

      »Es ist der Rosenstock, den Ihre Majestät die Königin zur Blüte gebracht und hieher gestellt hat.«

      »Ist die Blume beschädigt?«

      »Die Blüte ist gebrochen,« erwiederte der Kammerdiener, indem er die Scherben aufhob und die verschüttete Erde zur Seite schob.

      Georg V. schauerte leicht.

      »Die Blüte ist gebrochen,« wiederholte er halb leise, indem er das Haupt erhob und das Auge wie fragend zum Himmel richtete.

      Dann ließ er sich wieder auf seinen Sessel nieder.

      »Wer ist im Vorzimmer?« fragte er den Kammerdiener.

      »General von Tschirschnitz, Graf Platen, General von Brandis, Minister Bacmeister.«

      »Rufen Sie die Herren alle!« befahl der König.

      Der Kammerdiener stellte vier Stühle um den Tisch des Königs und entfernte sich.

      Nach einigen Sekunden traten die vier Personen in das Kabinet, indem der Kammerdiener je den Namen des Eintretenden nannte.

      »Guten Morgen, meine Herren,« rief der König ihnen entgegen — »setzen Sie sich!« —

      Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Graf Platen zu Hallermund, — ein Nachkomme jener bekannten Gräfin Platen, welche in dem Königsmark'schen Mysterium so viel genannt wurde, setzte sich zunächst zur Seite des Königs.

      Er war ein Mann von fünfzig Jahren mit scharf geschnittenem, vornehmem Gesicht. Das glänzende Schwarz seines dichten, sorgfältig gescheitelten Haares und seines Schnurrbarts schien mit seinen Jahren nicht völlig übereinzustimmen, wohl aber mit der jugendlichen und elastischen Haltung seiner schlanken, eleganten Gestalt.

      Zur andern Seite des Königs setzte sich der Minister des Innern, Bacmeister, ein Mann, wenig älter als Graf Platen, dagegen weit mehr den Stempel seines Alters tragend. Sein dünnes, blondes Haar war grau geworden, die Züge seines bartlosen Gesichts trugen den Ausdruck der Ermüdung und Abgespanntheit durch geistige Arbeit, sowie durch Kränklichkeit und körperliche Leiden. Nur wenn er aufmerksam hörte, gewannen diese Züge Leben, das Auge leuchtete in dem Strahl einer hohen und außergewöhnlichen Intelligenz und ein Zug feiner Ironie umspielte oft den geistreichen Mund.

      Wenn er sprach, so begleitete seine Worte ein so lebendiges und scharfes Mienenspiel, daß man glaubte, zwischen den Worten, die er sprach, noch viele unausgesprochene Gedanken zu lesen, die scharfen, klaren, wohlgewählten und genau den Sinn treffenden Worte gestalteten sich in Verbindung mit diesem Mienenspiel zu einer so hinreißenden Beredsamkeit, daß selbst seine heftigsten Gegner dem mächtigen Eindruck dieser anfangs unscheinbaren Persönlichkeit verfielen und vollständig sous le charme dieses Eindrucks sich befanden.

      Beide Minister trugen den blauen Amtsfrack mit schwarzem Sammtkragen.

      Der Kriegsminister, General der Infanterie von Brandis, war ein Mann von einundsiebenzig Jahren, ein alter Legionär des eisernen Herzogs von Wellington, — er hatte in Spanien gedient und die Feldzüge von 1813—15 mitgemacht. Heitere Jovialität strahlte aus seinem für seine Jahre frischen, lächelnden Gesicht, das eine schwarze kurze Perrücke umrahmte. Seine Lippe deckte ein kleiner, ebenfalls kohlschwarzer Schnurrbart.

      Er setzte sich mit dem General von Tschirschnitz dem Könige gegenüber.

      »Ich habe Sie gebeten, zusammen hieher zu kommen, meine Herren,« sprach der König, »weil ich in dieser ernsten Zeit nochmals Ihre Meinung hören und Ihnen meinen Willen aussprechen wollte. — Ich habe Sie gerufen, General Brandis, und Sie, meine Generaladjutanten, als Vertreter der militärischen Verhältnisse des Königreiches, Sie Graf Platen, als meinen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, in dessen Ressort die unmittelbar vorliegenden großen Fragen fallen — und Sie, mein lieber Minister Bacmeister, weil Sie die innere Lage des Landes und die Stimmungen des Volkes genau kennen, und« — fügte er mit verbindlichem Lächeln hinzu, »weil ich in Ihre Ansicht und Ihren Rath ganz, besonderes Vertrauen setze.«

      Der Minister des Innern verneigte sich.

      »Sie erinnern sich, meine Herren, daß vor einiger Zeit in einem größeren Conseil, das ich hier in Ihrem Beisein abhielt, die große Frage erörtert wurde, welche Stellung Hannover in dem immer schärfer hervortretenden und sich zuspitzenden, so unendlich beklagenswerten Konflikt zwischen den beiden ersten Mächten des deutschen Bundes einnehmen solle. — Die Herren Militärs — insbesondere auch der heute nicht anwesende General von Jacobi, erklärten übereinstimmend, daß die Armee zu einer ernstlichen Theilnahme an einem etwaigen Kampfe — den Gott verhüten wolle — gegenwärtig nicht bereit sei; eine Mobilmachung und militärische Vorbereitungen ernster Natur wurden aus politischen Gründen für bedenklich erachtet, während auf der andern Seite darauf gedrängt wurde, Maßregeln zu treffen, um von den militärischen Ereignissen nicht ganz unvorbereitet überrascht zu werden. — Um zwischen den beiden Meinungen zu vermitteln, habe ich die Festsetzung eines früheren Termins für die Exerzirzeit befohlen, wodurch einmal die Truppen für alle Fälle leichter disponibel sind, und zugleich auch der Bevölkerung eine Erleichterung geschaffen wird, indem die Exerzirzeit nicht mit der Ernte zusammenfällt. — Die Ereignisse schreiten indeß weiter vor und der Ausbruch des Konflikts scheint unvermeidlich. Es tritt nun die ernste Frage hervor, — ob für Hannover eine Parteinahme nach der einen oder der andern Seite möglich oder gerathen — oder ob die strikte Neutralität zu empfehlen sei. — Ich bitte den Grafen Platen, sich zunächst zu äußern.«

      Graf Platen sprach:

      »Ich verkenne nicht, Majestät, den Ernst der Lage, indeß glaube ich noch nicht, daß es wirklich zum Krieg kommt. Wir haben schon oft große Echauffements in der Politik gesehen, die sich bald wieder abgekühlt haben. Ich möchte deßhalb ganz untertänigst der Meinung sein, daß noch der Augenblick nicht gekommen sei, um einen ganz bestimmten Entschluß zu fassen und auszusprechen.«

      Ein leichtes, fast unmerkliches Lächeln flog über die Züge des Königs. Der General von Tschirschnitz schüttelte den Kopf.

      »Wenn es nothwendig werden sollte, sich positiv und definitiv zu erklären,« fuhr Graf Platen fort, »dann würde ich auch gewiß nicht der Meinung sein, sich ganz entschieden auf die eine oder die andere Seite zu stellen. Wir haben Rücksichten nach beiden Seiten zu nehmen und dann kann man ja auch gar nicht wissen, wer denn siegen werde. Die Neutralität scheint mir in diesem Falle das Natürlichste zu sein.«

      »Also würden Sie rathen, den Neutralitätsvertrag abzuschließen?« fragte der König.

      »Der Vertrag, Majestät,« erwiederte Graf Platen, indem seine schlanke